The Project Gutenberg eBook of Sprachbilder nach bestimmten Sprachregeln, by Franz Wiedemann

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Title: Sprachbilder nach bestimmten Sprachregeln

Ein einfaches und praktisches Hilfsbuch für den deutschen Sprachunterricht in der Volksschule

Author: Franz Wiedemann

Release Date: October 1, 2022 [eBook #69082]

Language: German

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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SPRACHBILDER NACH BESTIMMTEN SPRACHREGELN ***

Anmerkungen zur Transkription

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Sprachbilder
nach
bestimmten Sprachregeln.

Dekoration

Ein einfaches und praktisches Hilfsbuch

für den

deutschen Sprachunterricht in der Volksschule.

Für Lehrer und Schüler

gearbeitet von

Franz Wiedemann,

Oberlehrer an der vierten Bürgerschule in Dresden.

Dekoration

Erster Theil.

Zweite Auflage.

Dekoration

Leipzig,

Alfred Oehmigke’s Verlag

(Moritz Geißler).

Vorwort zur zweiten Auflage.

Wenn ich auch meinen Sprachbildern, als sie ihre Reise in die pädagogische Welt antraten, mit einem gewissen Vertrauen zu ihrer praktischen und darum lebensfähigen Natur nachsah, durfte ich mich doch der Hoffnung nicht hingeben, daß ich schon nach ca. einem Jahre in der Lage sein würde, von dem ersten Theile eine zweite Auflage folgen lassen zu müssen. Daß dies nun aber geschehen, sowie der Umstand, daß diese meine Sprachbilder (I. und II. Theil) von dem

Hohen Königlichen sächsischen Ministerio des Cultus und öffentlichen Unterrichts als zweckmäßig und praktisch anerkannt und den Schulinspectoren im Königreich Sachsen zur Einführung in die Schulen officiell empfohlen worden sind,

erfüllt mich mit ganz besonderer Freude!

Es sei mir gestattet, hier noch einmal kurz die charakteristischen Eigenschaften meines Werkchens niederzulegen:

1) Es basirt auf der neuesten und jedenfalls für die Volksschule zweckmäßigsten Methode, nach welcher der Sprachunterricht an Lesestücke anzulehnen ist.

2) Es belastet die Schüler nicht mit todtem Regelwerke.

3) Es enthält auf allen Klassenstufen ein bestimmtes Lehrziel.

4) Es zeichnet einen klaren, einfachen Lehrgang vor, der stricte auf dem Grundsatze ruht: „Vom Einfachen zum Zusammengesetzten“.

5) Es bietet eine reiche Auswahl von Lehrstoff (278 Artikel), sodaß dem Lehrer viel Spielraum gelassen ist.

6) Welche Lehrmethode ein Lehrer auch treibe oder triebe, unter allen Umständen werden ihm diese Sprachbilder „dienend“ zur Seite stehen.

7) Der bei weitem größte Theil der betreffenden Artikel dürfte sich ganz gut als Material zu stilischen Aufgaben eignen.

Mögen diese „Eigenheiten“ meines Werkchens in immer weiteren Kreisen gefunden und anerkannt werden. Wird mir dieser Wunsch erfüllt, dann wird es sich sicher so lange immer weitere Bahnen brechen, bis Einer kommt, der die Aufgabe, welche sich dieses Büchlein stellt, besser löst, als ich es vermocht habe.

Dresden, Ostern 1874.

Franz Wiedemann.

[S. i]

Ein Wort zu den Sprachbildern an die Lehrer.

Zu den vielen bereits vorhandenen Sprachbüchern und Sprachbüchelchen für die Hand des Lehrers und des Schülers der Volksschule — wohlgemerkt, der Volksschule — bringe auch ich noch eins herbei, aber ein anderes als die gewöhnlichen; wie ich vermeine, ein originelles und — täusche ich mich nicht — ein recht praktisches.

Gewiß zu Nutz und Frommen der Volksschule, und darum mit vollem Rechte, hat sich die größere Zahl der Volksschullehrer der Ansicht zugewendet, daß man den Sprachunterricht nicht nach todtem Regelwerke, nicht nach einer fast unabsehbaren Litanei von einander coordinirten oder subordinirten Sprachgesetzen, sondern auf Grund eines Lehrstückes, als eines fertigen Sprachgebildes, treibe. Dasselbe wird bekanntermaßen gelesen, dann zergliedert und bei dieser Operation werden die Regeln des Satzbaues, sowie die Bedeutung und die Stellung der Begriffs- und Formwörter entwickelt und gefunden.

Ganz ohne Regeln kommen wir natürlich bei dem Sprachunterrichte nicht weg, denn auf das blose Sprachgefühl können wir unsere Volksschüler ebenso wenig verweisen, als uns auf dasselbe verlassen.

Wo aber sind nun jene Lesestücke, an denen die wichtigsten Sprachregeln entwickelt werden sollen, herzunehmen? — Natürlich nirgends andersher, als aus den Lesebüchern, welche die Schüler in den Händen haben.

Die allermeisten dieser Lesestücke, wie wir sie in den bekannten zahlreichen Lesebüchern für Volksschulen finden, sind recht gut, viele musterhaft und wahre Meisterstücke des Sprachbaues; keins[S. ii] von allen aber wurde wol in der Absicht und zu dem Zwecke geschrieben, bestimmte Sprachregeln und Sprachgesetze darin zu veranschaulichen. Sie alle wurden des Stoffes und höchstens der Darstellungsformen (Schilderung, Beschreibung, Erzählung etc.) halber geschaffen.

Dieser Umstand aber wird für den Sprachlehrer zu einer Calamität und diese habe ich selbst eine Reihe von Jahren hindurch oft recht bitter empfunden. Wie so? — Nun ja, der Sprachlehrer will z. B. die verschiedenen Arten der Haupt-, Für- oder Zahlwörter, oder die Steigerung der Eigenschaftswörter, oder deren Stellung zum Hauptworte, oder die Bedeutung und Stellung der Umstandswörter, oder die verschiedenen Arten und Naturen der Verhältniß- und Zahlwörter, oder die mannichfachen Ergänzungen etc. etc. zur Anschauung und zur Besprechung bringen; wo aber findet er nun ein Lesestück, das für den vorliegenden Fall so recht geeignet ist, das die betreffende Wortgattung, die betreffende Regel möglichst allseitig repräsentirt?

Als ganz nebensächlich sei hier noch bemerkt, in welche Verlegenheit man in dieser Hinsicht gerathen kann, wenn es, beispielsweise bei einer öffentlichen Schulprüfung, einmal heißt: „Behandeln Sie die Umstände des Orts (oder die Verhältnißwörter, welche den dritten Fall bedingen, oder die Zahlwörter) auf Grund eines Lesestückes.“ Obgleich sich nun jeder nur einigermaßen gewandte Sprachlehrer auch in diesem Falle zu helfen wissen und einem Fiasco entgehen wird, ist doch immerhin dabei Holland mehr oder weniger in Nöthen, da sich eben ein für diesen Fall geeignetes Lesestück schwer oder gar nicht auffinden läßt. Doch das eben nur nebenbei.

Diesem Mangel an geeigneten Lesestücken speciell für den Unterricht in der deutschen Sprache wollte ich nun mit dem gegenwärtigen Büchlein abhelfen. Alle Stoffe und Materialien darin sind in allererster Linie eigens für den Sprachunterricht bearbeitet.[S. iii] Jeder einzelne Artikel darin ist für einen bestimmten Sprachunterrichtszweck, für eine ganz bestimmte Sprachregel geschrieben, wie die verschiedenen Ueberschriften des Näheren lehren. Das Ganze ist also durchaus kein Sammelwerk, sondern besteht aus lauter Originalartikeln. Ein Blick hinein wird Dir sagen, daß sowohl für die Wörterklassen als auch für den einfachen Satz des Stoffes hinreichend vorhanden ist. Und wieder ein Blick in die einzelnen Artikel wird Dich überzeugen, wie dieselben die betreffende Regel möglichst allseitig und erschöpfend veranschaulichen. Haben Lehrer und Schüler dieses Buch in der Hand, denke ich mir den Sprachunterricht für beide Theile als eine Lust!

Aber mit diesem Buche wollte ich auch noch einen andern Zweck erreichen. Für das Bedürfniß der Volksschule erscheint es mir geboten, den Schülern recht, recht anschaulich zu machen, wie sich ein Satz aufbauen und erweitern läßt und wie jedes neu hinzutretende Satzglied dem „Gedanken“ einen weiteren oder, nach Umständen, einen engeren Spielraum anweist. Ich bin daher in der Classification meiner Sprachstoffe für die Behandlung des einfachen Satzes vom allereinfachsten Satze ausgegangen, habe Schritt für Schritt eine neue, nähere Bestimmung hinzutreten lassen und so das Satzgebäude nach und nach bis an die möglichsten Grenzen erweitert. Diese ganze Art und Weise ist der Arbeit eines Maurers zu vergleichen, der eben auch einen Stein und ein Steinchen nach dem andern an- und beisetzt, bis endlich der Bau vollendet dasteht.

Wenn irgend in einem Unterrichtsfache der Volksschule, müssen wir vor allen Dingen im Sprachunterrichte dem alten Urgesetze alles Unterrichts „vom Einfachen zum Zusammengesetzten“ treu bleiben, unbekümmert um all die gelehrten und gekünstelten Unterrichtssysteme, welche „studirte“ Sprachforscher oder pädagogische Methodenjäger aufgestellt haben. Wir haben einmal gar keine Zeit und dann auch gar kein Publikum dazu, um uns auf die feineren[S. iv] Beziehungen und Deutungen in Bezug auf das reiche Material unseres Sprachschatzes einlassen zu können. Unsern guten Volksschulkindern haben wir vor allen Dingen einfache, aber feste und bestimmte Sprachgesetze zu geben. Das „Höhere“ und das „Tiefere“ ist Sache derjenigen Lehranstalten, welche über das Elementarschulwesen hinausliegen. O und wir haben vollauf, übervollauf zu thun, um unsere Volksschulkinder — und zu ihnen rechne ich getrost auch die Schüler der sogenannten höheren Bürger- und Privatschulen — in diese blosen Grundelemente der Sprache einzuführen. Wer diese Wahrheit vergißt oder bestreitet und meint, man könne die Kinder auch als Kinder schon in die „Kunst“ der Sprache einweihen, der kommt mir vor wie ein Maler, der einem schlichten Landmanne das Verständniß der Schönheit der Sixtinischen Madonna beibringen wollte.

Das Hinausgehen über die Marksteine, die uns die Kindesnatur setzt, wird in dem Sprachunterrichte zu einem Würgen und Quälen für Schüler und Lehrer, was sich recht deutlich in den Stilübungen zeigt. Bei diesen Arbeiten, will mich bedünken, wird überhaupt am allermeisten gesündigt. Was wird da nicht selten schon von einem zehn-, zwölf-, dreizehn-, vierzehnjährigen Knaben oder Mädchen verlangt! Aufsätze von sechs, acht Seiten und noch länger. Und was für Themen oft! Themen, deren Bearbeitung vielleicht dem Herrn Lehrer selbst, der doch erstens die deutsche Sprache bereits zwanzig oder dreißig und mehr Jahre gesprochen und geübt hat, während beispielsweise das dreizehnjährige Kind dieselbe kaum erst sieben Jahre mit Bewußtsein spricht; der zweitens ein oder so und so viel Jahrzehnte älter und darum viel, viel verstandesreifer ist als das Kind; der drittens an Anschauungen und Erfahrungen dem Kinde weit, weit überlegen sein muß; der viertens vier bis sechs Jahre eine höhere oder wol gar hohe Schule besucht; der fünftens im Laufe der Jahre so und so viel Zeitungen, Broschüren, Bücher und Werke gelesen und aus[S. v] ihnen Stoff gesammelt hat — einiges Kopfzerbrechen gemacht hat. Die Hand aufs Herz, liebe Freunde!

Oder sollte Euch noch kein Lehrplan, namentlich der sogenannten höheren Bürger- oder Privatschulen, vorgekommen sein, der das Sprachziel (Grammatik und Stil) dermaßen hinaufschraubt, als ob auf den Schulbänken Seminaristen oder gar Studenten säßen?

Wie viel würde für die praktische sprachliche Ausbildung unserer Volksschüler gewonnen werden, wenn man dieselbe Kraft und Mühe, die man an die Erreichung jener überschwänglichen Ziele setzt, auf das wirklich Erreichbare verwendete!

Das Streben, auch in sprachlicher Hinsicht für die Volksschule Fortschritte zu erzielen, ist höchst ehrenvoll und lobenswerth, aber nur nicht zu viel verlangen und zu viel erwarten! Die Kindesnatur hat eben ihre Grenzen und ganz dieselben Grenzsteine werden auch nach tausend Jahren noch stehen.

Doch zurück zu meinem Büchlein!

Am Schlusse desselben habe ich ganz kurz angedeutet, wie man etwa zu verfahren hat, um die vorkommenden Sätze, namentlich die scheinbar sehr verschlungenen, sprachlich aufzulösen. Mit Absicht aber habe ich alle weitere Unterweisung über die Behandlung der einzelnen Sprachbilder unterlassen. Und warum?

1) Jedes einzelne Sprachbild sagt ja ganz klar und deutlich, welches Sprachobject darin vertreten, zu entwickeln und zu veranschaulichen ist.

2) Wer sich daher in einem solchen Artikel nicht selbst zurecht fände und nicht selbst wüßte, auf welche Weise er das darin vertretene Sprachobject zur Anschauung und zur sprachlichen Verwerthung zu bringen habe, der möge sich getrost aus der Liste der Sprachlehrer streichen lassen.

3) Um eine solche Anweisung erschöpfend zu behandeln, hätte ich, da doch jedes einzelne Sprachbild etwas Neues bietet, zu jedem derselben einen Commentar schreiben müssen. Das aber hätte[S. vi] ein dickes Buch gegeben und wäre dann kein Buch für die Hand des Schülers mehr gewesen.

4) Dergleichen Unterweisungen, wie ein Lehrstück sprachlich zu behandeln ist, existiren schon; ich erinnere nur an die „Praktische Anweisung zum deutschen Sprachunterricht“ von A. Berthelt. — Wozu sollte ich Bekanntes und Bewährtes wiederholen?

Mit Absicht habe ich auch keine Aufgaben für Schüler beigegeben, weil ich vermeine, daß der ebenfalls kein Lehrer der deutschen Sprache sein kann, der nicht verstünde, auf Grund der gepflogenen Besprechung eines solchen Lesestückes seinen Schülern irgend eine darauf bezügliche Aufgabe für ihren Privatfleiß zu ertheilen.

Nur bezüglich der Bildung der erweiterten einfachen Sätze folgt zum Schlusse ein kleiner Wink.

Daß der bei weitem größte Theil der vorliegenden Sprachbilder auch Stilstoffe sein und werden können, dürfte sich leicht erkennen lassen.

Wie Du nun, lieber College, mein Werkchen finden wirst, weiß ich nicht. Nur um Eins bitte ich Dich: Fälle Dein Urtheil nicht auf Grund eines blos flüchtigen Einblicks. Nein, willst Du über das Büchlein zu Gericht sitzen, so kürze die Voruntersuchung nicht zu sehr ab. Sieh Dir es genau an, damit Dir ganz klar wird, was und wie ich es will. Thust Du das, so hege ich die Hoffnung, daß Du meine Arbeit praktisch erfinden und in dem Büchlein ein Unterrichtsmittel entdecken wirst, das dem Lehrer und dem Schüler die Arbeit bequem und leicht macht. Das aber — und daraus ist ja kein Hehl zu machen — ist bei allen meinen kleinen pädagogischen Schriften meine Hauptabsicht. Wäre sie auch bei dem gegenwärtigen Büchlein erreicht, würde ich mich freuen und Du würdest darob nicht böse sein.

Zu dem Ende aber will ich nun noch als Kritiker meiner selbst auftreten, um Dir die Mühe zu ersparen.

[S. vii]

Nr. 1. „Der Stil ist in einzelnen wenigen Fällen nicht ganz fließend.“

Weiß wohl, und ich hätte diesen Umstand leicht umgehen können, wenn mir nicht in Bezug auf die Wahl der Worte und Redetheile die Hände gebunden gewesen wären und gebunden sein sollten. Bei so aus Gründen gefesselter Hand würde es vielleicht selbst einem „Meister von der Feder“ nicht möglich gewesen sein, einen ganz vollendeten Stil zu schaffen. Mit drei Farben läßt sich natürlich kein solches Gemälde erzeugen, wie es mit zehn Farben möglich wird.

Nr. 2. „Es ist in einigen allerdings nur seltenen Fällen die eiserne Consequenz zu vermissen.“

Weiß wohl, was damit gesagt sein soll. Es kommt nämlich in einzelnen Fällen vor, daß ich irgend ein Formwörtchen mit in Anwendung gebracht habe, was, streng genommen, noch nicht auftreten durfte. Ich mußte indeß zu diesem Mittel greifen, wenn der Stil nicht hart und eckig werden sollte. Dergleichen Nothfälle aber, die nur ganz vereinzelt zu finden sind, können ja im Unterrichte mit leichter Mühe ignorirt werden.

Nr. 3. „Die letzten Wiederholungsnummern der Sprachbilder erscheinen fast schwülstig.“

Weiß wohl! Sie sollen auch keineswegs Stilmuster sein, sondern nur zeigen, wie sehr der einfache Satz ausgedehnt und erweitert werden kann. Es sind diese Sprachbilder gewissermaßen Knochen, an denen sich die Geisteszähne der Schüler schärfen sollen. So verschlungen auch ein solcher Satz für den ersten Augenblick erscheint, ist er doch immerhin nur ein einfacher, und es ist nicht allzuschwer für den Schüler, nachdem er alles Vorhergegangene begriffen, das „Gerippe“ herauszuschälen und dasselbe nun selbst wieder mit dem gegebenen Fleische und Blute nach und nach zu bekleiden.

[S. viii]

Der zweite Theil dieses Werkchens, welcher, so Gott will, nächste Ostern nachfolgen soll, wird den zusammengezogenen, den zusammengesetzten und den gefügten Satz in ähnlicher Weise behandeln, wie im ersten Theile der erweiterte einfache Satz behandelt wurde.

Hast Du dann, lieber College, wenn Deine Schüler vierzehn Jahre zählen, auch diesen zweiten Theil mit ihnen durchgearbeitet, kannst Du sie getrost aus der Volksschule entlassen. Sie haben dann jedenfalls einen guten Grund gelegt, selbst auch für den Fall, daß der eine oder der andere sich einen Beruf erwählte, welcher noch ein eigentliches Studium der deutschen Sprache erheischte.

Zum Schlusse nur noch ein Wort über die Einführung dieser Sprachbilder. Es liegt im Wesen dieses Sprachbüchelchens, daß es jeder Schüler selbst zur Hand und vor Augen habe, also selbst besitze. Obgleich nun der Preis desselben auf das niedrigste gestellt ist, dürfte doch der oder jener College das Bedenken erheben, daß seine Schüler nicht im Stande sein würden, es sich anzuschaffen. Dieses Bedenken mag in vielen Fällen wohlbegründet sein. Ich meine indeß, da, wo die Eltern gehalten sind, ihren Kindern ein Spruchbuch oder einen Katechismus, ein Gesangbuch, eine Bibel und wol gar ein Lehrbuch der französischen und der englischen Sprache zu beschaffen, müßte doch wol auch die Einführung eines deutschen Sprachbuches zu erzielen sein. Oder sollte die schöne, theure Muttersprache vom Elternhause dieses kleinen Opfers nicht für werth erachtet werden? Wäre das, dann wäre es an uns, den betreffenden Vätern und Müttern klar zu legen, welch hohen Werth eine gute sprachliche Bildung für ihr Kind habe.

Nun, so nimm es denn hin, lieber College, dieses kleine Werkchen, mit dem ich — ich wiederhole es — Dir und Deinen Schülern wieder eine Arbeit leicht und bequem machen wollte. Möge diese meine Arbeit, die keine leichte war und ist, von Segen für die liebe lernende Kinderwelt begleitet sein!

Franz Wiedemann.

Inhalts-Verzeichniß.

 
Sprachobjecte.
Sprachbilder.
 
Nr.
   
Seite
  1.
Menschen.
Auf der Dresdner Brücke
  1
  2.
Thiere.
Beim Onkel auf dem Lande
  2
  3.
Thiere des Waldes.
Im Walde
  3
  4.
Sachen.
Der Jahrmarkt
  4
  5.
Stoffnamen.
Der Wißbegierige
  5
  6.
Mengenamen.
Eine Festung im Kriege
  7
  7.
Eigennamen.
Schulexamen
  8
  8.
Gedankendinge.
Zweierlei Schüler
  9
  9.
Ein- und Mehrzahl.
Freund Apfelbaum
 10
10.
Ohne Mehrzahl.
Getäuschte Hoffnungen
 11
11.
Doppelhauptwörter.
Gastfreundschaft
 12
12.
Nichthauptw. zu Hauptw. erhoben.
Eine musterhafte Schülerin
 13
13.
Wiederholung der Hauptwörter.
Belohnter Gehorsam
 14
14.
Formen und Gestalten.
Formen der Pflanzenwelt
 16
15.
Abstracte Eigenschaftswörter.
Der Frühling
 17
16.
Zusammengesetzte Eigenschaftsw.
Der Geizhals
 17
17.
Das Eigenschaftsw. vor d. Hauptw.
Der wohlthätige Bettler
 18
18.
Steigerung des Eigenschaftswortwortes.
Ein Gewitter
 20
19.
Eigenschaftswört. ohne Steigerung.
Ein Begräbniß
 21
20.
Declination d. Eigensch. ohne Art.
Die beste Apotheke
 22
21.
Wiederholung der Eigenschaftsw.
Ehrlichkeit
 24
22.
Der bestimmte.
Der Abend
 25
23.
Der unbestimmte.
Der Dachs
 26
24.
Bestimmter u. unbestimmter.
Der Liederliche
 27
25.
Desgleichen.
Ein Frühlingsmorgen
 27
26.
Declination der Artikel.
Ehre dem Tapfern
 28
27.
Desgleichen.
Die Rettung
 29
28.
Wiederholung.
Mißgunst
 30
29.
Bestimmte Zahlwörter.
Der Würfel
 31
30.
Ordnungszahlen.
Ordnung
 32
31.
Das unbestimmte Zahlwort.
Christbescheerung
 33
32.
Zahlwörter zu Hauptw. erhoben.
Die Feuersbrunst
 34
33.
Biegung des Zahlwortes.
In der Strafanstalt
 35
34.
Wiederholung des Zahlwortes.
Im Kriege
 36
35.
Persönliche Fürwörter.
Ein Brief
 36
36.
Besitz anzeigende Fürwörter.
Schönheit bringt Gefahr
 37
37.
Bezügliche Fürwörter.
Die Natur
 38
38.
Hinweisende Fürwörter.
Aberglaube
 39
39.
Fragende Fürwörter.
Räthselfragen
 40
40.
Unbestimmte Fürwörter.
Eine schreckliche Zeit
 41
41.
Wiederholung der Fürwörter.
Ein Brief
 41
42.
Bezügliche Zeitwörter.
Auf dem Lande
 42
43.
Unbezügliche Zeitwörter.
Nach der Schlacht
 44
44.
Bezüg. u. unbezüg. gebr. Zeitw.
Arbeitsstunde
 44
45.
Unpersönliche Zeitwörter.
Eine Angstnacht
 46
46.
Abwandlung d. Zeitw. n. d. Pers.
Auf dem Spielplatze
 47
47.
Abwandlung d. Zeitw. n. d. Zeit.
Ein Feriengespräch
 49
48.
Die Aussageweise.
Aus einem Tagebuche
 50
49.
Das Mittelwort der Gegenwart.
Ein Sommertag
 52
50.
 „    „  Vergangenheit.
Unter dem Kreuze
 52
51.
 „    „  Zukunft.
Ein Stück Kriegsarbeit
 53
52.
Leideform.
Das Brod
 54
53.
Wiederholung d. Formen d. Zeitw.
Die Berufswahl
 55
54.
Das Hilfszeitwort.
Ein Zwist
 57
55.
Umstandswörter des Ortes.
Die Verirrten
 58
56.
 der Zeit.
Ein Brief
 59
57.
Desgleichen.
Der tolle Reiter
 60
58.
Umstandswörter der Weise.
Am Bache
 61
59.
  „  Stärke.
Der Geizhals
 62
60.
  „  Aussagew.
Die Landbewohner
 63
61.
  „  Frage.
Die Staare
 64
62.
Wiederholung d. Umstandswörter.
Eine Wanderschaft
 66
63.
Verhältnißwörter des Ortes.
Das Vaterhaus
 67
64.
 der Zeit.
Vor Paris
 69
65.
 „  Weise.
Die Rückkehr der Helden
 69
66.
 des  Grundes.
Joachim
 70
67.
Wiederholung der Verhältnißw.
Die Mühle
 71
68.
Zusammenstellende Bindewörter.
Ungleiche Brüder
 72
69.
Entgegenstellende  „
Die goldene Freiheit
 74
70.
Begründende  „
Amerika
 75
71.
Wiederholung der  „
Treue Freundschaft
 77
72.
Empfindungswörter.
Ein Spaziergang
 78
73.
Alle Satzarten.
Das Gewitter
 80
74.
Desgleichen.
Ursache und Folge
 80
75.
Was das Subject sein kann.
Das Pferd
 81
76.
Was das Prädicat sein kann.
Gott
 82
77.
Desgleichen.
Die Rose
 82
78.
Beifügung vor dem Subject.
Das kranke Kind
 82
79.
  nach  „
Berlin
 84
80.
Die Beifügung ein Zeitwort in reiner Form.
Peter
 84
81.
Beifüg. vor und nach dem Subj.
Weihnacht
 85
82.
Zwei Beifüg. vor dem Subj.
Zigeunerkinder
 86
83.
Eine Doppelbeifüg. nach d. Subj.
Das Grab der Mutter
 87
84.
Zwei Doppelbeif. nach d. Subj.
Dämmerung
 88
85.
Alle Arten einfacher Beifügungen.
Der Schneemann
 89
86.
Alle möglichen Beifüg. vor und nach dem Subject.
Der junge Storch
 89
87.
Das Präd. ein Hauptw. m. Beif.
Wilhelm
 91
88.
  „   „    „   „  mit mehreren Beifügungen.
Der Affe
 91
89.
Alle mögl. Erw. d. Subj. u. Präd.
Hochmuth
 92
90.
Im ersten Falle.
Der Schmetterling
 93
91.
Im zweiten Falle.
Ohne Glauben
 93
92.
 „ dritten  „
Der echte Christ
 93
93.
 „ vierten „
Jakob
 94
94.
Rückbezügliche Zeitwörter. Vierter Fall.
Der Lügner
 95
95.
Alle vier Fälle.
Der Verschwender
 95
96.
Ergänzung durch Hauptwörter mit Verhältnißwörtern.
König und Volk
 96
97.
Die Ergänzung ein Zeitwort in reiner Form..
Im Sturme
 97
98.
Einfache Ergänzung. Alle vier Fälle.
Die Wahrheit
 97
99.
Wiederholung aller Ergänzungen mit Verhältnißwörtern.
Die Eisenbahn
 97
Hauptwiederholung.
Der Geburtstag
 98
Vierter und zweiter Fall.
Der Thierquäler
 99
Vierter und dritter Fall.
Oskar
 99
Vierter und zweiter Fall.
Eine Verirrung
100
Vierter und vierter Fall.
Bestrafte Eitelkeit
100
Dritter und vierter Fall.
Großmuth
101
Wiederholung der Doppelergänz.
Der Geiz
102
Fortsetzung.
Michel
102
Alle Beifügungen und Ergänzungen. Hauptwiederholung.
Eine Jubelfeier
103
Im zweiten Fall.
Judas
104
Im dritten Fall.
Strenge Zucht
105
Im vierten Fall.
Die alte Linde
106
Durch ein Verhältnißwort.
Der Knochen
106
Wiederholung.
Der Löwenbändiger
107
Hauptwiederh. Beif. Ergänzung.
Der Dieb
108
Wo? Umstands- u. Verhältnißw.
Eine Stätte der Armuth
109
Wohin? „  „
Sturax
110
Woher? „  „
Treibjagd
111
Wiederholung. Wo? Wohin? Woher?
Die Elbe
111
Fortsetzung.
Die Luft
112
Hauptwiederh. Subj. Prädic. Ergänz. Ortsbest.
Die neue Gutsherrschaft
113
Wann? (Umstands- und Verhältnißwörter.)
Ein Brief
114
Wie lange? Seit wann? (Umstands- u. Verhältnißw.)
Der Gemsjäger
115
Wie oft? (Umstands- und Verhältnißw.)
Ein alter Krieger
116
Wiederholung.
Moses
117
Hauptwiederholung. Ergänzung. Ort. Zeit.
Jäger und Müller
118
Alle Fälle.
Mißgeschick
120
Desgleichen.
Ein Stier
121
Hauptw. Beif. Zeit. Ort. Weise. Erg.
Schulprüfung
122
Ursache oder Sachgrund.
Unverstand
124
Beweggrund.
Lohn der Wißbegierde
124
Erkenntnißgrund.
Der tolle Hund
125
Zweck und Stoff.
Jahrmarktsgeschenke
125
Wiederholung.
Heuchler
126
Wiederholung.
Der Wagehals
126
Hauptw. Beifüg. Zeit. Ort. Weise. Grund. Ergänz.
Ein Bombardement
127
Hauptw. Beif. Ergänz. Zeit. Ort. Weise. Grund. Stoff.
Zu Weihnacht
129
Hauptw. Beif. Erg. Zeit. Ort. Weise. Grund. Zahl. Stoff.
Ein trauriges Ende
131
Hauptw. Beif. Ergänz. Zeit. Ort. Weise. Grund. Zahl. Stoff.
Luxus
131
Wirklich. Möglich. Nothwendig.
Der Mensch
133
Gerade, umgekehrte.
Die Rose
134
Desgleichen.
Wiegenbau
134
Hauptwiederholung.
Verschiedene Sätze
135
Uebersicht.
Fragen nach den Satztheilen
142
Praktische Anwendung dies. Frag.
Für die Friedenszeit
143
Bilde Sätze auf folgende Fragen.
Eine Art von Aufgaben
149

[S. 1]

A. Die Wortarten.

Hauptwörter.

1. Auf der Dresdner Brücke.

(Menschen.)

Otto war zum ersten Male in der Residenzstadt Dresden gewesen. Als er wieder nach Hause kam, saßen Vater und Mutter und seine Geschwister, Emil, Bertha und Louise, eben beim Abendbrode. Da mußte denn nun der kleine Reisende sogleich erzählen, was er alles gesehen habe.

„Ganz besondere Freude“, erzählte Otto unter Anderem, „hat mir ein Gang über die große, alte Elbbrücke gemacht. Nein, was man da doch binnen weniger Minuten für eine Menge Menschen sieht! Hier rasselt ein schöner, herrschaftlicher Wagen dahin, einen Kutscher und einen Bedienten auf dem Bocke. Darin sitzt ein feiner Herr oder auch eine vornehme Dame, zuweilen auch nur eine Kinderfrau oder eine Amme mit den Kindern eines Grafen oder eines Barons. Dort zieht eine Bauerfrau mit ihrer Tochter oder Magd einen Milchwagen. Hier knallt ein Droschkenkutscher auf seinen müden Gaul; dort bläst ein Postillon in sein Horn. Botenfrauen, Köchinnen, Dienstmänner und Dienstmädchen schleppen schwere Körbe und Paquete auf ihren Schultern dahin. Briefboten und Polizeidiener eilen hinüber und herüber. Greise[S. 2] und Kinder, Männer und Frauen, Fremde und Einheimische, reiche Leute und Bettler ziehen in buntem Gemisch dahin. Besonders viel Soldaten sind mir begegnet. Ich sah Generäle, Hauptleute, Feldwebel, Tamboure, Signalisten und Fahnenträger. Auch Schützen, Jäger, Grenadiere, Gardisten, Ulanen und Dragoner gingen an mir vorüber. Sogar der König mit der ältesten Prinzessin kam gefahren. Ein Vorreiter bahnte ihm den Weg und zwei Lakaien standen hinten auf seinem Wagen. Natürlich zogen alle Leute, vom reichsten Kaufmanne bis zum ärmsten Schusterjungen herab, die Hüte und Mützen, als der Landesvater vorüberfuhr.

Gewiß waren es an fünfhundert Personen, die ich auf diesem einzigen Gange über die Brücke gesehen habe.“

2. Beim Onkel auf dem Lande.

(Thiere.)

Robert war einen Tag auf dem Lande gewesen. Er hatte seinen Onkel besucht, der eine große Oekonomie besaß.

Als Robert am Abende nach Hause kam, sagte er zu seinen Geschwistern: „Heute habe ich aber so viel verschiedene Thiere gesehen, wie noch nie.“

„Nun, so erzähle uns doch“, baten die Geschwister, „was Du für Thiere gesehen hast.“

„Als ich an des Onkels Haus kam“, begann hierauf Robert, „bellten mich ein schwarzer Pudel und ein Affenpinscher an. In dem Hausflur kauerte eine graue Katze und verzehrte eben eine Maus, die fast so groß war, wie eine Ratte. Ich trat in die Stube ein. Hier saß ein Rothkehlchen auf dem Spiegelrahmen und verspeiste eine Fliege. Am Fenster hing ein großer Käfig, in welchem ein Zeisig, ein Stieglitz und ein Canarienvogel auf- und abhüpften. Unter dem Ofen spielte ein Meerschweinchen mit einem jungen Hunde.

[S. 3]

Aber nun erst auf dem Hofe! Hier führte ein Hahn seine Hühner spazieren. Dort lockte eine alte Henne ihre Küchlein herbei, weil sie ein Würmchen gefunden hatte. Vor der Scheune stolzirte ein Pfau auf und ab. Ein schwarzer Truthahn zankte sich mit einem alten Gänseriche um ein Stückchen Brodrinde. Ein ganzes Heer Enten und Gänse watschelte zum Thore hinaus, dem nahen Teiche zu, wahrscheinlich, um dort Frösche, Eidechsen und kleine Fische zu fangen. Auf den Dächern zwitscherten Schwalben und Sperlinge um das Nest eines Storches. Nicht weit davon saßen eine Menge Tauben und spähten ängstlich in die Luft hinaus, ob sich etwa ein Falke oder Stößer oder ein andrer Raubvogel sehen lasse. Vor der Elster, die im Hofe umherhüpfte, schienen sie sich nicht zu fürchten.

Sogar im Wassertroge gab es Thiere. Hier schwammen Karpfen, Hechte, Aale und Schleien und auf dem Grunde krochen Krebse.

Im Pferdestalle standen zwei Schimmel, ein Fuchs und ein Rappe. Unter ihnen herum hüpften weiße und schwarze Kaninchen. Der Esel war nicht zu Hause, sondern in der Mühle.

Besondere Freude machte mir der Kuhstall. Hier brummte mich ein großer Ochse ganz mürrisch an. Gegen zwanzig Kühe fraßen eben ihr Heu. Zwischen ihnen lagen einige Kälber. Neben der Thür meckerten zwei Ziegenböcke und aus einem Winkel hervor grunzte ein altes Schwein mit sieben Ferkeln.

Alle diese Thiere sah ich an einem Tage und sie haben mir sehr viel Vergnügen bereitet.“

3. Im Walde.

(Thiere des Waldes.)

Welch ein fröhliches Leben ist doch im Frühlinge unter den Thieren des Waldes! Tausende von Würmern und Käfern kriechen unter dem Moose hervor. Große und kleine[S. 4] Ameisen laufen an den Baumstämmen hinauf. Bunte Schmetterlinge flattern von einem Haideblümchen zum andern. Die Eidechsen, Blindschleichen und Ottern erwachen und schlüpfen auf dem Boden dahin. In dem Gebüsche ertönen die Lieder der Nachtigall, Grasmücke, Meise und des Rothkehlchens. Auf den Gipfeln der Fichten und Tannen schlägt der Finke, pfeifen Amsel und Drossel, girrt die wilde Taube. Mitten hindurch ruft der Kukuk seinen Namen in die Welt hinein.

Hier hüpft ein Häslein schnell vorüber, weil es einen Fuchs wittert. Dort nagt ein Reh an einer jungen Birke. Zuweilen tritt auch wol ein Hirsch aus dem Dickicht hervor.

Ueber dem Waldbächlein spielen die Mücken und schweben die glänzenden Libellen. Blickt man in die klaren Wellen hinein, sieht man Schmerlen und Forellen in lustigem Tanze. An dem feuchten Ufer kriecht hier und da eine Schnecke und an dem Erlengebüsche blitzen goldene Laubkäfer im Sonnenscheine.

Was für ein Leben mag nun erst in den Wäldern der heißen Länder sein, wo die Löwen, Tiger, Panther und Leoparden brüllen, die Elephanten auf den Lichtungen grasen, Paviane, Schimpansen, Brüllaffen, Uistitis und Meerkatzen auf den schlanken Palmen sich wiegen, Papageien und Kakadus kreischen und riesige Schlangen auf Beute lauern.

4. Der Jahrmarkt.

(Sachen.)

Welch ein buntes Leben ist doch auf einem Jahrmarkte! Man hat nicht Augen genug, um all die Dinge, die hier zum Verkaufe ausgestellt sind, zu sehen. Links und rechts auf den Straßen und Plätzen stehen lange Reihen von Buden und Tischen. In der einen dieser kleinen Kaufhallen erblickt man z. B. Blechwaaren. Da gibt es Löffel, Reibeisen, Gießkannen, Lampen, Kohlenkästen und Leuchter. In einer andern[S. 5] sind Glasgegenstände ausgestellt. Da sieht man Gläser, Flaschen, Teller, Tintenfäßchen, Leuchter, Vasen und Perlen.

Hier steht eine Bude mit Drechslerarbeiten, als: Spazierstöcke, Tabakspfeifen, Zwirnweifen, Ellen, Zollstäbe, Dosen, Knöpfe u. dergl. An einem langen Tische verkauft ein Mann Streichhölzchen, Schwamm, Räucherkerzchen, Fleckseife, Putzpulver und Wetzsteine. In einem Hausflur hängen fertige Röcke mit Sammetkragen und blanken Knöpfen, Westen mit Schnüren, Hosen mit Borte, Ueberzieher, Hüte und Mützen.

Dort an der Straßenecke ruft ein Mann: „Kauft Tücher, Bänder, Spitzen, Cravatten und Handschuhe!“ Dicht neben dem Brunnen auf dem Markte befindet sich eine große Bude mit Galanteriewaaren. Da gibt es Geldbörsen, Broschen, Uhrketten, Tuchnadeln, Puppen, Porzellanköpfe, Taschenspiegel, Fingerhüte, Nadelbüchsen, Bleistifte, Schiefertafeln, Gummibälle u. s. w.

Und welche Menge von Gegenständen hat nun erst die Spielwaarenhandlung dort drüben an ihr Fenster gestellt: Zappelmänner, Baukästen, Armbrüste, Reifen, Drachen, Springseile, Trommeln, Flinten, Kanonen, Säbel, sogar eine Festung und ein Theater sind daselbst zu sehen.

Wie gern möchte man sich dies und jenes Spielzeug kaufen, wenn man nur Geld dazu hätte!

5. Der Wißbegierige.

(Stoffnamen.)

Arthur war zwar noch ein kleiner, aber schon sehr lernbegieriger Knabe. So oft er mit seinem Vater spazieren ging, mußte ihm dieser fortwährend Fragen beantworten. Da wollte Arthur wissen, wie die Dinge, die er sah, hießen; woraus und von wem sie gefertigt und wozu sie da wären.

Eines Tages gingen Vater und Sohn auch spazieren.[S. 6] Unterwegs fragte Arthur: „Vater, woraus sind denn die Häuser gebaut?“

„Die Mauern“, erwiderte der Vater, „sind aus Stein, Sand, Lehm, Kalk und Mörtel erbaut; das Dach, die Thüren, die Dielen und Fensterrahmen sind aus Holz, die Schlösser aus Eisen, die Dachrinnen aus Blech und die Fensterscheiben aus Glas gefertigt.“

Bald darauf kamen sie an dem Fenster eines Geldwechslers vorüber. Hier standen eine Menge Münzen zu Schau ausgestellt. „Woraus wird denn das Geld gemacht?“ fragte Arthur schnell.

„Die Pfennige, Dreier und Fünfpfenniger“, sagte der Vater, „werden aus Kupfer, die Groschen und Thaler aus Silber, die Dukaten aus Gold und die Kassenbillets aus Papier gefertigt.“

Später wollte Arthur wissen, woraus denn eigentlich die verschiedenen Kleidungsstücke gearbeitet würden. „O“, belehrte der Vater, „da gibt es der Stoffe eine große Zahl. Deine Mütze z. B. ist aus Tuch gefertigt, das Tuch aber wird aus Schafwolle gearbeitet. Dein Halstuch ist aus Seide gewebt. Deine Jacke besteht aus Leinwand, diese aber wird aus Flachs gewonnen. Die Knöpfe auf Deiner Jacke sind aus Horn, die an der Weste aus Perlmutter und die an den Hosen aus Zinn hergestellt. Die Schnalle an Deinem Gürtel ist aus Stahl geformt. Deine Stiefel hat der Schuhmacher aus Leder gefertigt; natürlich brauchte er noch Pech, Schwärze, Wachs, Wichse und Hanf zum Schuhdraht dazu. Deine Strümpfe wurden aus Garn gestrickt; das Garn aber besteht aus Baumwolle.“

Zuletzt fragte Arthur auch noch, woraus denn der Mensch bestehe und woraus er geworden sei. „Der menschliche Körper“, erwiderte der Vater, „besteht aus Fleisch und Blut, aus Fett und Schleim, aus Knochen, Knorpel und Mark; geschaffen aber hat ihn der liebe Gott aus Erde, wie Du in der Bibel lesen kannst.“

[S. 7]

6. Eine Festung im Kriege.

(Mengenamen.)

Mitten in einem großen Flußgebiete lag eine ziemlich starke Festung. An ihrer nördlichen Seite zog sich ein bedeutendes Gebirge hin, sodaß die Besatzung von hier aus keinen Angriff zu befürchten hatte. Die Festung war in Vertheidigungsstand gesetzt worden. Der Wald ringsum lag gefällt, selbst das kleinste Gestrüpp hatte weichen müssen. Das Gemäuer, auf dem früher Gras wuchs, erblickte man ausgebessert und verstärkt. Das Gebälk der Festungsbrücke hatte man in die Luft gesprengt.

Da sich in der Stadt selbst viel Reichthum vorfand, konnte sich die Einwohnerschaft reichlich mit Vorräthen versehen. Es fehlte nirgends an Brod, Mehl, Salz und Gemüse. Sogar Wild, Geflügel und gesalzenes Fleisch war im Ueberflusse vorhanden. Auch an gutem Wasser konnte nicht leicht Mangel eintreten. Ebenso gut hatte sich das Heer, welches die Besatzung der Festung bildete, versehen. Für die Mannschaft lagen Lebensmittel und für das Vieh Heu, Hafer und Stroh in Menge aufgespeichert.

So glaubte man nun ruhig dem Feinde ins Auge sehen zu können. Ja, die Soldaten konnten den feindlichen Angriff kaum erwarten, denn sie waren von heißem Geblüt.

Endlich rückte die Schaar der Gegner an und die Beschießung begann. Die Nationen von fast ganz Europa richteten ihre Blicke auf diesen Kampf, während dessen die Bevölkerung der Festungsstadt sehr viele Verluste zu erleiden hatte.

Nach mehrwöchentlicher Belagerung entschied sich das Schicksal der Festung. Die feindlichen Geschosse legten ihre Wälle, Mauern und andere Befestigungen in Trümmer. Darauf folgte ein Sturmangriff und die Festung war verloren. Das Blut floß in Strömen. Durch das furchtbare Getöse des Kampfes drang das Gewimmer und das Gestöhne der Verwundeten.

[S. 8]

Einen schrecklichen Anblick boten die Verwüstungen in der Stadt. Die schöne, große Bibliothek und die herrliche Bildergallerie waren verbrannt und die Heiligthümer der Kirchen durch die Geschosse zerstört. Mit Thränen in den Augen stand das Volk an den Trümmern seiner Habe, die zu einem großen Theile in Asche lag.

7. Schulexamen.

(Eigennamen.)

„Ei, Emilie“, rief Bernhard seiner Schwester zu, als er aus der Schule kam, „heute hieß es aber aufpassen. Unser Lehrer, Herr Schmelzer, wollte nämlich einmal sehen, ob wir von dem, was er uns gelehrt und erzählt habe, noch recht viel wüßten. Und so richtete er denn an einen jeden von uns eine Frage.“

Franz Dunker mußte die Geschichte von dem Moses, Hans Weinlich die vom Goliath und Emil Heinz die vom Daniel erzählen. Julius Bär mußte sagen, wann Luther, August der Starke und Napoleon I. geboren wären.

Heinrich Tümmler mußte angeben, wo Sachsen, Baiern, Würtemberg, Preußen und China lägen.

Wilhelm Borisch mußte die Einwohnerzahl von Paris, Wien, London, Berlin und Dresden nennen.

Alexander Miersch sollte sagen, wo man die Schlösser Wesenstein und Scharfenstein und die Dörfer Machern, Kesselsdorf und Hochkirch zu suchen habe. Er wußte es aber nicht.

Julius Neubert bekam die Frage, wie hoch der Brenner, der Simplon, der Schafberg, die Lausche und der Borsberg seien.

Theodor Wenzel hatte anzugeben, wo der Rhein, die Donau, die Weser und die Spree entspringen.

Der kleine Felix Brendel erhielt die leichteste Aufgabe. Er[S. 9] mußte Eigennamen von Hunden, Katzen, Pferden und Kühen angeben. Da sagte er denn, daß die Hunde Karo, Ammi, Schnacksel, Bello, Leo, Waldmann u. dergl. hießen; daß manche Katzen den Namen Peter, Schnurr oder Michel führten; daß man Pferde mit Rosa, Pollux, Hektor u. dergl. bename und einzelne Kühe Musel, Schecke, Brummkatharine, Mummel, „Stallmeister u. s. w. gerufen würden.“

8. Zweierlei Schüler.

(Gedankendinge.)

Emil war ein sehr braver Schüler. Er liebte die Pünktlichkeit und Reinlichkeit. Während des Unterrichts zeigte er die größte Aufmerksamkeit, um alles Gehörte im Gedächtnisse zu behalten. Wurde er gefragt, so gab er seine Antworten mit Ueberlegung und Anstand. Seine Schularbeiten fertigte er zu jeder Zeit mit Fleiß, Sorgfalt und der möglichsten Sauberkeit. Ueber jeden seiner Fortschritte bezeigte er Freude. Der leiseste Tadel bereitete ihm Schmerz.

Was aber trieb ihn zur Erfüllung seiner Pflichten? Die Liebe zu seinem Lehrer, die Dankbarkeit gegen seine Eltern und der Gedanke, daß Kindheit und Jugend schnell vergehen und daß man daher jede Gelegenheit benutzen müsse, sich Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen.

Ganz anders dagegen zeigte sich Bernhard. Er ging mit Unwillen und Verdruß in die Schule. Auf dem Schulwege trieb er allerhand Unarten und Dummheiten, ja sogar Rohheiten. Obgleich er sich dadurch oft Verweise, Züchtigungen, Schimpf und Schande zuzog, zeigte er doch keine Besserung.

Auch in der Schule selbst ließ er sich viele Fehler und Vergehungen zu Schulden kommen. Plaudereien, Neckereien und Kaupeleien waren seine Lieblingsbeschäftigung. In seinen Gesichtszügen lagen List, Verschmitztheit und Tücke. Kam eine[S. 10] Bestrafung vor, so leuchteten aus seinen Augen Schadenfreude, Hohn und Spott.

Das Lesen, Schreiben und Rechnen war ihm eine Last. Ueberhaupt betrieb er alles Lernen mit Nachlässigkeit und Flüchtigkeit. So konnte es denn auch nicht fehlen, daß er wegen Faulheit und Liederlichkeit heruntergesetzt und endlich der Letzte in der Klasse wurde. Aber auch das bereitete ihm weder Kummer, noch weckte es Reue in ihm. Er blieb für den Lehrer eine Plage und seinen Eltern ein Kind der Sorge und des Herzeleids.

9. Freund Apfelbaum.

(Ein- und Mehrzahl.)

Im Garten stand ein Apfelbaum. Er war der stärkste und höchste unter allen Bäumen in den Gärten ringsumher. Seine Aeste und Zweige breiteten sich weit aus und an jedem Aste hingen große, süße Aepfel. Sie waren so groß, daß sich ein Kind an einem einzigen solchen Apfel satt essen konnte. Deshalb waren denn auch die Kinder oft um ihn herum. Zuweilen legten sie sogar Hand an seinen Stamm, um ihn zu rütteln, damit eine Frucht herabfallen solle. Solche starke Stämme aber lassen sich nicht von so schwachen Händen bewegen.

Eines Tages saß Hermine auch unter dem schattigen Dache des alten Freundes und hatte einen großen Korb mit verschiedenem Spielzeuge vor sich. In einem kleinen Kasten lagen bunte Papierstreifen. Aus diesen flocht sie niedliche Körbchen. Da nun jeder Streif eine andere Farbe hatte, gaben diese verschiedenen Farben dem Körbchen ein schönes Aussehen. In andern Kästen befanden sich Perlen, Würfel, Buntstifte u. dergl.

Jetzt nahm Hermine einen Faden und reihte Perle um Perle daran. Als zwei Fäden gefüllt waren, band sie dieselben um[S. 11] ihren Hals. Darauf ergriff sie einen Buntstift und zeichnete einen Würfel mit seinen Kanten, Flächen und Punkten.

Nachdem sie eine Stunde gespielt hatte, zog sie Bücher aus dem Korbe hervor und las. In dem einen Buche standen mehrere Geschichten mit bunten Bildern, das andere enthielt blos eine Geschichte mit einem Bilde. Indem aber Hermine las, fiel ein großer Apfel herab und gerade auf das Buch, sodaß zwei Blätter beschädigt wurden. Das eine Blatt war mittendurch gerissen. Hermine erschrak, lachte aber bald darauf und sagte: „Ei, ei, alter Freund! Wie kannst du mich so erschrecken? Das sind mir schöne Freunde, die Einen mit Aepfeln bewerfen.“

10. Getäuschte Hoffnungen.

(Ohne Mehrzahl.)

Mitten in einem Urwalde Amerikas stand eine dürftige Hütte, aus brauner Erde, Lehm und Kalk erbaut. Das Gebälk war grob gezimmert. Da durch die kleinen Fenster wenig Licht eindrang, lag in dem niedern Wohnzimmer ein tiefes Dunkel, das bei trübem Wetter sogar zur Finsterniß wurde. Auf den Dielen erblickte man etwas Heu und Stroh, auf welchem die Bewohner, welche deutsche Einwanderer waren, ihre Nachtruhe hielten. Die Beschaffenheit der Nahrung der armen Leute grenzte an Dürftigkeit. Wasser war ihr einziger Trunk, wenn sie der Durst quälte. Milch und Kaffee bekamen sie nie zu Gesicht. Im Sommer litten sie viel durch die große Wärme, die sich bis zur fürchterlichsten Hitze steigerte. Im Winter trat die Kälte mit großer Strenge und Ausdauer auf, führte viel Schnee und Eis herbei und fügte ihnen viel Leid zu.

Die guten Leute hatten Deutschland, ihre Heimat, verlassen, um in Amerika ihr Glück zu machen. Sie hofften hier Gold und Silber zu finden, fanden aber nicht einmal Zinn[S. 12] und Blei. Das Eigenthum, das sie an baarem Gelde mitgebracht hatten, war bereits zu ihrem Unterhalte verbraucht. So trat zuletzt Hunger und Kummer, Noth und Elend an sie heran.

Mit Reue dachten sie an ihre Vergangenheit und an ihr einstiges Vaterland zurück, wo sie ein Leben in Wohlsein und ohne alle Trübsal geführt hatten. Die Sehnsucht nach dem alten Daheim ergriff sie, aber es fehlte ihnen am Besten, die Rückreise anzutreten. So sanken die armen Deutschen immer tiefer ins Unglück. Nirgends fanden sie Trost und Beistand. Sie mußten in ihrem kümmerlichen Dasein ausharren, bis sie der Tod von allem Jammer erlöste.

11. Gastfreundschaft.

(Doppelhauptwörter.)

An einem einsamen Waldrande lag eine Köhlerhütte. Das niedere Strohdach war vom Sturmwinde zerzaust und bedurfte der Ausbesserung. Wo aber sollte der arme Waldarbeiter Dachstroh hernehmen? Sein Tagelohn langte kaum zur Morgensuppe, zur Mittagsmahlzeit und zum Abendbrode für sich und seine Kinderschaar. Auch die dünnen Lehmwände der Köhlerwohnung zeigten Zerstörungsspuren. Regengüsse und Hagelwetter hatten sie gepeitscht, den Kalkbewurf abgespült und das Lehmwerk durchlöchert, sodaß zur Winterszeit die rauhen Nordweststürme ungehindert hindurchpfeifen konnten. Ein Hausthürverschluß war nicht mehr möglich, denn die Thürschloßfeder war zersprungen. Die Fensterscheiben vertrat hier und da ein Streifen von Kaffeedütenpapier oder ein Volkskalenderblatt.

An einem Herbstabende saß die Köhlerfamilie um den schmalen Holztisch und verzehrte ihre Abendmahlzeit. Da trat plötzlich ein vornehmer Jägersmann, einen schmucken Filzhut mit einer Birkhuhnfeder auf dem Kopfe, einen Hirschfänger mit[S. 13] Perlmuttergriff, ein Pulverhorn mit Silberquaste an der Seite und eine Schrotflinte auf dem Rücken, ein. Er erklärte, daß er von seinem Jagdgefolge abgekommen, auf verschiedene Kreuzwege gerathen sei und so sammt seinem Dachshunde und Windspiele den Hauptwaldpfad verloren habe. Schließlich bat der Waidmann um ein Nachtquartier und sei es auch nur ein Dachkammerraum mit einem Strohlager.

Die braven Köhlereheleute erklärten sich zu diesem Liebesdienste gern bereit und luden den vornehmen Stadtherrn ein, wenn er Hunger habe, mit ihnen Kartoffelsuppe und Butterbrodschnitte nebst Quarkkäse zu essen. Der Jägersmann dankte, da er kein Magenbedürfniß verspüre.

Während ihm nun das Nachtlager auf der breiten Ofenbank bereitet wurde, unterhielt er sich in scherzhafter Weise mit dem Kinderkreise. Er gab den Knaben Buchstabenräthsel und recht lange Hauptwörter zum Nachsprechen auf, um ihre Zungenfertigkeit und Sprachgewandtheit auf die Probe zu stellen. So mußten sie z. B. die Riesenhauptwörter nachsprechen: Dudelsackpfeifenmachergeselle, Schornsteinfegerknabenwassersuppentellerrand, Pulvermühlennachtwächterseitengewehrscheidenspitzenknopf.

Den Kindern machte diese Zungenarbeit viel Spaß. Als das Ofenbanklager fertig war, begaben sich der Fremde und auch die Köhlerfamilie zur Ruhe. Wie sehr aber erschrak und erstaunte der alte Hausvater am andern Morgen, als ihm der Nachtgast mit Sonnenaufgang fünf Kronenthaler in die harte Arbeitshand drückte und ihm beim Abschiedsgruße sagte, daß er dem Kronprinzen Gastfreundschaft gewährt habe.

12. Eine musterhafte Schülerin.

(Nichthauptwörter zu Hauptwörtern erhoben.)

Die reiche Kaufmannstochter Mathilde war ein Muster einer Schülerin. Das Aufmerken und Lernen gewährte ihr[S. 14] einen Genuß. Das Lesen hatte sie in drei Monaten erlernt. Auch das Schreiben hatte sie leicht begriffen, nur das kleine Err und das Eszett machten ihr Schwierigkeiten. Im Rechnen erwarb sie sich stets die erste Censur. Ebenso geschickt stellte sich Mathilde zum Zeichnen, Singen, Clavierspielen, Häkeln, Stricken, Sticken und Turnen an. Sie liebte alles Gute, Schöne und Nützliche und ihr Streben und Ringen darnach trug die schönsten Früchte.

Auch das Wunderbare und Erhabene der Natur beobachtete sie gern und oft. Das Großartige und Erhebende des Sternenhimmels erfüllte sie mit frommem Staunen. Nicht minder freute sie sich über das Niedliche und Zierliche der kleinen Blumen. Deshalb liebte sie auch das Freie, namentlich in seiner Morgenfrische. Das liebliche Grün und die traute Stille des Waldes machten ihr denselben zu einem Lieblingsaufenthalte.

So blieb ihr ganzes Denken und Fühlen auf das Edle gerichtet und deshalb schlug das Fromme und Gottesfürchtige immer tiefere Wurzel in ihrem Gemüthe.

Dieses fromme Empfinden erkannte man auch aus allen ihren stilistischen Arbeiten, in denen sie ebenfalls Vorzügliches leistete. Darin standen kein Und und kein Aber am falschen Platze und kein Satz enthielt irgend etwas Unrichtiges oder Ueberflüssiges.

Kurz, Mathilde war und blieb die Beste und Ausgezeichnetste ihrer Schule und dieses Brave und Gediegene bewahrte sie sich zu ihrem Glücke ihr Lebelang.

13. Belohnter Gehorsam.

(Wiederholung der Hauptwörter.)

Im lieben Sachsenlande liegt dicht an der Grenze von Böhmen ein Dörfchen mit Namen Wernsgrün. Am Ende desselben stand ein Hüttlein mit Strohdach und winzig kleinen[S. 15] Fenstern. Durch die schmalen, bleichen Scheiben konnte kaum ein Sonnenstrahl hindurchdringen.

In dieser Hütte wohnte der alte Kilian mit seinen beiden Kindern. Die Kinder hießen August und Ernst. August zählte sieben Lebensjahre, Ernst dagegen hatte zehn Sommer hinter sich. Ihre Kleidung bestand in Kitteln aus grober Leinwand.

Eines Tages saßen beide Brüder vor der Thür und spielten mit Sand, einigen Stäbchen Holz und drei Soldaten aus Zinn. Bald aber hatte Ernst das Spielen satt und sagte zu seinem Bruder: „Komm, laß uns ins Grüne gehen. Dort werden wir mehr Vergnügen finden.“

Der Jüngere gab seine Zustimmung. Kaum aber hatten sie am grünen Ufer des Wiesenbaches ihren Zeitvertreib begonnen, rief sie der Vater in das Haus zurück. Sie sollten jetzt wieder an ihre Arbeit gehen und Stroh flechten.

Die Knaben machten wahre Essiggesichter, denn das Haschen und Verstecken war ihnen natürlich lieber als das Stillsitzen und Arbeiten. Aber sie zeigten ohne Murren Gehorsam. Und ihre Folgsamkeit sollte noch dieselbe Stunde Belohnung finden.

Nach etwa zehn Minuten fiel draußen, in ziemlicher Nähe, ein Schuß. Vor Schreck fuhren die Kinder zusammen. Sie und ihr Vater und ihre Mutter eilten zur Hausthür. Und was erblickten ihre Augen? An der Stelle, wo die Knaben vor kurzer Zeit noch — kaum vor Ablauf von zehn Minuten — ohne alle Besorgniß allerlei Spiele gespielt hatten, hatte soeben ein Jäger, dicht an einem Erlenbaume, einen tollen Hund erschossen.

Wie freute sich nun das Geschwisterpaar ob seiner Folgsamkeit!

[S. 16]

Eigenschaftswörter.

14. Formen der Pflanzenwelt.

Welch verschiedene Formen und Farben gibt es doch in der Pflanzenwelt! Da steht die Pappel, hoch und schlank; nicht weit davon ein tausendjähriger Eichbaum, niedrig zwar, aber stark und knorrig. Seine Aeste sind vielfach gekrümmt und gebogen, seine Wurzeln dick und runzlig. Seine Rinde ist fest, aber zerklüftet und zerrissen. Hier steigt eine Tanne schlank in die Luft empor. Ihr Stamm ist schnurgerade und ebenmäßig, unten stark, nach oben zu dünn und zuletzt ganz spitz.

An ihrem Fuße wuchert eine Birke empor. Sie ist jung und kräftig, ihre Krone dicht belaubt, ihre Schale blendend weiß, wie Silber.

Wie unterschiedlich sind selbst die Stengel der kleinsten Pflanzen! Der eine ist rund, der andere drei- oder vierkantig; der eine glatt, der andere behaart oder klebrig; der eine markig, ein anderer fleischig oder holzig. Einige sind hohl, andere voll; einige gegliedert, andere gedreht oder geschlängelt. Der eine Stengel ist steif, unbiegsam und spröde, ein anderer beweglich, weich und elastisch.

Betrachten wir nun erst die verschiedenen Blattformen. Da gibt es ovale, runde, herzförmige, schmale, breite, glattrandige, gezahnte, gezackte, getheilte, gefiederte u. s. w. Noch weit mehr verschiedene Formen aber zeigen uns die Blätter der Blumenkronen. Unter ihnen finden sich röhren-, trichter-, lippen-, rachen-, keilförmige u. dergl. Und wie überaus zart und reizend sind diese buntfarbigen Blumentheile! Wer auf alle diese Abwechselungen in der Pflanzenwelt genau achtet, muß eitel Lust haben an den Werken des Herrn.

[S. 17]

15. Der Frühling.

(Abstrakte Eigenschaftswörter.)

Fröhlich ist das Herz, wenn der liebliche Frühling naht! Der Winter war kalt und rauh, jetzt wird die Luft lau und angenehm, zuweilen gar schon warm. Im Winter war es still und öde auf den Fluren; die Wälder erschienen todt, die Bächlein erstarrt. Jetzt werden die Haine lebendig, die Bächlein wieder wach und munter. Die Felder lagen kahl, jetzt sehen wir sie grün. Die Wiesen stehen geschmückt, wie mit einem bunten Blumenteppiche. Die eine Blume sieht roth, die andere weiß, die dritte gelb oder blau aus. Die Vögel zeigen sich eifrig im Gesange und emsig im Bau ihrer Nester. Wie ist der Schlag des Finken so lustig, das Lied der Nachtigall so süß, der Morgenpsalm des Staares so erhebend! Ein Herz, das fromm und rein, stimmt mit ein in die Lobgesänge und preist den allmächtigen Schöpfer, der im Frühlinge recht deutlich zeigt, wie weise und gütig er ist.

16. Der Geizhals.

(Zusammengesetzte Eigenschaftswörter.)

Andreas war ein steinreicher Bauer, aber dabei erzgeizig. Für ihn gab es in der wunderreichen Gotteswelt kein zaubervolleres Bild, als ein blitzblanker Thaler. Hielt er ein solches Geldstück in der sonnverbrannten, hufbesetzten Hand, erschien sein Auge überglücklich, ja glückselig. An ein Wiederausgeben eines solch werthvollen Kopfstückes war bei ihm nicht zu denken. Es wanderte in einen alten, aschgrauen, baumwollenen Strumpf, der im fast heckerklaren Strohe seines baufälligen Bettes stak. War ein solcher Strumpf gefüllt, versenkte er ihn in einen eisenbeschlagenen, diebesfest sein sollenden Koffer, vor dem ein riesenhaftes Schloß lag. Dieser centnerschwere Koffer stand unter seiner armseligen Lagerstatt. Ein[S. 18] doppelläufiges, scharfgeladenes Gewehr bildete seine Sicherheitswache, sowohl am sonnenhellen Tage, wie in tiefdunkler, grabesstiller Nacht.

Kein hilfsbedürftiger Freund erhielt von dem Geizhalse auch nur die allerkleinste Unterstützung. Keinem Wanderburschen, und war er noch so blutarm, reichte er einen Zehrpfennig. Das bleichwangige Bettelkind, das kleinlaut an seine dickeichene Thür klopfte, rührte nicht im mindesten sein liebeleeres Herz.

Er selbst führte ein wahrhaft jammervolles Leben. Sein Mittagsessen bestand meist in graubraunem, fast steinharten Brode und dickschaligen Kartoffeln, die er in wasserdünnen Schmalz tauchte. Ein Stück wohlschmeckendes Fleisch war ihm zu theuer. Nie kam ein Glas wenn auch nur dünngebrautes Bier oder gar ein Glas magenstärkender Wein auf seinen Tisch. Thür und Thor seines alterthümlichen Gehöftes schloß er regelmäßig mit Sonnenuntergang zu und ließ dann den alten, graubärtigen Kettenhund los.

Von jetzt an durfte kein Mensch mehr eingelassen werden. Aus übergroßer Besorgniß fürchtete er, es könne sich ein langfingeriger Fremdling einschleichen und seinem herzinniglieben Hausgotte mit den erzgespickten Strümpfen einen unliebsamen Besuch abstatten.

Trotz aller wohlberechneten Vorsicht aber hatte sich in einer rabenschwarzen Nacht doch Einer eingefunden, der kaltblütig und erbarmungslos den bedauernswerthen Geizhals von all seinen mühselig errungenen Schätzen trennte. Dieser Unbarmherzige war der — unerbittliche Tod.

17. Der wohlthätige Bettler.

(Das Eigenschaftswort vor dem Hauptworte.)

An einer belebten Straßenecke saß ein alter, blinder Bettelmann. Er hielt seinen durchlöcherten Hut in[S. 19] der welken, zitternden Hand und bat um eine kleine Gabe. Viele reiche Leute gingen an einem einzigen lieben langen Tage vorüber und gewiß trugen die meisten wohlgefüllte Börsen bei sich. Zeugte doch oft ihr kostbarer Anzug von großer Wohlhabenheit. Man sah da Damen mit langen Schleppen, seidenen Schärpen, sammtenen Mänteln, theuren Spitzen, beblumten Hüten und feinen Handschuhen. Herren stolzirten dahin mit goldenen Uhrketten, blitzenden Tuchnadeln, funkelnden Ringen und elfenbeinernen Spazierstöckchen.

Nicht alle freilich trugen zu diesem äußern auch einen innern Schmuck, ein theilnehmendes, mitleidiges Herz. Das bewiesen sie dem hülfsbedürftigten Alten gegenüber. Mit kalten Blicken und gleichgültigen Mienen gingen sie an ihm vorüber. Nur einzelne zeigten aufrichtige Theilnahme, sprachen einzelne freundliche Worte mit dem bedauernswerthen Bettler und legten dabei eine klingende Gabe in seinen abgeschabten Hut.

Eines heitern Sommertages hörte der gutmüthige Alte eine weinerliche Stimme in seiner nächsten Nähe. Die klagenden Töne kamen von einem sechsjährigen, blassen Mädchen. „Was fehlt Dir, liebes Kind?“ fragte der lauschende Bettler mit besorgter Stimme.

„Ach, mich hungert so sehr“, erwiderte das dürftig gekleidete Mädchen mit wehmüthigem Ausdrucke. „Meine gute Mutter ist krank und hat kein Brod mehr für mich.“

Diese Worte rührten den weichherzigen Greis. Schnell griff er in seinen schwarzgrauen Hut, befühlte mit der dürren Hand die verschiedenen Geldstücke und gab der hülfsbedürftigen Kleinen einen kupfernen Fünfpfenniger. „Hier, armes Kind“, sagte er mit bewegten Lippen, „hast Du eine kleine Gabe. Geh und kaufe Dir bei dem neuen Bäcker hier links in der engen Gasse etwas für Deinen hungrigen Magen.“

Das überglückliche Mädchen dankte mit aufrichtigem Herzen,[S. 20] eilte die schmale Gasse dahin und kaufte sich ein neugebackenes Dreierbrod. Die übrigen zwei Pfennige aber nahm es seiner kranken Mutter mit nach Hause.

18. Ein Gewitter.

(Steigerung des Eigenschaftswortes.)

Es war ein heißer Julitag. Schon der Vormittag war schwül. Gegen den Mittag hin wurde es immer schwüler. Am schwülsten aber erschien die Luft etwa um drei Uhr. Schon den Spaziergängern wurde es heiß; noch heißer mußte es den Arbeitern auf den Bauen, am heißesten aber den Landleuten auf dem Erntefelde werden. Das Thermometer, das schon immer hohe Hitzegrade gezeigt hatte, stieg höher, bis es endlich nach Tische den höchsten Grad erreicht hatte.

Da zeigte sich am Himmel eine schwarze Wolke, die sich aber mit jeder Minute schwärzer färbte. Am schwärzesten erblickte man sie nach Osten hin. Zu gleicher Zeit erhob sich auch ein ziemlich starker Wind. Auch er wurde von Sekunde zu Sekunde stärker, bis er endlich, als er am stärksten wüthete, die gewaltige Wolkenmasse in Bewegung setzte. Schnell erhob sie sich. Zusehends schneller und schneller stieg sie empor und überzog in ihrem schnellsten Fluge ein breites Thal, das nach Süden hin immer breiter wurde und mit seinem letzten, breitesten Theile an ein waldiges Gebirge stieß.

Düster lagen Berg und Thal. Noch düsterer erschien der riesige Nadelwald. Am düstersten aber sah es in den menschlichen Wohnungen aus. Feurige Blitze zuckten durch das Dunkel hindurch. Noch feuriger erschienen dieselben, wenn sie die dunkelsten Wolkenschichten zum Hintergrunde hatten. Am feurigsten jedoch kam ein solcher Blitz den Landleuten vor, wenn er in einen nahen Teich oder einen noch nähern Baum oder wohl gar in die nächste Hütte fuhr.

[S. 21]

Heftig strömte jetzt auch der Regen herab. Immer heftiger schlugen die gewaltigen Tropfen an die Fenster. Am heftigsten brauste gegen vier Uhr die Wassermasse hernieder. Bald schossen kleine Bäche wild durch die Felder dahin. Wilder noch stürzten die Waldgewässer die Abhänge herab; am wildesten aber donnerte der angeschwollene Fluß das Thal entlang, die stärksten Bäume entwurzelnd und die festesten Mauern durchbrechend, ja sogar die kleineren Hütten mit fortreißend.

Da endlich hatte das Unwetter ausgetobt. Blitz und Donner wurden schwach, der Regen noch schwächer. Endlich glichen die schwächsten Blitze nur noch einem fernen Wetterleuchten. Entsetzlich sahen die zerrissenen Felder aus. Noch entsetzlicher aber waren die Verheerungen in den Dörfern jenes fruchtbarsten aller Thäler des Landes. Den entsetzlichsten Eindruck indeß machte das Jammern und Wehklagen der ärmeren Bewohner, von denen viele den größten Theil ihrer Habe verloren hatten.

Gut waren die Leute weggekommen, deren Häuser weit vom Flusse lagen, noch besser die, deren Hütten an den Berglehnen standen, und am besten diejenigen, die auf dem Kamme des Höhenzuges wohnten. Sie hatten zwar auch viel Schaden gehabt, die an den Berglehnen aber weit mehr und die Thalbewohner den meisten.

19. Ein Begräbniß.

(Eigenschaftswörter ohne Steigerung.)

Die ehernen Zungen der Kirchenglocken schwiegen. Der Leichenzug war auf dem umfriedigten Gottesacker, wo alle die ewige Ruhe finden, angekommen.

Der hölzerne Sarg wurde von der umkränzten Bahre abgesetzt. Acht Träger trugen ihn stumm einem offenen Grabe zu. Auf dem schwarzsammtenen Leichentuche standen mit goldenen[S. 22] Buchstaben die Worte in einem silbernen Kranze: „Er ist erlöst und geht in seine wahre Heimat zurück.“

Der Sargdeckel mit kupfernen Handhaben und zinnernen Verzierungen wurde jetzt noch einmal abgehoben. Da lag nun der Todte, bleich und regungslos, in der starren Hand einen frischgrünen Palmenzweig. Ein seidenes Gewand umhüllte den todten Leib. Ein damastenes Käppchen begrenzte die gefurchte Stirn.

Die Angehörigen standen um den Sarg her, aber nicht in der üblichen Trauerkleidung. Der Entschlafene hatte schriftlich die Bitte hinterlassen, daß man um seinetwillen nicht die tiefschwarzen Gewänder anlegen solle.

Jetzt trat der greise Geistliche herzu, die Weinenden zu trösten. „Unzählbar“, sagte er unter Anderem, „wie die Sterne des nächtlichen Himmels, sind die seligen Wohnungen, die der allmächtige Himmelsvater den erblichenen Erdenpilgern dort oben bereitet hat. Mag auch der irdische Leib zerfallen, mag der unüberwindliche Tod den Lebensfaden zerreißen, wir weinen nicht trostlos. Wir sind nicht blind für den auferstandenen Heiland, nicht taub für seine ewig wahren Verheißungen, sondern blicken glaubensvoll hinauf in das unvergängliche Reich, da es ein Wiedersehen gibt. Auch dieser Entschlummerte wird einst wieder wach und verklärt eingehen zur endlosen Himmelswonne.“

Die Sonne stand mit ihrer purpurnen Scheibe schon halb hinter den fernen, blauen Bergen, als der Sarg in die stockfinstere Gruft hinabgesenkt wurde. Noch ein lautloses Gebet, eine Hand voll Erde auf den Sarg und die Begräbnißfeierlichkeit war beendet.

20. Die beste Apotheke.

(Declination des Eigenschaftswortes ohne Artikel.)

Julius, der Sohn armer Eltern, war lange krank. Feuchtes Stroh diente ihm als Lager. Alte Röcke und zerfetzte[S. 23] Tücher waren seine Decke. Keine heilende Arznei und kein stärkender Thee konnte ihm gereicht werden, lebten doch seine Eltern in großer Armuth, in schrecklichem Elende. Mit bangen Sorgen erwachten sie des Morgens, unter schwerem Kummer gingen sie des Abends zur Ruhe. Mit beklommenem Herzen vernahm die Mutter oft in dunkler Nacht das leise Wimmern des ruhelosen Kranken. Er litt besonders an heftigen Kopfschmerzen, an krampfhaftem Zucken in den Gliedern und an fieberhaftem Frösteln.

Vier lange Wochen waren bereits dem Kranken unter unsäglichen Schmerzen vergangen. Mit abgezehrten, todtenblassen Wangen, trüben, hohlen Augen und mageren Gliedern lag er da als ein Bild gräßlichen Elends.

„Barmherziger Gott!“ flehte die Mutter oft in stillem, inbrünstigen Gebete, „schicke doch meinem Kinde einen gnädigen Retter oder, wenn es Dein unerforschlicher Rath ist, einen endlichen Erlöser!“

Eines Tages klopfte ein Wanderbursch an die Thür und bat um ein Stück Brod. Trüben Auges reichte ihm die Mutter eine kleine Gabe.

„Was fehlt Euch?“ fragte theilnehmenden Herzens der Wanderbursch. Mit stummer Handbewegung deutete die Mutter auf das Krankenlager. „O weh!“ versetzte der Wanderbursch, als er den Knaben mit schon halbgebrochenem Auge und erdfahlem Antlitze erblickte. „Wie und womit behandelt ihn der Arzt?“ — „Der Arzt?“ erwiderte die Mutter mit bewegter Stimme. „Womit sollten wir armen Leute einen Arzt bezahlen können?“ — „O“, versetzte der Wanderbursch mit tröstlichem Tone, „Ihr habt einen sehr billigen Arzt und eine noch billigere Apotheke in nächster Nähe. Es ist der Brunnen dort im Hofe. Keine bessere Arznei für Euer Kind als frisches Wasser. In ihm liegt wunderbare Heilkraft. Mein seliger Onkel war Arzt,[S. 24] daher weiß ich es. Nehmt also frisches Wasser, reicht es dem Kranken als kühlen Trank, veranstaltet kalte Abreibungen, dann schlagt ihn in kaltfeuchte Tücher ein und wickelt ihn darauf in warme Decken. Es wird hierauf sehr bald heftiges Schwitzen erfolgen. Nach Verlauf von zwei solch heißen Stunden wascht Ihr den Körper mit lauem Wasser ab und wiederholt diese Behandlung täglich vor- und nachmittags. Gewiß wird sich der Kranke bald ruhiger Nächte, gesegneten Schlafes und überhaupt sichtlicher Besserung erfreuen.“

Aufmerksamen Ohres hatte die Mutter zugehört. „O, wärest Du uns als rettender Engel gesandt“, sagte sie zu dem Wanderburschen, „dankbaren Herzens würden wir ewig Dein gedenken! Was Du gerathen hast, werde ich befolgen, noch heutigen Tages. Schütze Dich Gottes gnädige Hand auf fernerer Wanderung!“

Einige Monate später war Julius genesen. Mit dicken Backen und kräftigem Fuße schritt er wieder einher. Des Wassers wunderbarer Kraft dankte er das Glück neuer, dauernder Gesundheit.

21. Ehrlichkeit.

(Wiederholung der Eigenschaftswörter.)

Ein armer Köhlerknabe saß unter einer hohen Tanne, deren schwarzgrüne Aeste weit umher das frische Moos beschatteten. Aus den dunklen Augen des blassen Knaben rannen helle Thränen.

Da kam ein alter Herr den holprigen Waldweg daher. Er trug eine grüne Uniform und einen kurzen Hirschfänger an der Seite. Sein faltiges, aber noch frisches Gesicht umgrenzte ein schneeweißer Backenbart. Der jugendliche Alte war der bejahrte Oberförster.

„Warum weinest Du?“ fragte der freundliche Alte mit liebevoller Stimme den fremden Knaben.

„Ach“, erwiderte dieser mit kläglichem Tone, „meine gute Mutter liegt krank darnieder. Ihre Augen sind fast blind. Deshalb[S. 25] soll ich in die nahe Stadt gehen und eine heilsame Salbe für die schwachen Augen holen. Ich aber habe das Geld dazu sammt einem ledernen Beutel verloren.“

„Ist es etwa dieser?“ sagte der graubärtige Herr, indem er ein kleines Beutelchen aus der gestickten Jagdtasche zog.

„O nein“, sagte der ehrliche Knabe, „mein Beutel war schlecht und dünn und lange nicht so voll wie dieser.“

„Dann ist es vielleicht dieser?“ erwiderte der erfreute Oberförster, indem er ein anderes graues Beutelchen aus der tiefen Seitentasche seines grünen Rockes zog.

„Ja, ja, dieser ist es“, rief der überglückliche Knabe.

Der biedere Alte war von dieser seltenen Ehrlichkeit gerührt, gab dem armen Knaben den löcherichen Beutel zurück und sprach: „Weil Du so brav und ehrlich bist, schenke ich Dir noch diesen blanken Thaler. Geh und kaufe Deiner leidenden Mutter manchmal eine stärkende Erquickung dafür.“

Der Artikel.

22. Der Abend.

(Der bestimmte.)

Der Tag ging zu Ende. Die Sonne sank. Das Abendglöcklein läutete zum Feierabende. Der Landmann kehrte vom Felde heim. Die Heerde zog in ihren Stall zurück. Das Lerchenlied verstummte. Bald glänzten die Berge und die Hütten im Abendgolde und die Gräser funkelten im herrlichsten Thauschmucke. Die Blume schloß ihr Auge. Immer stiller und stiller ward der weite Schöpfungsraum. Die Natur sehnte sich nach Ruhe. Nur das Bächlein rauschte noch weiter und die Fledermaus kreiste noch pfeifend umher.

Auch die Hütten wurden still und stumm. Der Tag war heiß und die Arbeit um das liebe Brod sauer gewesen. Der[S. 26] Fuß und die Hand hatten das Tagewerk treu vollbracht. Das Nachtlager sollte nun die so nöthige Erholung bieten. Als daher die Sterne am Himmel glänzten und der Mond langsam emporstieg, lag das Dörflein bereits im tiefsten Schlafe. Die Engel Gottes aber schwebten über Reich und Arm und hielten treue Wacht.

23. Der Dachs.

(Der unbestimmte Artikel.)

Ein Jäger zog durch einen Wald. Eine schöne Doppelflinte hing auf seinem Rücken und ein Hirschfänger an seiner Seite. Ein Dachshund und ein Windspiel begleiteten ihn.

Ein herrlicher Herbsttag lag auf den Gipfeln der Tannen und Fichten. Ein sonniger Hauch wehte auf den bebuschten Hügeln. Da sprang eine Rehkuh auf. Ein solches Thier ist für jeden Menschen eine angenehme Erscheinung. Ein Jägerauge aber zuckt freudig auf, wenn es ein solches Wild erblickt. Auch diesen Waidmann durchzuckte eine freudige Aufregung. Kaum war eine Minute vergangen, knallte ein Schuß und eine Ladung Schrot saß dem Thiere in einem Hinterlaufe.

Jetzt aber gab es eine ergötzliche Scene. Ein Wink und beide Hunde begannen einen wahren Wettlauf nach dem Rehe. Dabei aber war ein tiefer Graben zu überspringen. Für den Windhund war dies ein Spaß, eine ganz leichte Mühe. Nicht so für einen kurzbeinigen Dachshund. Dieser nahm zwar einen gewaltigen Anlauf, aber für ihn war ein solcher Graben eine zu weite Kluft. Er schoß einen Purzelbaum und rollte wie eine Kugel ein großes Stück den einen Rand hinab in eine Pfütze. Ein helles Gelächter begleitete seinen Fall. Eine Anzahl Waldarbeiter hatten ihn nämlich aus einer kleinen Entfernung beobachtet. Unter ihnen fand sich auch bald eine hülfreiche Hand, die mit einer Stange zur Rettung herbeieilte.

[S. 27]

„Siehst Du“, sagte der Jäger zum ganz durchnäßten Dachse, „so geht es einem Voreiligen. Nimm Dir aus diesem Falle eine Lehre: Wer ein Dachs ist, muß es einem Windspiele nicht gleichthun wollen.“

24. Der Liederliche.

(Bestimmter und unbestimmter Artikel.)

Bernhard war ein höchst unordentlicher Knabe. Dies zeigte ein einziger Blick in die Kinderstube, in der er sich aufhielt. Der Bücherranzen, der Stiefelknecht, der Ball und der Atlas lagen gewöhnlich beisammen unter der Ofenbank. Die Botanisirtrommel, die Mütze, die Federbüchse, die Schreibmappe und die Haarbürste erblickte man nicht selten in einem Winkel der Stube. Das Bibelbuch, das Tintenfaß, das Handtuch, das Wichszeug und das Vorhemdchen erhielten oft ihren Platz in einem Schubfache einer alten Kommode.

Der Vater und die Mutter, sowie auch das Stubenmädchen hielten dem Knaben deshalb oft eine Strafpredigt, aber all die Mahnungen und Warnungen fanden bei ihm ein taubes Ohr.

Auch der Lehrer hatte die größte Noth mit ihm. Namentlich bekundeten die Schreibebücher Bernhard’s die größte Liederlichkeit und einen hohen Grad von Leichtsinn. Die Umschläge waren zerrissen. Durchschnittlich das dritte Blatt enthielt einen Klecks. Die Schrift konnte man kaum lesen. Das Löschblatt glich einem Lappen.

Auch der Tadel und die Strafe des Lehrers besserten den Knaben nicht. Er blieb ein liederlicher Mensch sein Lebelang.

25. Ein Frühlingsmorgen.

(Desgleichen.)

Der Tag brach an. Die Sonne stieg im Osten empor. Das ferne Gebirge strahlte im Purpurgolde. Ein leichter Nebel[S. 28] stieg aus dem Thale auf. Eine Lerche flatterte aus dem Saatfelde empor und stimmte ein jubelndes Lied an. Die Gräser, Halme und Blumen blitzten im Perlenschmucke des Morgenthaues. Der Wald erwachte. Die Wiese belebte sich mit Schmetterlingen und Bienen. Das Wild lugte munter aus dem Gebüsche hervor. Bald zeigte sich auch das neuerwachte Leben in einem nahen Dörfchen, das eine lange Obstallee umgrenzte.

Der Hahn krähte. Die Tauben flatterten auf die Dächer. Das Ziegenböcklein meckerte im Stalle. Eine Menge Rauchsäulen stiegen aus den Schornsteinen empor. Der Knecht schirrte die Pferde ein, das Feld zu bestellen. Die Magd besorgte Futter für das Vieh. Es schien bereits darauf zu warten, denn die Kuh brummte, der Ochse brüllte, das Schwein grunzte, die Gans schnatterte und die Henne gackerte.

Bald darauf begann die Arbeit auf den Feldern. Hier zog ein Ochsenpaar einen schweren Pflug. Dort schleifte ein dicker Gaul eine Egge über ein knolliges Beet. Hier streute ein Landmann Korn auf einen wohlgedüngten Acker. Dort trieb ein Hirte eine wollige Heerde auf ein grasreiches Stoppelfeld.

So entwickelte sich von einer Viertelstunde zur andern ein immer regeres Leben, bis endlich der helle Tag die Menschen und die Thiere in voller Thätigkeit sah.

26. Ehre dem Tapferen.

(Declination der Artikel.)

Der Kasernenhof des vierten Reiterregiments war der Schauplatz einer großen Festlichkeit. Der Commandant des Reiterregiments übergab nämlich dem Wachtmeister der dritten Schwadron das eiserne Kreuz erster Klasse. Dieser brave Mann hatte dem Feinde vor dem Festungswalle eine Fahne entrissen. Die vielen Wundennarben des Tapferen zeigten noch von dem harten Kampfe um den Siegespreis. Die Stirn des Wachtmeisters[S. 29] war von einer feindlichen Kugel gestreift; an der Hand sah man einen Bajonettstich; in dem rechten Arme saß zur Zeit noch eine Kugel, die noch einen bedeutenden Schmerz verursachte.

Der Kasernenhof des Regiments war zu dieser Festlichkeit mit dem Laubwerke der Eiche geschmückt. An den Fenstern hingen Kränze. Ueber dem Haupteingange prangten des Königs Namenszug und das Wappen des Landes. Den Namenszug umflatterten eine Menge Fahnen. Vor dem Thorwege stand eine Art Ehrenpforte, deren Säulen bunte Blumenranken umspannen. Auf einem hohen Plumpenhäuschen, dem man ebenfalls ein festliches Gewand angelegt hatte, prangte die Fahne des Korps und wehte dem Helden ihre Grüße zu.

Das Musikchor spielte vor der Uebergabe der Auszeichnung den neuesten Sturmmarsch der Infanterie und nach der Feier einen Choral. Die Rede des Commandanten rühmte an dem Wachtmeister den großen Muth, die ausgezeichnete Tapferkeit und das treue Soldatenherz.

Der weite Kreis der Kameraden gönnte dem Braven den wohlverdienten Lohn. Eine solche Auszeichnung eines solchen Braven gab sogar einem Offiziere Veranlassung, bei Tische einen Toast auf ein so echtes Soldatenherz, wie der Wachtmeister besäße, auszubringen.

27. Die Rettung.

(Desgleichen.)

An dem Ufer eines Flusses spielten die Kinder eines armen Webers aus dem nahen Städtchen D. Sie ließen zuerst den Drachen steigen, den der ältere Knabe aus den Blättern des alten Hauskalenders gefertigt hatte. An dem Kopfe des Drachen sah man ein Gesicht mit einem schwarzen Barte. An dem Schwanzende flatterte ein Büschel bunter Federn. Da der Wind dem Spiele nicht günstig war und den Drachen nicht tragen[S. 30] wollte, schritten die Kinder zu einer anderen Unterhaltung. Sie suchten an dem Ufer des Flusses Muschelschalen und bunte Steine. Mit den Steinen wollten sie dann nach einem Stabe werfen, auf den sie einen alten Topf gestürzt hatten. Allein bei dem Suchen der Steine und der Muscheln glitt der kleine Paul von dem Ufer aus und fiel in den Fluß.

Sicher hätte das Kind des armen Webers den Tod in den Wellen gefunden, wäre nicht in dem nächsten Augenblicke ein Retter erschienen. Den Fluß daher kam nämlich der Diener eines Barons mit dem Pudel des Herrn. „Karo, apporte!“ rief der Diener dem Pudel zu und zeigte auf die Wellen und den mit dem Tode ringenden Knaben.

Das Thier stürzte sich sogleich in das Wasser, schwamm dem Kinde nach, packte es an den Kleidern und zog es glücklich dem Ufer und den übrigen Kindern zu. Welch eine Freude unter den Geschwistern! Sie küßten dem Diener aus Dankbarkeit die Hand und hätten am liebsten auch den Pudel geküßt.

Der kleine, ganz durchnäßte Knabe wurde nun sogleich der heimathlichen Hütte zugeführt, dort entkleidet, in ein wollenes Tuch eingeschlagen und in das Bette gebracht, in dem er sich noch im Laufe des Tages von seinem Schrecken wieder ganz erholte.

28. Mißgunst.

(Wiederholung.)

Ein Spitz und eine Katze zankten sich um ein Stück Fleisch. Der Spitz hielt es mit den Pfoten und die Katze mit dem Gebiß. Das Fleisch war gebraten und roch der Katze vortrefflich. Eben so sehr stach es dem Hunde in die Augen. Des Hundes Kraft war indeß stärker als das Gebiß der Katze und darüber ärgerte sich die letztere. Sie wehrte sich mit einer wahren Verzweiflung, denn sie wollte den Hund nicht Sieger sein lassen.

Eine Viertelstunde wol mochte der Kampf gewährt haben.[S. 31] Ein Pudel hatte schon eine geraume Zeit von einer kleinen Entfernung aus dem Kampfe zugesehen. Ein Entschluß war längst bei ihm gefaßt. Die Beute sollte ein Frühstück für ihn werden. Das Kampfspiel aber schien ihm eine gewisse Unterhaltung zu gewähren.

Jetzt indeß, nach Ablauf von etwa einer halben Viertelstunde, harrte er nur noch eines günstigen Augenblickes.

Die Augen der Katze leuchteten immer feuriger. Der Kamm des Spitzes schwoll immer höher. Da plötzlich sprang der schlaue Pudel dazwischen. Ein Ruck, ein Schluck und das Fleisch war verschwunden.

Einen Moment standen der Spitz und die Katze wie verblüfft. Bald aber zogen beide mit einem grimmigen Blicke auf den Räuber ab. Beide sahen jetzt ein, daß, da sie nur ein Stück Fleisch gehabt hatten, sie besser gethan hätten, eine friedliche Theilung vorzunehmen.

Das Zahlwort.

29. Der Würfel.

(Bestimmte Zahlwörter.)

Der Würfel ist ein ganz regelmäßiger Körper. Er hat sechs gleichgroße Flächen und zwölf gleichlange Kanten. Die Flächen enthalten vierundzwanzig rechte Winkel und bilden acht gleiche Ecken. Und hätten wir hundert oder auch tausend, ja eine Million verschiedene Würfel vor uns, wir würden an jedem ganz dieselben Verhältnisse entdecken.

Die Würfel, welche zum Spielen bestimmt sind, hat man auf jeder Seite mit Punkten versehen. Wir erblicken da einen Punkt, zwei, drei, vier, fünf und sechs Punkte. Man spielt mit zwei, drei, sechs, acht, auch zehn Würfeln und zählt dann diejenigen Punkte zusammen, welche die obenauf liegenden Seiten zeigen. So kann man bei zwei Würfeln zwölf, bei drei[S. 32] achtzehn, bei fünf dreißig, bei zehn sogar sechzig Punkte oder Augen gewürfelt haben. Die niedrigste Zahl würden bei zehn Würfeln zehn Punkte sein.

Das Spiel mit Würfeln ist nicht nur unterhaltend, sondern auch nützlich, indem man dabei eine Uebung im schnellen Zusammenzählen hat.

30. Ordnung.

(Ordnungszahlen.)

Der Lehrer Weizner hatte in seiner Klasse eine musterhafte Ordnung. Vom ersten bis zum letzten Schüler wußte jeder stets, was er zu thun hatte. Jeder Bankoberste hatte sein besonderes Aemtchen. So mußte z. B. der zweite Bankoberste die Schreibebücher, der dritte die Federn, der vierte die Rechenhefte, der fünfte die Bibeln austheilen. Der achte mußte für Reinlichkeit, der elfte für Lüftung des Zimmers sorgen. Dem zwölften lag das Abwischen der schwarzen Tafel ob. Kam der fünfundzwanzigste Tag des Monats, mußte der zehnte Bankoberste alle Censurbücher gesammelt haben. Diese aber durfte er nicht anders als wohlgeordnet übergeben. Es durfte z. B. das Censurbuch des fünfunddreißigsten Schülers nicht vor dem des vierunddreißigsten liegen.

Die Schreibefedern wurden auf ein Bret gesteckt. Jede trug eine Nummer am Halter. Auch auf diesem Federbehälter mußte Ordnung herrschen. Neben der vierzehnten Feder mußte die fünfzehnte, neben der vierzigsten die einundvierzigste stecken, sodaß beim Austheilen kein Irrthum entstehen konnte und z. B. der neunzehnte Schüler auch die neunzehnte Feder bekam.

Dieselbe eiserne Ordnung herrschte auch in Bezug auf die häuslichen Arbeiten. Jeden 15. oder 16. des Monats mußten die Aufsätze, jeden 10., 20. und 28. die Rechenbücher, jeden 12. und 24. die Geographiehefte eingegeben werden. In der 2.[S. 33] Stunde jedes 3. Wochentages wurden die gelernten Sprüche und Verse überhört.

So wohlgeordnet ging es fort Jahr aus, Jahr ein, vom 1. bis zum 365. Tage. „Und hätte ich es Euch schon zum tausendsten Male gesagt“, begann eines Tages der Lehrer, „muß ich es Euch doch immer wieder in Erinnerung bringen, daß es Euch äußerst heilsam ist, wenn Ihr Euch schon in Eurem ersten Schuljahre an strenge Ordnung gewöhnt. Ihr könnt es darin bis zu Eurem achten, also bis zu Eurem vierzehnten Lebensjahre, weit bringen. Und ich bin gewiß, Ihr werdet es in Eurem 60., 70. oder 80. meiner Strenge in diesem Punkte noch Dank wissen.“

31. Christbescheerung.

(Das unbestimmte Zahlwort.)

Es war kurz vor Weihnachten, als sich die Schüler einer Klasse vereinigten, einer armen Familie eine kleine Festfreude zu bereiten. Alle versprachen, irgend eine Gabe dazu mitzubringen. Mehrere Knaben, und darunter der Klassenoberste, wurden beauftragt, die Gaben in Empfang zu nehmen. Schon nach wenig Tagen ging das Sammeln sehr lebhaft. Einige Schüler brachten Kartoffeln, viele ganze Brode herbei. Etliche lieferten Stollen, manche Pfefferkuchen und Nüsse. Mehrere brachten abgesetzte Kleidungsstücke, die aber größtentheils noch sehr brauchbar waren. Einzelne schenkten Bücher und Bilder. Eine Anzahl hatte es auf Bleistifte, Federn und Schiefer abgesehen. Fast jeder spendete zudem einige Aepfel und Nüsse. Gab jeder auch nur wenige, wurde doch schließlich eine Unzahl daraus. Keiner auch hatte verabsäumt, in seine Sparbüchse zu greifen, um auch etwas klingende Münze beizulegen. Die meisten dieser Geldstücke bestanden in Groschen und Fünfgroschenstücken.

Daß die Geschenke so massenhaft eingehen würden, hatte[S. 34] sich keiner gedacht. Sämmtliche Schüler waren daher höchst erfreut, als sie am heiligen Abende in ihrer Schulstube die fast unzähligen Geschenke ausbreiten und ordnen konnten.

Unbeschreiblich glücklich aber war die arme Familie mit ihren zahlreichen Kindern, die alle diese Geschenke bescheert erhielt. Sie hatte jetzt nur allein an Lebensmitteln mehr, als sie in geraumen Wochen verzehren konnte. Wiederholt dankten die Armen warm und herzlich und mehrmals traten ihnen die Thränen in die Augen. Die Schaar der kleinen Wohlthäter aber feierte nun das Weihnachtsfest noch einmal so vergnügt.

32. Die Feuersbrunst.

(Zahlwörter zu Hauptwörtern erhoben.)

Es war der Letzte im Monat December, als in einem Dorfe, in welchem schon den Vierundzwanzigsten vorher ein Bauergut abbrannte, abermals Feuer ausbrach. Der Nachtwächter war der Erste, der es bemerkte und Lärm machte. Ein großes Haus, das dritte westlich von der Kirche, stand in hellen Flammen. Fürchterlich klang das Geschrei der armen Thiere, die noch in dem Stalle staken und nicht herauskonnten. Von den Hunderten, die zur Hilfe herbeigeeilt waren, wagte Keiner die rettende That und wenn man ihnen Tausende geboten hätte.

Da kamen zwei Wanderburschen des Weges daher. Diese Zwei, als sie das Gestöhne der Thiere vernahmen, entschlossen sich sofort, das Möglichste zur Rettung zu versuchen. Schleunigst warf jeder sein Bündel ab und gleich darauf sah man die kühnen Zwei auf allen Vieren zur Thür des brennenden Hauses hineinkriechen. Schon nach fünf Minuten waren die Thiere gerettet. „Wer sind diese Beiden?“ fragte man links und rechts. Es erfuhr indeß Niemand, wie sie hießen und wo sie her waren. Von Allen bewundert zogen die beiden Wanderburschen bald darauf ihres Weges weiter.

[S. 35]

33. In der Strafanstalt.

(Biegung des Zahlwortes.)

Der Hauptmann von Lothardt war Direktor einer Strafanstalt. Er aber war durchaus kein Tyrann. Keinem seiner Sträflinge machte er das Leben absichtlich schwer. Jedes einzelnen Wohl lag ihm am Herzen. Was Andere in gleicher Stellung mit unzähligen Flüchen zu erreichen suchten, erreichte er mit wenigen, aber ernst mahnenden Worten.

Jeden Sonntag nach der Frühkirche mußten sich sämmtliche Sträflinge, die unter seiner Aufsicht standen, aufstellen und dann hatte er allen und jedem etwas zu sagen. Den ersten, dritten und vierten erinnerte er vielleicht, mehr auf Reinlichkeit zu halten. Zweien, dreien oder vieren hielt er vielleicht ihr trotziges Wesen vor und dergleichen. Bei dieser Gelegenheit theilte er sämmtlichen Züchtlingen Einiges mit, was sich im Verlaufe einiger Tage oder der letzten Wochen in der Welt zugetragen habe. Manchem erzählte er, was er über dessen Familie daheim erfahren, wobei nicht selten in vieler Augen Thränen sichtbar wurden. Auch nahm er zu gleicher Zeit Wünsche und Bitten in Empfang, worunter etliche allerdings oft sehr sonderbarer Natur waren.

Die jedesmaligen Bitten etlicher, heute einen Brief nach Hause schreiben zu dürfen, gewährte er gewöhnlich, obgleich ihm das Durchlesen sämmtlicher Briefe nicht leicht wurde.

Auf diese Weise erwarb sich der Direktor Aller Herzen und den meisten Sträflingen gingen beim endlichen Abschiede von demselben die Augen über. Vieler Gemüther erfüllte aufrichtige Dankbarkeit gegen den väterlichen Freund. Und mißbrauchten auch einige diese Güte, blieb er sich um zweier oder dreier willen in seinem Verhalten gleich. Er sagte oft: „Um Weniger halber sollen nicht Alle leiden.“

[S. 36]

34. Im Kriege.

(Wiederholung des Zahlwortes.)

Es war den 5. September 1813, des Morgens gegen sechs Uhr. Fünfhundert Mann preußische Infanterie nebst drei Kanonen und etlichen Reitern nahmen Stellung gegen ein Dorf. Das Dorf bestand aus mehreren großen Gütern, einigen kleineren Gehöften und vielen zerstreut liegenden Hütten. Der Feind darin zählte gegen achthundert Mann nebst sieben Geschützen, die aber nur wenig Leute zur Bedienung hatten.

Der Angriff erfolgte nicht blos von einer, sondern von mehreren Seiten. Kaum aber waren zwanzig Kanonenschüsse gefallen, begann auch schon der Sturm von Seiten der Preußen. Hierbei zeichneten sich einzelne Soldaten ganz besonders aus. Das war ein Laufen! Jeder wollte der Erste im Dorfe sein und Keiner für einen Feigling gelten.

Bald standen sämmtliche Gebäude in Flammen. Nach fünfzehn Minuten war der Kampf entschieden. Die meisten Feinde flohen, viele wurden gefangen und gegen einhundertundfünfzig Mann bedeckten die Kampfplätze.

Von den Preußen waren nur wenige gefallen, wohl aber hatte durchschnittlich der zehnte Mann eine Verwundung erhalten.

Das Fürwort.

35. Ein Brief.

(Persönliche Fürwörter.)

Lieber Robert!

Du wünschtest, so viel ich gehört habe, ein Kaninchen von meinem Bruder zu besitzen. Ich kann Dir nun mittheilen, daß er gern bereit ist, Dir ein solches Thierchen zu schenken. Du sollst nur kommen und Dir eins aussuchen, dann wird er Dir es schicken.

[S. 37]

Wir würden uns freuen, wenn Du heute schon kämst und auch den Emil Kappler mitbrächtest. Wir würden dann mit Euch einen Spaziergang unternehmen und Euch in den nahen Wald führen, woselbst sehr viel Heidelbeeren stehen, die Ihr gewiß alle gern eßt. Sie schmecken dies Jahr ganz besonders süß. Wolltet Ihr das nicht, könnten wir auch mit Euch zu Pastors Kindern gehen. Sie haben sehr viel Bilderbücher und Spielzeug. Sie besitzen auch eine kleine Kegelbahn, auf der wir sehr viel Vergnügen finden würden.

In der Hoffnung, daß Du vielleicht heute noch mit Deinem Bruder und dem Emil kommen wirst, und mit dem Versprechen, daß wir Euch so gut als möglich unterhalten werden, grüßt Dich

Dein
Gustav Pernitz.

36. Schönheit bringt Gefahr.

(Besitz anzeigende Fürwörter.)

In einem Walde standen ein junger Tannenbaum und eine junge Fichte dicht neben einander. Beide stritten sich um ihre gegenseitigen Vorzüge. Das Tannenbäumchen sagte: „Mein Wuchs ist viel schlanker als deiner. Meine Aeste stehen weit regelmäßiger als die deinigen. Die Farbe meiner Nadeln ist schön dunkelgrün und glänzend; die Rückseite derselben ist sogar in Silber getaucht. Dein Kleid dagegen macht gar kein Aufsehen, denn seine Farbe ist einfach und matt. Ueberhaupt hat unser Geschlecht etwas Nobles, während eure ganze Sippschaft ein gewöhnliches Aussehen bietet.“

Die junge Fichte vertheidigte sich zwar, aber ihre Worte waren nicht so bitter. „Meine Gestalt und mein Gewand“, sagte sie, „sind nicht minder schön als dein Wuchs und dein Kleid. Unsere Aeste stehen dichter als eure und deshalb sind wir bei den kleinen Singvögeln beliebter. Ihre Lieder ertönen hell aus unsern Gipfeln und manches Vögelpärchen vertraut die Wiege[S. 38] seiner Kinder lieber unsern Zweigen an als den eurigen. Und wäre es wirklich wahr, daß dein Aeußeres das meinige an Reizen überträfe, so sei auf deiner Hut, daß dieser Vorzug nicht dein Unglück werde. Die Menschen sind schlimm und ihre scharfen Augen trachten oft nach dem Besten. Euer Geschlecht hat das schon oft empfinden müssen.“

Das Fichtenbäumchen hatte wahr gesprochen. Als Weihnachten kam, trat ein Bauer mit seinem Knechte herbei und sprach zu letzterem: „Nimm Dein Beil und haue mir dieses Tannenbäumchen ab. Seine Gestalt gefällt mir. Es soll meinen Kindern zum Christbaume werden und auf ihrem Weihnachtstische stehen.“

So wurde das Tannenbäumchen um seines schönen Aussehens willen frühzeitig gefällt, während die junge Fichte in ihrer einfachen Erscheinung unangetastet blieb und großwachsen konnte.

37. Die Natur.

(Bezügliche Fürwörter.)

Der Mensch, welcher die Natur aufmerksam betrachtet und die Wunder, die in ihr vorgehen, beobachtet, wird viel Gewinn für sein Herz, das ja für alles Schöne gern empfänglich ist, davon haben. Nicht blos der Sturm, der Bäume entwurzelt, sondern auch das Säuseln, das lind durch die Blätter zieht; nicht blos die Gletscher, die mit ihren Silberhäuptern über die Wolken emporragen, sondern auch das Sandkorn, welches von der leichten Welle des Waldbaches dahingespült wird; nicht blos die riesige Eiche, welche mit ihren markigen Armen einen weiten Luftkreis umspannt, sondern auch das Gänseblümchen, welches in schmucker Einfachheit zu unsern Füßen blüht, predigt uns die Allmacht Gottes.

Der zarte Staubfaden, der im Innern der kleinsten Blume sitzt; das haarfeine Fühlhorn, das wir auf dem Kopfe der[S. 39] Mücke entdecken; die strahlende Thauperle, die des Morgens am Grashalme zittert: sie alle zeugen von der Weisheit des Schöpfers.

Sieh den Sperling, welcher selbst im strengsten Winter auf der Straße sein Futter findet; die Raupe, welche an der saftigen Wolfsmilch nagt; das Käferlein, welches aus einem Blumenkelche trinkt: und Dein Vertrauen zu dem gütigen Schöpfer, der für alle Wesen, die er geschaffen, väterlich sorgt, wird sich wunderbar stärken.

So gleicht die ganze Natur einem großen Buche, das auf jedem Blatte Nahrung für Dein Herz bietet.

38. Aberglaube.

(Hinweisende Fürwörter.)

Die Bäuerin Zuckerriedel zeigte sich ungemein abergläubisch. Sie war dieselbe, welche eines Tages ein armes Bettelweib mit dem Stallbesen forttrieb, weil sie glaubte, dasselbe sei eine Zauberin. Sie war auch diejenige, welche sich allemal bekreuzte, so oft sie über einen Kreuzweg ging. Alles dasjenige, was in ihrem Kuhstalle vor sich ging, brachte sie mit dem Einflusse guter oder böser Geister in Verbindung. Denjenigen Fremden, der über ihre Schwelle trat, beobachtete sie mit mißtrauischen Augen und bald stand Dieser und Jener, der etwa einen Blick nach der Stallthüre geworfen hatte, bei ihr in üblem Verdachte.

Ganz anders war ihr Nachbar, der Bauer Menzel. Derselbe, welcher allerdings die nöthige Schulbildung genossen hatte, erklärte frei und öffentlich: „Alles Dasjenige, was nach Aberglauben riecht, ist eine Lächerlichkeit.“

Ganz Dasselbe sagte er auch zu seiner Nachbarin. Diese aber entgegnete ihm: „Derjenige, der mir so etwas sagen kann, sollte nur meine selige Großmutter gehört haben. Diese, welche[S. 40] sonst nicht eben leichtgläubig war, hat mir wiederholt erzählt, wie derselbe dreibeinige Hase, welcher noch heute zuweilen unser Gut umkreist, früher nachts in der zwölften Stunde vor der Stallthür gewesen ist und dieselbe angeniest hat.“

„Nun so hört, was ich jetzt sage“, erwiderte Menzel. „Ich verspreche Demjenigen, der mir meine Ochsen, und Derjenigen, die mir meine Kühe behext, je zehn Thaler. Und dasjenige meiner Kinder, das von irgend Jemand beschrieen wird, soll diesem, bis dasselbe zwanzig Jahre alt ist, jedes Jahr einen Scheffel Weizen überbringen helfen. Das sage ich Euch und ganz Dasselbe will ich auch im ganzen Dorfe bekannt machen.“

Die Bauerfrau erschrack beinahe über diese Tollkühnheit. Aber obgleich sich Niemand fand, der sich jenen Preis verdiente, wurde sie von ihrem Aberglauben doch nicht geheilt.

39. Räthselfragen.

(Fragende Fürwörter.)

„Heute will ich einmal eine kleine schriftliche Wiederholung mit Euch vornehmen“, sagte ein Lehrer eines Tages zu seinen Schülern. „Ich werde indeß meine Fragen so stellen, daß sie wie eine Art Räthsel klingen. Schreibt also folgende Fragen auf und die Antworten dahinter:

Wer hat das höchste Lebensalter erreicht? — Welche Spinne halten viele Leute fälschlich für giftig? — Welcher Kaiser starb auf der Insel St.-Helena? — Welches Thier frißt zuweilen seine Jungen? — Welchen Menschen nennt man einen Narren? — Welchem Volke gehörte zuerst Paulus an? — Was ließ Pilatus über das Kreuz Jesu schreiben? — Was für eine Art Bienen hat keinen Stachel? — Was für ein Insekt vermehrt sich am zahlreichsten? — Wessen Beruf ist mit viel Lebensgefahr verknüpft? — Welcher Blume zollt man das Lob der Bescheidenheit? — Wem verdanken wir die Entdeckung[S. 41] Amerikas? — Wen schlug das deutsche Heer bei Sedan? — Welche Rose trägt keine Dornen?“

Die Schüler beantworteten diese Fragen und fast alle hatten die richtige Lösung gefunden.

40. Eine schreckliche Zeit.

(Unbestimmte Fürwörter.)

Noch im vorigen Jahrhunderte glaubte man, daß Jeder, der rothe, entzündete Augen habe, mit bösen Geistern in Verbindung stehe. Jedermann erkannte es darum auch für Recht, daß solche Menschen beseitigt würden. Man verbrannte sie daher öffentlich auf Scheiterhaufen. Niemand hatte Mitleid mit einem solchen unglücklichen Opfer. Ja, ließ irgend Jemand merken, daß er Bedauern fühle, kam er in Gefahr, für einen gehalten zu werden, der mit dem Bösen auch etwas zu thun habe. Wurde eine oder einer von diesen armen krankäugigen Menschen verbrannt, so veranlaßte dies sogar eine Art Volksfest. Man hörte wol gar, wie der und jener jubelte, wenn die Flammen über dem Unschuldigen zusammenschlugen. Schließlich wurde die Asche des Verbrannten in alle Winde zerstreut, damit nichts mehr an ihn erinnere.

Gewiß dankt ein Jeder und eine Jede unter uns Gott, daß die Zeiten, da so etwas geschehen konnte, vorüber sind.

41. Ein Brief.

(Wiederholung der Fürwörter.)

Lieber Freund!

Deinen letzten Brief habe ich drei Tage später erhalten, als Du ihn geschrieben hast. Er ist bei meiner Tante liegen geblieben. Sie hatte denselben aus Versehen mit in ihre Papiere verpackt.

Dein Portrait, welches Du mir in dem Briefe beigelegt hast, gefällt mir und meinen Geschwistern sehr. Es ist ganz[S. 42] Dein Ebenbild. Dieser und jener, dem wir es zeigten, meinte freilich, es läge etwas in den Zügen, was man bei Dir nicht fände. Unser Papa aber sagte, das sei der Ernst, welcher sich fast auf allen Photographien ausgeprägt finde, und es werde Niemand ein besseres Bild von Dir und insbesondere von Deinen Gesichtszügen herstellen können.

Wer hat Dich denn eigentlich photographirt und was kostet das Dutzend solche Bilder? Du würdest mich sehr verbinden, wenn Du mir das in Deinem nächsten Briefe mittheiltest. So viel ich weiß, hat, außer uns, dies und jenes in unserer Familie die Absicht, sich auch portraitiren zu lassen. Es wird überhaupt dem und jenem unserer Bekannten lieb sein, zu erfahren, wer sich bei Euch in der Stadt als der beste Photograph bewährt.

Nimm für jenes Geschenk meinen besten Dank! Ich werde dasselbe stets hoch in Ehren halten, es einrahmen lassen und über meinen Arbeitstisch hängen.

Wie schon gesagt, werden wir uns auch photographiren lassen. Sobald diese Bilder fertig sind, sollen sie in Euer Album wandern. Es wird sie Dir Jemand überbringen, der sich nennt

Deinen treuen Freund
Rudolph Melzer.

Das Zeitwort.

42. Auf dem Lande.

(Bezügliche Zeitwörter.)

Theodor bewohnte mit seinen Eltern eine Villa in der Stadt. Er zählte etwa zwölf Jahre. Ihm gefiel das Leben in der Stadt außerordentlich. Das Leben auf dem Lande kannte er gar nicht, denn er hatte noch nie ein Dorf besucht.

Eines Tages aber sagte sein Vater zu ihm: „Theodor, heute werden wir eine kleine Reise unternehmen. Ziehe Deine Sonntagskleider an. Hänge Deine Botanisirtrommel um. Nimm[S. 43] Dein Spazierstöckchen und stecke Dein Notizbuch zu Dir. Wir werden heute unsern alten Onkel überraschen, der ein großes Bauergut besitzt. Das Leben und Treiben auf diesem Gute wird Dir gewiß Vergnügen bereiten.“

Nach etwa zwei Stunden sahen Vater und Sohn das betreffende Dorf im Thale liegen. Bald war des Onkels Besitzthum vollends erreicht. Freundlich begrüßten sie den Alten. Herzlich hieß dieser die Gäste willkommen.

Nachdem ein gutes Frühstück eingenommen war, verließ Theodor das Zimmer. Er wollte dem Hofe einen Besuch abstatten. Aber welches Leben entdeckte er hier! Welch buntes Treiben gewahrten seine Augen! Bunte Tauben pickten ihr Frühstück von der Erde auf. Eine alte Gans führte ihre Jungen dem nahen Teiche zu. Der Pfauhahn schlug ein Rad mit seinem Schweife. Schwalben bauten Nester unter das Dach. Junge Schweine durchwühlten den Düngerhaufen. Ammi, der Haushund, jagte den alten Kater über den Hof. Der Kettenhund bewachte eifrig das Thor und wollte seine Kette zersprengen, wenn er einen fremden Menschen gewahrte.

Hier schirrte ein Knecht die Pferde ein und bespannte dann den Wagen. Ein anderer führte ein schmuckes Füllen aus. Ein dritter wetzte die Sense. Dort, auf einer Tenne, drasch man Getreide. Auf einer andern reinigte man Korn. Auf einer dritten siebte man Weizen.

Auch die Kuhställe boten viel Unterhaltendes. Die Großmagd fütterte die Kühe. Die Mittelmagd streute ihnen frisches Stroh unter. Die Kleinmagd melkte die Ziege. Ein Ziegenböcklein neckte unaufhörlich seinen Nachbar, ein scheckiges Kälbchen. Eine Heerde Kaninchen knapperte frische Krautblätter. Oben im Hühnerstalle saßen zwei Hühner und legten Eier.

Theodor durchstreifte jetzt auch den Garten. Wohin er sein Auge richtete, entdeckte er auch hier immer neue Bilder. Und[S. 44] so gewährte ihm das Landleben außerordentlich viel Freuden. Zuletzt wußte er nicht, sollte er das Stadt- oder das Landleben mehr loben.

43. Nach der Schlacht.

(Unbezügliche Zeitwörter.)

Die Waffen ruhen. Die Kanonen schweigen. Ihre Mündungen gähnen stumm in die Nacht hinaus. Die Reiter sitzen ab. Kein Säbel blitzt mehr im Sonnenglanze. Keine Flintenkugel heult und summt und zischt mehr durch die Luft. Die Soldaten hungern und dursten. Die Müdigkeit aber ist mächtiger als Hunger und Durst, und so liegen sie umher und schlafen. Nur der Wachtposten steht und lugt aufmerksam nach dem Schlachtfelde.

Dort sitzt freilich noch Mancher und blutet. Dort liegt noch Mancher und stöhnt und jammert. Wohl lächelt der Sieg, wohl duftet schon der Siegeskranz, aber die Schmerzen der Wunden wüthen immer ärger und ärger und lassen keine Freude aufkommen. Viele der Armen wachen und wimmern die ganze Nacht, ohne daß ihnen Hilfe werden kann. Ihre Hoffnung auf Rettung schwindet endlich. Hunderte verscheiden noch. Die Zahl der Todten wächst mit jeder Stunde.

Alle Aerzte sind beschäftigt, die Verwundeten zu verbinden. Ein Wagen nach dem andern fährt vor den Lazarethen vor, die Unglücklichen herbeizubringen. Die Sanitätssoldaten schwitzen bei ihrer anstrengenden Arbeit. Ganze Reihen mit Tragen, auf denen Verwundete liegen, kommen daher. Ja, das Elend nach einer Schlacht ist groß. Millionen jubeln und Tausende bluten!

44. Arbeitsstunde.

(Bezügliche und unbezüglich gebrauchte Zeitwörter.)

Eines Morgens trat der Direktor in die Arbeitsräume seines Institutes. Er wollte sehen, ob sich alle Schüler nützlich[S. 45] beschäftigten. In dem einen Zimmer saßen Knaben, in dem andern Mädchen. Ein Blick über die Knaben hinweg sagte ihm, daß alle thätig waren. Walther schrieb, Günther malte, Berthold zeichnete, Thomas rechnete, Ewald pappte, Rudolph schnitzte, Just heftete und Valentin las.

Ebenso regsam ging es in der Mädchenklasse zu. Sophie nähte, Fanny strickte, Elfriede stickte, Olga häkelte, Rosalie flechtete, Susanne lernte auswendig, Ottilie studirte in einem Buche, Helene sang und Jenny wiederholte eifrig.

Von hier ging der Direktor in die Küche, denn auch hier waren Mädchen beschäftigt. Er fand alle bei ihrer Arbeit. Lottchen kochte, Anna röstete, Louise bratete und Doris wusch auf.

Eine Stunde später durchschritt der Direktor die Räume noch einmal, um sich nun genauer zu überzeugen, worauf sich denn eigentlich die verschiedenen Thätigkeiten seiner Schüler erstreckt hätten. Da fand er denn Folgendes: Walther schrieb einen Brief, Günther malte eine Landschaft, Berthold zeichnete einen Esel, Thomas rechnete ein großes Divisionsexempel, Ewald pappte sich eine Mappe, Rudolph schnitzte ein Federkästchen, Just heftete ein Schreibebuch und Valentin las ein lustiges Märchen.

In der Mädchenklasse sah er, daß Sophie eine Schürze nähte, Fanny einen Strumpf strickte, Elfriede ein Paar Schuhe stickte, Olga eine Börse häkelte, Rosalie einen Klingelzug flocht, Susanne ein Gedicht lernte, Ottilie die Pflanzenklassen studirte, Helene die Wacht am Rheine sang und Jenny die Reformationsgeschichte wiederholte.

Als der Direktor in die Küche gehen wollte, kam ihm seine Frau entgegen. „Nun“, sagte er zu dieser, „was haben denn Deine kleinen Köchinnen heute geschafft?“

„Lottchen“, erwiderte die Direktorin, „hat Suppe gekocht, Anna Kirschen geröstet, Louise ein Hühnchen gebraten und Doris[S. 46] Schüsseln und Teller aufgewaschen, denn das müssen die Mädchen auch lernen.“

Der Direktor war mit dem Fleiße der Schüler sehr zufrieden und sprach ihnen sein Lob aus.

45. Eine Angstnacht.

(Unpersönliche Zeitwörter.)

In einem einsamen Felsenthale stand eine kleine, ärmliche Hütte. Darin saßen an einem schwülen Sommertage die Bewohner derselben, eine arme Bergmannsfamilie, bei ihrem Abendbrode.

„Es wird wol heute Abend noch regnen“, sagte der Vater. „Es umwölkt sich nach Sonnenuntergang zu.“

„Leicht möglich“, erwiderte die Mutter, „es hat schon lange mit Regen gedroht.“

„Es wird wol gar ein Gewitter geben“, sagte einige Minuten später der älteste Knabe. „Es blitzt schon und — höre ich recht — es donnert auch bereits in der Ferne.“

Daraufhin ging der Vater hinaus, um nach dem Himmel zu sehen. „Es kann ein hartes Gewitter kommen“, meinte er bei seiner Rückkehr. „Es tost und braust gewaltig in der Ferne. Und oben in den Tannen rauscht und heult es, als ob das wüthende Heer im Anzuge wäre.“

Binnen einer Viertelstunde stand das Gewitter über dem Thale und ein furchtbarer Sturm brach los. „Hört nur“, sagte die Mutter bänglich, „wie es draußen tobt und saust und wirthschaftet! Es gießt wie mit Gießkannen! Hu! wie es den Hausgiebel peitscht und wie es an die Fenster schlägt! Still! Krachte es nicht jetzt auf dem Dache?“

Alle lauschten. „Der Sturm wird einen Balken losgelöst haben“, sagte der Vater. „Hört nur auch, wie es in den alten[S. 47] Schindeln rasselt und hämmert und klappert! Das Dach wird morgen gut aussehen.“

Kaum hatte der Vater diese Worte gesprochen, zuckte ein mächtiger Blitz durch die Nacht und gleich darauf folgte ein furchtbarer Schlag. „Jetzt hat es sicher eingeschlagen“, rief der zehnjährige Gotthelf entsetzt.

„Sei nur ruhig, mein Sohn“, tröstete die Mutter, „es täuscht dies auch oft.“

„Horch!“ versetzte bald darauf der ältere Knabe. „Es läutet drüben auf der Kapelle. Es muß irgendwo brennen!“

„Es schlägt vielleicht bloß zehn Uhr“, entgegnete der Vater.

„Nein, nein“, sagte jener wieder, „ich höre es ganz deutlich, daß es stürmt.“

Wieder gebot jetzt die Mutter, aufzuhorchen. „War mir’s doch“, sagte sie, „als ob es draußen unter den Fenstern wimmere! Ja, ja, ganz sicher! Es wimmert und weint und schluchzt! Horcht! Jetzt klopft es an die Thür! Wer mag das sein?“

Der Vater eilte hinaus und brachte einen Bettler mit seinem jammernden Kinde herein. Der Arme hatte sich verirrt und bat um Obdach für diese Nacht, was ihm gern gewährt wurde.

Es wetterte, schloßte und hagelte wohl noch eine Stunde fort. Erst gegen Mitternacht verzog sich das Gewitter und ließ die armen Leute zur Ruhe gehen.

46. Auf dem Spielplatze.

(Abwandlung der Zeitwörter nach den Personen.)

„Ich spiele gern Soldaten“, sagte Bruno, als eine Anzahl Knaben beriethen, womit man sich unterhalten wolle. „Aber ich weiß schon“, wendete er sich an Karl, „Du spielst lieber Jagd. Und Otto dort hat auch keine Lust dazu. Er spielt am liebsten Räuber.“

[S. 48]

„Nun, wißt Ihr was“, sagte Otto, „damit Jeder freie Wahl hat, theilen wir uns in drei Gruppen. Wir spielen Räuber und Ihr dort spielt Soldaten.“

„Und die Uebrigen?“ fragte Bruno.

„Sie spielen Jagd“, sagte Otto.

„Was soll denn aber die kleine Marie dort spielen?“ fragte Robert.

„Sie spielt einstweilen mit ihrer Puppe“, versetzte Arno.

„Und das kleine Suschen?“ fragte Robert wieder.

„Es spielt natürlich mit der Marie“, erwiderte Arno.

„Du lachst, Otto?“ fragte plötzlich Arno.

„Ich lache“, versetzte Otto, „weil Emil dort solch schnurrige Grimassen macht. Sieh nur hin, er lacht selbst über sich.“

„Ach so“, sagte Arno, „ich glaubte, Du lachtest über mich.“

Das Spielen begann. Die Kinder hatten sich in drei Gruppen getheilt und überall ging es lustig zu. Da auf einmal entstand bei der einen Partei ein helles Gelächter.

„Ihr lacht doch nicht etwa über uns hier?“ rief Arno hinüber.

„Nein“, rief Otto zurück, „wir lachen wieder über den Emil, den kleinen Kobold.“

„Und was lachen denn die fremden Kinder dort drüben, die gar nicht zu unserer Gesellschaft gehören?“ fuhr Arno fort.

„Ach, so laß sie doch“, sagte Otto. „Sie lachen, weil wir lachen, und das kann uns durchaus nicht stören.“

Nachdem die Kinder eine Stunde gespielt hatten, fingen sie zum Schlusse auch noch an zu singen. Besonders war es ein Liedchen, das sie gern immer und immer wieder sangen. In demselben kam der Vers mit vor:

Ich singe, du singest, er singt!
Wie herrlich ein Liedchen doch klingt!
Was immer die Tage auch bringen,
Wir singen, ihr singet, sie singen.

[S. 49]

47. Ein Feriengespräch.

(Abwandlung des Zeitwortes nach der Zeit.)

„Was machst Du denn da?“ fragte Bernhard, als er zu Horst ins Zimmer trat.

Ich zeichne“, erwiderte Horst.

„Womit hast Du Dich denn gestern Nachmittag beschäftigt, Horst?“ fragte Bernhard wieder.

Ich habe auch gezeichnet“, gab Horst zur Antwort.

„Ich glaubte, Du hättest Klavier gespielt, als ich vorbeiging“, sagte Bernhard.

„Nein, da hast Du Dich getäuscht, Bernhard“, erwiderte Horst. „Ich zeichnete.“

„Sicher aber arbeitetest Du nicht mehr“, sagte Bernhard, „als es abends neun Uhr geschlagen hatte, denn um diese Zeit, sah ich kein Licht mehr in Deinem Zimmer.“

„Allerdings“, entgegnete Horst. „Als es neun Uhr schlug, erholte ich mich im Garten. Ich hatte da meine Landschaft fertig gezeichnet.“

„Was wirst Du denn morgen vornehmen?“ fragte Bernhard weiter.

„Ich werde wieder zeichnen und zwar einen Affenkampf“, antwortete Horst.

„Und wann gedenkst Du damit fertig zu sein?“ sagte Bernhard.

„Ich werde dieses Bild hoffentlich schon nächsten Sonntag fertig gezeichnet haben“, meinte Horst. „Aber, sage mir, Bernhard“, fuhr er fort, „was treibst Du denn jetzt, während der Ferien?“

„Ich schreibe, ich lese, ich turne, ich bade und so weiter“, erwiderte Bernhard.

„Womit vertriebst Du Dir denn gestern die Zeit?“ fragte Horst wieder.

[S. 50]

„Mit Allerhand“, sagte Bernhard. „Ich habe gemalt, an meiner Festung gebaut und einen Luftballon gefertigt.“

„Und was machtest Du vorgestern“, fuhr Horst fort, „als das fürchterliche Gewitter kam?“

„Was sollte ich thun?“ erwiderte Bernhard. „Ich ging in der Stube auf und ab, ich stellte meine Soldaten auf, ich hörte auf die herrlichen Donnerschläge und sah nach den prächtigen Blitzen. Als das Gewitter vorüber war, lobte mich mein Vater, denn ich hatte nicht die geringste Furcht gezeigt; ich hatte gespielt wie immer und hatte sogar meinen kleinen Geschwistern noch Muth zugesprochen.“

„Wollte nicht Dein Vater verreisen?“ fragte Horst weiter. „Was wirst Du denn dann anfangen, wenn Du allein bist?“

„Ich werde fleißig spazieren gehen und werde auch meinen Onkel einmal besuchen“, sagte Bernhard.

„Wolltest Du nicht auch Deine Tante in Berlin einmal besuchen?“ versetzte Horst wieder.

„Dies Jahr noch nicht“, entgegnete Bernhard. „Uebers Jahr aber werde ich mir so viel Geld gespart haben, daß ich diese Reise unternehmen kann.“

48. Aus einem Tagebuche.

(Die Aussageweise.)

Ich stand um sechs Uhr auf. Ich glaubte, es regne, es war indeß blos der Wind, der an den Giebel blies. Wenn es wirklich geregnet hätte, würde ich mich auch geärgert haben. Mein Vater sagte nämlich gestern Abend noch: „Kinder! Morgen früh zeitig aus den Federn! Ja nicht verschlafen! Ihr sollt mit mir in die Heidelbeeren gehen.“

„Ach, wäre doch nur ein schöner Morgen!“ dachten wir in unserer Freude. „Schiene doch die Sonne morgen früh recht[S. 51] klar und freundlich hernieder!“ sagte Bruder Johannes beim Zubettgehen noch.

Der Morgen war schön. Wir alle hofften, im Walde einige frohe Stunden zu verleben. Wir hätten schon um sieben Uhr aufbrechen können, wäre Eduard nicht so saumselig mit seinem Anziehen gewesen.

„Jetzt die Botanisirtrommel auf den Rücken und vorwärts!“ befahl endlich der Vater.

Wie lustig hüpften wir dahin! Wie freuten wir uns auf das Frühstück mit blauen Beeren! „Wären wir nur schon dort!“ sagte Johannes wiederholt unterwegs.

Endlich langten wir im Walde an. Zu unsern Füßen stand der saftige Frühstückstisch. Man glaubte, einen mit schwarzen Perlen gestickten grünen Teppich zu erblicken. Wir würden sofort an die süße Arbeit gegangen sein, hätte nicht der Vater jetzt gerufen: „Halt! Erst fünf Minuten abkühlen!“ — Wie sehnsüchtig blickten wir alle nach den herrlichen Beeren hin! „Daß doch die fünf Minuten schon um wären!“ wünschten wir alle.

Endlich begann der Schmaus. Jeder aß nach Herzenslust. Ich meinte anfänglich, ich äße die meisten Beeren, aber Eduard war doch noch fleißiger. Er sagte auch scherzend: „Wenn es möglich wäre, äße ich einen ganzen Scheffel voll!“

Nach etwa einer Stunde mochte der Vater meinen, wir könnten nun genug haben. „Jetzt Schicht!“ befahl er. „Alle her zu mir! Keine Beere mehr anrühren!“

Wir gehorchten. Johannes aber sagte mit einem tiefen Seufzer: „Ach, hätte ich nur noch fünf Minuten zulangen dürfen!“ Der Vater hatte dies gehört und erwiderte: „Wollte doch Monsieur Johannes einsehen, daß allzuviel ungesund ist!“

[S. 52]

49. Ein Sommertag.

(Mittelwort der Gegenwart.)

Es war ein reizender Julitag. Auf den weithin sich dehnenden Wiesen lag duftendes Heu. Singende Schnitter mähten mit ihren blitzenden Sensen die wogenden Kornfelder. Hier trabten wiehernde Rosse mit einem leeren, rasselnden Erntewagen daher. Dort fuhr ein anderer, die goldglänzenden Garben hochaufgethürmt, langsam und mit schwankender Bewegung der Scheune zu. Ueberall sah man eifrig arbeitende und emsig schaffende Landleute mit glühenden Gesichtern und schweißtriefenden Stirnen.

An den noch grünenden Hügeln weideten blökende Heerden mit lieblich tönenden Glocken. In dieses anheimelnde Geläute mischte sich das jodelnde Lied und die knallende Peitsche der Hirten. Aus dem unzählige Früchte bergenden Walde erklangen die jubelnden Stimmen der eifrig pflückenden Heidelbeergänger.

Um die bunt leuchtenden Blumen auf den Rainen und an dem murmelnden Bache tanzten flatternde Falter, schwirrten schillernde Käfer, summten Honig suchende Bienen.

Ueber dem Allen aber schwebte am lachenden Himmel die trillernde Lerche, den allliebenden Schöpfer preisend, dessen segnende Hand die nährenden und erquickenden Gaben alle gespendet.

50. Unter dem Kreuze.

(Mittelwort der Vergangenheit.)

An einem vielbegangenen Feldwege stand ein gezimmertes Holzkreuz mit dem gekreuzigten Heilande. Das aus Kupfer getriebene, bemalte Bild zeigte hier und da durchlöcherte Stellen. Die beschädigten Theile rührten von den Geschossen einer unlängst hier geschlagenen Schlacht her.

Vor diesem entstellten und zersplitterten Krucifixe lag ein[S. 53] verwundeter Krieger. Sein abgezehrtes Gesicht zeugte von entsetzlichen Qualen. Sein umflortes Auge ließ auf einen baldigen Tod schließen. Der zerfetzte und beschmutzte Waffenrock, die verbogene Säbelscheide, der eingedrückte Feldkessel und der unverschlossene Tornister mit dem geleerten Brodbeutel vollendeten das Bild des Jammers.

Die abgemagerten Hände des gänzlich entkräfteten Kriegers falteten sich zum Gebete. Er hob den halbgebrochenen Blick zum sonnenbeleuchteten Kreuze empor. Seine erblaßte, vom Schmerze umzuckte Lippe lallte nur noch abgebrochene Worte. „Meine Mutter!“ war sein letzter Ausruf. Das erloschene Auge schloß sich und der tapfere Krieger war eine Leiche.

51. Ein Stück Kriegsarbeit.

(Mittelwort der Zukunft.)

Die zu stürmende Schanze lag auf einer bedeutenden Anhöhe. Die dabei zu überwindenden Hindernisse sahen drohend aus. Das zum Angriffe zu ordnende deutsche Heer schaute nicht ohne Besorgniß nach den zu übersteigenden Wällen empor. Das zu verwendende Geschütz und die zu benutzenden Sturmleitern standen bereit. Die zu verschießenden Bomben lagen hochaufgethürmt.

Jetzt wurden die zu besetzenden Punkte bezeichnet und die Orte der zu grabenden Minen erwählt. Der commandirende General war der Ansicht, das zu eröffnende Feuer müsse gleich mit allem Nachdrucke gegeben und das zu verwendende Pulver dürfe gleich anfänglich nicht geschont werden, damit die zu besiegende Schanzenmannschaft einen heilsamen Schrecken bekäme.

Der Kampf begann. Die Kugeln durchwühlten die zu erringenden Wälle. Die zu beseitigenden Palissaden stürzten von den schweren Geschossen und füllten die zu übersteigenden Gräben.

Endlich erfolgte der Sturm. Der zu überwältigende Feind[S. 54] wehrte sich tapfer. Die zunächst zu erobernden Vorwälle feuerten mörderisch. Aber umsonst. Der zu vollführende Befehl der Deutschen hieß: „Siegen oder sterben!“ Binnen einer Stunde war die zu nehmende Schanze in deutschen Händen.

52. Das Brod.

(Leideform.)

Die Mittagsglocke wird geläutet. Der Tisch wird gedeckt. Wir setzen uns daran. Das Gebet wird gesprochen. Messer, Gabeln, Löffel und die Zähne werden in Bewegung gesetzt. Fleisch, Gemüse und Brod werden gegessen. Das liebe Brod! Es wird sowohl an der Tafel des Kaisers als am Tische des Bettlers genossen. Wohl des Tages dreimal wird Brod von uns gegessen. Wie selten aber denken wir daran, wie es erzeugt wird, wie viel Hände dabei in Thätigkeit gesetzt und wie viel Schweißtropfen dabei vergossen werden.

Zuerst muß der Acker gedüngt werden. Dann wird er gepflügt und geeggt. Darauf wird er von der Hand des Landmannes mit Samen bestreut. Erdklöse, die durch ein abermaliges Eggen nicht zerkleinert worden sind, werden nicht selten jetzt noch durch eine Walze zermalmt.

Durch geheimnißvolle Kräfte wird nun der Keim in dem Korn entwickelt. Die Saat geht auf. Durch Sonnenschein und Regen wird sie von Tag zu Tag größer gezogen. Die Halme werden kräftiger. Nach mehreren Wochen werden die Aehren angesetzt. Sie blühen. Durch den Blütenstaub wird das Korn befruchtet. Es entwickelt sich. Bald darauf werden die Halme von der Sonne gebleicht und die Fruchtkörnchen gehärtet.

Jetzt wird das Korn gemäht und in die Scheune gebracht. Hier werden die Garben ausgedroschen, die Körner gesiebt, gereinigt und in die Mühle gebracht. Dort werden sie gemahlen und somit in Mehl verwandelt. Das Mehl wird dem Bäcker[S. 55] überliefert und von diesem in einen Backtrog geschüttet. Hierauf wird es mit Wasser und Sauerteig vermengt und zu einem Teige geknetet. Dieser Teig wird nun eine Zeit lang der Gährung überlassen.

Ist die Gährung erfolgt, wird der Teig zu Kugeln geformt und diese werden in den heißen Backofen geschoben. Damit die Brode Glanz bekommen, werden sie mit Wasser überstrichen. Sind sie gebacken, werden sie endlich in die frische Luft gestellt, damit sie abkühlen. Jetzt erst ist das Brod fertig.

Daß doch kein Bissen Brod gegessen werden möchte ohne den Gedanken, daß es vom lieben Gott gegeben wird und daß unzählige Schweißtropfen vergossen werden müssen, ehe wir es auf unsern Tisch bekommen.

53. Die Berufswahl.

(Wiederholung der Formen des Zeitwortes.)

„Du mußt Dich nun ernstlich entschließen“, sagte ein Vater zu seinem Sohne, „was Du einmal werden willst. Du zählst bereits vierzehn Jahre und kannst nun wissen, welche Berufsart Dich am meisten anspricht.“

„Ich will die Gärtnerei erlernen“, erwiderte August, „da kann man doch immer im Freien arbeiten, schalten und walten.“

Der Vater erklärte sich damit einverstanden und brachte den Knaben zu einem Lehrherrn. Bald aber kam August wieder nach Hause und klagte, er müsse zu viel hacken, graben, harken und sich bücken und überhaupt zu viel arbeiten. Er wolle lieber Jäger werden, da könne er den grünen Wald durchstreifen, das muntere Wild verfolgen, auf weichem Moose ruhen; und wenn es auch einmal regne oder schneie oder stürme, das sei schon zu ertragen und solle ihn nicht verdrießen.

Der Vater ließ sich bewegen und bald studirte August in einem Forsthause.

[S. 56]

Allein auch das Leben im Walde gefiel ihm nicht lange. Es war ihm unbequem, daß er früh zeitig aufstehen, seinem Herrn die Stiefel putzen und wichsen und die Kleider klopfen und bürsten mußte. Er beschloß jetzt, ein Fischer zu werden. „Ein Fischer“, dachte er, „kann alle Tage auf den klaren Wellen umhergondeln. Er braucht nur das Netz auszuwerfen oder die Angelschnur in das Wasser zu halten, und die Fische fangen sich von selbst.“

So wanderte August zu einem Fischer in die Lehre. Sehr bald indeß verdroß ihn auch diese Beschäftigung. Daß er rudern, steuern, Netze stricken und flicken und oft im Wasser waten müsse, hatte er sich nicht gedacht. Jetzt bat er seinen Vater, ein Koch werden zu dürfen. „Ein Koch kann Tag für Tag etwas Gutes essen und trinken“, meinte er. „Er kann nie vom Hunger geplagt werden. Er steht stets vor dem Feuer und kann nie frieren. Er braucht sich auch nicht sonderlich zu mühen und zu plagen, denn das Essen kocht ja ganz allein.“

Was aber geschah? Schon nach vier Wochen kehrte August klagend und jammernd auch aus dieser Lehre zurück. Jetzt hatte ihm wieder nicht gefallen, daß er Kartoffeln schälen, Möhren schaben, Gurken hobeln, Pfeffer stoßen, Kaffee mahlen, Geflügel rupfen mußte und dergleichen.

Da aber tadelte ihn sein Vater aufs ernstlichste und sagte: „Wenn Du so fortfährst und keine Lasten ertragen lernen willst, wirst Du es zu nichts bringen und Du wirst schließlich zu den Taugenichtsen gezählt werden. Darum gehe jetzt auf der Stelle wieder zu Deinem letzten Lehrherrn, bitte ihn um Verzeihung, lerne arbeiten und gehorchen und die kleinen Unannehmlichkeiten geduldig hinnehmen. Niemals aber vergiß, daß jeder Beruf seine Lust und seine Last mit sich führt.“

[S. 57]

54. Ein Zwist.

(Das Hilfszeitwort.)

Ich bin sehr böse, daß Du in meinem Schränkchen gewesen bist“, sagte Laura zu ihrem Bruder Paul, der etwas naschhaft war. „Ich hatte sechs Aepfel darin und habe nur noch drei Stück. Ich werde auch nicht eher wieder gut werden, bis ich von Dir das Versprechen habe, daß Du mir drei andere schenken werdest. Und das wirst Du doch thun? Wir Schwestern sind nie in Eure Schränke gegangen. Ihr dagegen seid schon oft in den unserigen gewesen.“

„Nun gut“, sagte Paul, „wenn der Onkel seine Obsternte gehalten haben wird und ich bei ihm gewesen sein werde, sollst Du Deine drei Aepfel wieder haben. Ich wurde durch einen plötzlichen Aepfelappetit in Deinen Schrank verleitet. Seitdem ich aber überzeugt worden bin, daß Du das übel genommen hast und böse auf mich bist, thut es mir leid! Also magst Du nur einige Tage Geduld haben und guter Hoffnung sein. Der Verlust soll Dir reichlich ersetzt werden.“

„Ich habe immer Vertrauen zu Dir gehabt“, erwiderte Laura, „und bin von Dir in Bezug auf ein Versprechen noch nie getäuscht worden. Du wirst gewiß auch diesmal ein Mann von Wort sein.“

Die Obsternte hatte stattgefunden. Paul war bei dem Onkel gewesen. Laura wurde befriedigt. Sie konnte mit dem Ausgleiche sehr zufrieden sein, denn ihr Aepfelverlust war dreifach ersetzt worden.

„Nicht wahr“, sagte Paul lachend zu ihr, „nun bist Du nicht mehr böse und wir sind wieder gute Leute?“

„Aller Grimm, den ich in mir gehabt habe“, scherzte Laura „soll für immer getödtet sein. Du hast es ja auch nur zu gut gewußt, lieber Paul, daß ich es gar nicht so böse gemeint haben konnte. Ich würde auch wieder gut gewesen sein, wenn ich die Aepfel nicht ersetzt bekommen hätte.“

[S. 58]

Die Umstandswörter.

55. Die Verirrten.

(Umstandswörter des Ortes.)

Lorenz und Albert waren in den Wald gegangen, um dort Erdbeeren zu suchen. Der Wald lag seitswärts von ihrem Dorfe und zwar hochoben auf einem Bergrücken. Bei dem Erdbeersuchen daselbst aber hatten sich die Knaben verirrt und wußten zuletzt nicht mehr, ob sie rechts oder links, vorwärts oder rückwärts gehen sollten. Nirgends auch stießen sie auf irgend einen Pfad.

Nachdem sie etwa eine Stunde hin und her und auf und nieder geirrt waren, fingen sie an zu rufen. Sie riefen überall hin, aber von keiner Seite kam eine Antwort. Und wieder liefen sie bald hierhin, bald dorthin, nach einem Ausgange suchend.

Schon ging die Sonne unter und Dämmerung sank in den Wald herab. Da wurde den Knaben ernstlich bange. „Westlich“, sagte Lorenz, „dürfen wir unbedingt nicht weiter gehen. Wir müssen uns ostwärts halten. Auch dürfen wir nicht aufs neue aufwärts, sondern müssen abwärts steigen.“

„Weißt Du was“, erwiderte Albert, „laß uns hier, rechts von dieser Felswand, hinabklettern. Ich glaube, dort unten muß unser Thal liegen.“

Lorenz stimmte diesem Vorschlage bei und so kletterten die Knaben den Abhang hinunter. Lorenz, als der Aeltere, stieg voran, Albert dagegen hielt sich mehr hinten.

Der Weg war nicht ungefährlich, denn es rollten sehr oft Steine von oben herab, auch gab es links und rechts kleine Schluchten.

Nach einem halbstündigen Marsche gelangten sie endlich, zu ihrer großen Freude, hinab in ein breites Thal. Hier sahen sie ein Licht von drüben herüberschimmern. Auf dieses Licht steuerten[S. 59] sie zu. Unterwegs stießen sie indeß noch auf ein Hinderniß, auf einen ziemlich breiten Bach. „Hilft nichts“, sagte Lorenz, „hier heißt’s: Hindurch und hinüber! Wenn wir auch unten ein wenig naß werden.“

Bald war das Licht und mit ihm eine Hütte erreicht. Das Licht stand vorn an einem kleinen Fenster. Daneben saß ein alter Waldarbeiter und las in einem Kalender. Er schien mitten in einer schönen Erzählung zu sein.

Die Knaben klopften an. Augenblicklich kam der Alte heraus. Kaum hatte er das Mißgeschick der Knaben vernommen, zündete er eine Laterne an und brachte die Verirrten eine Stunde weit das Thal dahin in ihr Vaterdorf zurück.

56. Ein Brief.

(Umstandswörter der Zeit.)

Liebe Susanne!

Erst neulich hast Du mir versprochen, daß Du mich nächstens besuchen wollest. Heute aber sind nun schon fünf Tage vergangen und immer noch erwarte ich Deine Ankunft vergeblich. Viertelstundenlang habe ich gestern und auch heute früh nach Dir ausgeschaut, aber wer nicht kam, war meine liebe Susanne.

Da Du nun stets Wort gehalten hast, fange ich bereits an, zu fürchten, daß Du unwohl geworden sein könnest. Sei doch so gut und schreibe mir sofort, ob Du krank bist, oder was Dich sonst gestern und vorgestern und noch früher von Deinem Besuche abgehalten hat. Wenn Du Dich sogleich hinsetzest — und wäre es auch abends noch — und mir antwortest, kann Dein lieber Brief spätestens morgen zehn Uhr in meinen Händen sein.

Jetzt laß Dir nun noch in aller Eile erzählen, was sich, seit wir uns das letzte Mal trafen, zugetragen.

Denke Dir nur, Nachbars Lenchen, die sonst immer so gesund[S. 60] aussah, liegt schon seit vorvorgestern hart darnieder. Sie klagt fortwährend über Kopfschmerzen und fiebert unaufhörlich. Erst seit heute hat sich etwas Schlaf eingestellt. Die Eltern haben natürlich sehr bald einen Arzt gerufen. Dieser hat die Kranke augenblicklich untersucht und verordnet, daß sie täglich zwei Stunden ununterbrochen schwitzen muß. Leider aber hat er auch gleich sagen müssen, daß der Krankheitszustand nicht blos noch tage-, sondern noch wochenlang anhalten könne.

Das arme Lenchen! Weißt Du noch, wie wir unlängst zusammen in der Laube saßen und spielten? Damals ahnte sie noch nicht, daß sie gegenwärtig werde das Bett hüten müssen. Möge ihr der liebe Gott recht bald die verlorene Gesundheit wiederschenken!

In der Hoffnung, umgehende Antwort von Dir zu erhalten begrüßt Dich aufs herzlichste

Deine
Dir ewig getreue
Natalie.

57. Der tolle Reiter.

(Umstandswörter der Zeit.)

Der junge Baron von Sydlow galt als ein sehr kühner Reiter. Die armen Pferde hatten es freilich nicht zum besten bei ihm. Dasjenige, welches er eben geritten hatte, rauchte gewöhnlich, wie ein Backofen. Selten ritt er blosen Schritt. Zuweilen fegte er dermaßen die Straßen entlang, daß Kies und Funken stoben. Oft sah man dann vor Staub weder Pferd noch Reiter. Manchmal schon waren Menschen in Gefahr gekommen, von ihm überritten zu werden. Oefters auch war er schon gestürzt, ohne indeß erheblichen Schaden zu nehmen.

Der Baron wurde von seinen Freunden wiederholt vor diesem gar zu tollen Reiten gewarnt. Sie sagten, es könne doch einmal schlimm ablaufen. Darauf aber erwiderte er jedesmal:[S. 61] „Mir kann nichts passiren. Selbst wenn mein Pferd einmal stürzt, komme ich allemal auf meine Beine zu stehen.“

Allein der Krug geht insgemein so lange zu Wasser, bis der Henkel bricht.

Der Baron ritt regelmäßig jeden Morgen um neun Uhr aus und traf niemals später als um elf Uhr wieder in seinem Schlosse ein. Eines Morgens sprengte er auch wieder zum Thore hinaus, aber — um nimmer wiederzukommen.

Von elf Uhr an erwartete man seine Heimkehr stündlich. Er aber kam nicht. Da endlich brachte eine alte Botenfrau, die täglich auf dem Schlosse verkehrte und den jungen Herrn schon jahrelang kannte, die Nachricht, daß er sammt seinem Pferde in einem tiefen Steinbruche läge. Roß und Reiter aber seien todt.

Man eilte sogleich hin an den Ort und fand die Hiobspost vollkommen bestätigt. Wie der Baron mit seinem Pferde in den Steinbruch gerathen war, konnte nicht ermittelt werden.

An der Stelle, wo das Unglück geschehen war, wurde ein Kreuz errichtet und dieses traurige Denkmal alljährlich am Todestage des tollen Reiters frisch bekränzt.

58. Am Bache.

(Umstandswörter der Weise.)

Eines Tages ging ein Großvater mit seinem Enkel gemüthlich im Walde spazieren. Indem sie so langsam dahin gingen, kamen sie an einen Bach. Seine Wellen plätscherten lustig dahin. Die kleinen, silbernen Schaumperlen drängten unaufhaltsam vorwärts. Ebenso eilig rollten Hunderte von Sandkörnchen auf dem klaren Grunde dahin.

Vor diesem Bache blieb der Großvater plötzlich stehen. „Sieh Dir dieses Wässerchen einmal recht genau an“, sagte er hierauf bedächtig zu seinem Enkel. „Es redet gar ernst zu Dir! Es predigt Dir nachdrücklich eine wichtige Lehre.“

[S. 62]

Der Knabe sah dem Wellenspiele eine Weile unverwandt zu und sagte dann wie verwundert: „Was meinst Du damit, Großpapa?“

„Sieh, mein Kind“, erwiderte dieser feierlich, „wie diese Wellen schnell dahinfließen, so rastlos flieht die Zeit, so eilig geht unser Leben dahin. Ist es doch, als treibe ein Tropfen den andern. Ebenso drängt mächtig eine Stunde die andere. Umsonst suchst Du hier ein Tröpfchen, das noch einmal umkehre. Vergebens flehst Du eine Stunde Deines Lebens zurück. Stracks eilt hier jeder Tropfen dem großen Oceane zu. Gerade so eilen unsere Tage in das Meer der Ewigkeit.

Ob wir fromm und weise leben, oder anders: unser Weg geht schnurgerade nach dem Grabe. Tausende kommen unerwartet dort an und blicken dann oft reuevoll auf ihre Vergangenheit zurück. Darum hüte Dich fein, mein lieber Sohn, daß es Dir nicht auch einmal also ergehe.“

59. Der Geizhals.

(Umstandswörter der Stärke.)

Der Bauer Murmel war überaus geizig. Er aß sich kaum satt. Er trank nie ein Glas Bier, wie andere Bauern, sondern nur Wasser. Ein Rock mußte bei ihm mindestens zwanzig Jahre halten. Er arbeitete von früh bis abends fast ununterbrochen. Dabei strengte er sich oft dermaßen an, daß er plötzlich entkräftet zusammensank.

Höchst selten schlief er länger als vier Stunden. Sehr oft sah man ihn sogar noch vor Sonnenaufgang wieder auf dem Felde arbeiten. Des Sonntags an eine kleine Erholung zu denken, davon war er weit entfernt. Er sah es sogar nie gern, wenn ihn an diesem Tage irgend ein Freund besuchte. In die Kirche ging er gar nie. Das kostete ihn zu viel Zeit. Von ihm auch nur eine kleine milde Gabe zu erlangen, hielt außerordentlich[S. 63] schwer. Selbst die gesetzlichen Steuern zu zahlen, wurde ihm unsäglich sauer.

Seine Dienstboten hatten es unerhört schlecht bei ihm. Ihre Kost war unbeschreiblich mager und kärglich. Und dabei nun Lust und Liebe zur Arbeit zu zeigen, war doch am Ende zu viel verlangt. Uebrigens behandelte er sie beinahe wie Sklaven. Kein Wunder daher, daß er wenigstens alle Vierteljahre neue Leute hatte.

Auf diese Weise scharrte Murmel freilich schrecklich viel Geld zusammen. Die ärmeren Leute des Ortes hielten ihn sogar für unmenschlich reich. Was aber half ihm all sein Reichthum? Der Tod klopfte doch eines Tages unerbittlich auch an seine Thür. Daß aber der Geizhals nun von seinen Schätzen Abschied nehmen sollte, machte ihm die Sterbestunde ungeheuer schwer. Er kämpfte entsetzlich. Der Tod aber schloß ihm endlich erbarmungslos die Augen und bald darauf theilten sich seine Erben höchlichst vergnügt in seine Güter.

60. Die Landbewohner.

(Umstandswörter der Aussageweise.)

„Es ist durchaus unrecht“, sagte eines Tages Vater Wolfram zu seinen Kindern, „daß manche Städter die gewöhnlichen Landleute mißachten. Diese haben freilich keine hohe Schule besuchen können. Sie sprechen kein regelrechtes Deutsch. Sie gehen nicht in Sammt und Seide einher. Sie kleiden sich überhaupt keineswegs stets nach der neuesten Mode. Sicher aber sind sie trotzdem ganz ehrbare Leute.

Es finden sich wohl unter den Landbewohnern zuweilen rohe Naturen. Aber sind dergleichen etwa innerhalb der Stadt vergeblich zu suchen? Vielleicht trifft man gerade in den Städten oft mehr Ungeschliffenheit unter dem niederen Volke, als auf dem Lande. Jedenfalls darf sich keine Stadt rühmen, lauter[S. 64] anständige Bewohner zu zählen. Wir Städter würden es sicherlich bitter empfinden, wenn die Landleute uns einmal ihre Dienste versagen wollten. Wer Vorrath an Lebensmitteln hätte, könnte es allenfalls einige Wochen mit ansehen. Die Anderen aber würden wahrscheinlich sehr bald flehentlich bitten: Kommt wieder, Ihr lieben Bauern und bringt uns Brod, wir müssen ja sonst verhungern!

Darum, Kinder, fragt Euch, ob Ihr vielleicht auch einmal verächtlich auf jene Leute hingeblickt habt. Und wäre es ja der Fall gewesen, so dürfte das schlechterdings nicht wieder vorkommen.

Möglicherweise gehe ich in nächster Zeit mit Euch einige Tage auf das Land, dann werdet Ihr Euch gewiß selbst überzeugen, daß die Landbewohner wirklich allermeist kreuzbrave Leute sind, die unbedingt unsere Achtung verdienen. Wer freilich stolz auf sie herabblickt, dem begegnen sie allerdings nicht selten mit Mißtrauen.

Werdet Ihr sie bei ihrer schweren Arbeit auf dem Felde sehen, denkt Ihr gewiß bei Euch: Nein, um dieses Loos sind sie wahrlich nicht zu beneiden! Und doch, Kinder, hört man sie fast nie klagen, daß sie so recht im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod essen müssen.“

61. Die Staare.

(Umstandswörter der Frage.)

Was sind denn das für Kästchen, die dort auf den Bäumen hängen?“ fragte der kleine sechsjährige Gustav seinen Vater, mit dem er eben an einem Garten vorüberging.

„Das sind Staarmästen, mein Sohn“, sagte der Vater.

Wozu sind denn diese Staarmästen da, Papa?“

„Damit die Staare ihre Nester hineinbauen können.“

Wovon bauen denn die Staare ihre Nester?“

[S. 65]

„Meist aus Stroh, Heu und Moos.“

„Aber womit bauen sie denn? Sie haben ja keine Werkzeuge, wie Du, Papa, wenn Du einmal etwas baust?“

„Sie bauen mit ihrem Schnabel und mit ihren Füßen.“

„Wo sind denn aber jetzt die Staare? Man sieht ja keinen?“

„Sie sind zur Zeit noch nicht von ihrer Reise zurück, lieber Gustav.“

„Wohin sind sie denn gereist?“

„Nach wärmeren Ländern, weil es ihnen bei uns zu kalt wurde.“

„Wann reisten sie denn ab?“

„Sie reisen stets mit Eintritt des Herbstes von uns fort, weil es ihnen eben bei uns zu kalt wird.“

„Wie finden sie denn aber den Weg hin und zurück?“

„Den zeigt ihnen der liebe Gott, mein Sohn.“

„Ob sie denn nun bald wiederkommen?“

„Es kann nicht lange mehr dauern.“

„Woher weißt Du denn das?“

„Weil der Februar bald zu Ende geht und Anfang März kehren sie gewöhnlich zurück.“

„Aber, sage mir, Papa, weshalb bauen denn die Staare ihre Nester nicht zwischen die Aeste, wie andere Vögel?“

„Ganz einfach. Weil sie die geschützten Räume lieben.“

„Und warum hängt man denn nicht auch für die Finken und Zeisige solche Mästen auf?“

„Weil diese Vögel es vorziehen, ihre Nester frei zwischen die Zweige zu bauen.“

„Wieviel Eier legt denn ein Staar?“

„Vier bis sechs Stück und das jährlich zwei- bis dreimal.“

„Papa, da fällt mir eben ein, daß einmal unsere Köchin sagte, man könne die jungen Staare essen, aber man dürfe es nicht. Weswegen denn?“

[S. 66]

„Weil die Staare sehr viel Ungeziefer vertilgen und deshalb sehr nützlich werden.“

„Papa, sieh, sieh! Dort setzte sich eben ein schwarzer Vogel auf den Baum. Nicht wahr, das ist ein Staar?“

„I bewahre, Gustav.“

„Wofür hältst Du ihn denn?“

„Es ist eine Amsel.“

62. Eine Wanderschaft.

(Wiederholung der Umstandswörter.)

Hans, der noch sehr jung, aber schon ziemlich leichtsinnig war, ging eines Tages gänzlich unerwartet auf die Wanderschaft. Wo er eigentlich hin wollte, wußte er nicht. Ob ihn sein Wanderstab hierhin oder dorthin führen werde, war ihm ganz gleich. Er meinte immer, es sei überall viel zu sehen und man dürfe sich deshalb auch nirgends zu lange aufhalten. Trotzdem aber saß er zuweilen stundenlang auf einem Berge und stierte träumerisch in die Welt hinein. Bald sah er links, bald rechts, bald vorwärts, bald rückwärts.

Nur selten nahm er Arbeit an. Hatte er einmal kein Geld mehr, schrieb er schleunigst heim an seine Mutter und flugs kamen wieder einige Kassenscheine angewandert. „Heisa!“ jubelte er nun da gewöhnlich, „jetzt habe ich wieder Geld! Jetzt frisch und fröhlich weiter!“

So durchwanderte er sorgenlos, aber eigentlich auch zwecklos Städte und Länder und war jederzeit wohlgemuth. An den wirklichen Zweck des Wanderns dachte er selten und nie ernstlich. „Heute hier, morgen dort und immer lustig und gut leben“ war sein Wahlspruch.

Fünf Jahre war er jetzt bereits auf Reisen. Sein Aeußeres hatte sich in dieser Zeit merklich verändert. Ein starker Bart bedeckte über und über sein Gesicht. Das blühende, zarte Roth[S. 67] war längst von den Wangen gewichen. Sie hatten sich tief gebräunt. Sein Körper war hoch aufgeschossen und hatte sich kräftig entwickelt. Seine früher dünne Stimme klang jetzt tief, voll und männlich.

Da beschloß Hans endlich, wieder heimzukehren. Und mit der Ausführung dieses Entschlusses zögerte er auch keineswegs lange. Als ihn wenige Tage darauf einmal der Regen tüchtig durchpeitschte, kehrte er plötzlich um und nahm seinen Weg schnurstracks nach Hause.

„Ob man mich denn daheim wiedererkennen wird, oder nicht?“ dachte er still für sich.

Er reiste jetzt außerordentlich schnell. Nirgends rastete er lange. Er gönnte sich kaum Zeit, gehörig auszuschlafen. Bald war die Heimat erreicht. Langsam schritt er jetzt sein Vaterdorf entlang. Die Leute gingen stumm und gleichgiltig an ihm vorüber. Niemand erkannte ihn, sogar seine Schwester nicht. Kaum aber erblickte ihn seine Mutter, die zufällig unter der Hausthür stand, rief sie ihn sogleich bei seinem Namen und fiel ihm gerührt und weinend um den Hals.

Was aber hatte dem Hans die lange Wanderschaft wirklich genützt? Nichts, wenigstens nicht viel. Er hatte nur gesehen, hatte blos gut gegessen und getrunken, aber blutwenig gelernt.

Das Verhältnißwort.

63. Das Vaterhaus.

(Verhältnißwörter des Ortes.)

Ach wie gern, schrieb ein siebzigjähriger Greis, denke ich noch heute an mein liebes Vaterhaus zurück! Es war eigentlich nur eine Hütte und stand dicht an einem Felsen in dem schönen Lande Tyrol. Auf ihrem niederen Moosdache blühten niedliche Waldblümchen. Ach, unter ihnen habe ich manch schönen Knabentraum[S. 68] geträumt! Hinter den schmalen Fenstern standen im Sommer stets Sträußchen Alpenrosen und Edelweiß. Neben der Hausthür kletterte wilder Epheu an der Wand empor. Ueber der Thür war ein Muttergottesbild gemalt. Noch sehe ich, wie lieb die fromme Maria auf uns Kinder herniederschaute!

Vor der Hütte rann ein frischer Waldbach murmelnd dahin. Zwischen ihm und dem Häuschen lag ein kleines Gärtchen, das uns Salat, Möhren und Rüben in die Küche lieferte. Oberhalb des Gärtchens führte ein schmaler Steg über das Wässerchen. Jenseits desselben beschattete niederes Gebüsch die Silberwellen und diesseits desselben zog sich eine blumenreiche Wiese hin.

Wie oft habe ich an diesem Bächlein gesessen, wenn über ihm die Mücken spielten und innerhalb seiner Tümpel die Schmerlen hin- und herhuschten.

Unterhalb unserer kleinen Besitzung hatte mein Vater ein kleines Wehr erbaut. Vor demselben staute natürlich das Wasser und so hatten wir zur heißen Sommerzeit ein kühlendes Bad. Welche Lust in dem frischen Wasser! Wie Frösche hüpften wir in die klare Tiefe, wie Fische tauchten wir unter das Wasser, wie kleine Wassernixe tanzten wir dann wieder längs des Ufers hin. Kein Wunder, daß wir des Tages mehr als einmal zu dem erquickenden Plätzchen eilten.

Aber auch außerhalb des engen Kreises unserer Häuslichkeit gab es für uns Kinder viel Lust. Wie herrlich war es, wenn wir unsere zwei Geisen hinter die Felsen an den stillen Schwummersee führen konnten! Während sie nach den saftigen Kräutern gingen, legten wir uns zwischen schattiges Gebüsch oder hinter einen Felsblock. Hatten sich die Geisen gesättigt, streckten auch sie sich zuweilen neben uns hin.

Läutete dann das Abendglöcklein von der Dorfkapelle, ertönte kein Laut mehr aus den Zweigen, zogen wir heimwärts, singend und jodelnd bis vor unsere Hütte.

[S. 69]

O schöne, süße, goldene Jugendzeit im geliebten Vaterhause!

64. Vor Paris.

(Verhältnißwörter der Zeit.)

Während der Belagerung stand ein deutscher Soldat auf Vorposten. Er war erst vor zwei Tagen aus dem Lazarethe entlassen worden und noch etwas schwach. Seit dem frühen Morgen schon quälte ihn der Hunger. Aber unter zwei Stunden durfte er den Brodbeutel noch nicht öffnen. Binnen dieser Zeit mußte er seine Augen streng auf die feindlichen Wälle gerichtet halten.

Da trat eine arme Mutter mit drei todtenblassen Kindern an ihn heran und flehte um einen Bissen Brod. Sie habe, erzählte sie, schon vor dem letzten Ausfalle Paris verlassen und irre bereits seit drei Tagen umher. Während dieser Zeit aber hätten sie und ihre Kinder noch keinen Bissen zu essen gehabt.

Nach kurzem Besinnen griff der brave Soldat in seinen Beutel und reichte den Aermsten all sein Brod. „Hier, eßt“, sagte er. „Habe ich auch bereits bei acht Stunden Hunger gelitten, ich halte es noch aus, Ihr aber würdet binnen vierundzwanzig Stunden dem Hungertode erlegen sein.“

65. Die Rückkehr der Helden.

(Verhältnißwörter der Weise.)

Unter dem Geläute der Glocken zogen die rückkehrenden Krieger in die Residenz ein. Mit Sang und Klang marschirten sie die reichgeschmückten Straßen dahin. Die Reihenfolge der verschiedenen Truppen war nach dem Befehle des Feldmarschalls bestimmt worden.

Ohne Heuchelei wurden die Helden von allen Seiten aufs herzlichste begrüßt. Sie sahen, wider alles Erwarten, frisch und[S. 70] munter aus, obgleich viele von ihnen heute schon mehrere Stunden bei heißem Sonnenbrande marschirt waren. Selbst dem Feldmarschall, der sammt seinem Stabe die Spitze bildete, schien dieser wahrhaft begeisterte Empfang gegen alle Voraussetzung zu sein.

Mit Blumen reich geschmückt langten endlich die Soldaten in ihren Quartieren an, wo sie unter warmen Händedrücken empfangen wurden und sich nun meist bei einer Flasche Wein gütlich thun konnten. Da trank denn auch mancher alte Papa heute fast wider seinen Willen und gegen seine Gewohnheit ein Gläschen mehr mit dem glücklich heimgekehrten Sohne.

Freilich verlief das schöne Fest auch in mancher Familie nicht ohne bittere Thränen. Zuweilen den einzigen Sohn, ein Kind nach aller Herzen, hatte die feindliche Kugel durchbohrt. Er kehrte sammt vielen Tausenden nie mehr heim!

66. Joachim.

(Verhältnißwörter des Grundes.)

Der erst zwanzigjährige Joachim stand wegen eines Raubanfalls vor Gericht. Laut Aussage seines Vaters hatte er sich als Knabe sehr naschhaft gezeigt. Der Ordnung gemäß wurde auch sein ehemaliger Lehrer über seine Aufführung als Schüler befragt. Zufolge dieses Schulzeugnisses hatte es Joachim im Bezug auf Ehrlichkeit nie recht genau genommen. Um eines lumpigen Schiefers willen, den er doch für einen Pfennig haben konnte, war er sogar einmal vermittelst eines Nagels in seines Nachbars Schränkchen eingebrochen.

„Vermöge seiner Geistesanlagen“, schloß des Lehrers Zeugniß, „hätte Joachim etwas Tüchtiges lernen können. Aus purem Leichtsinn aber blieb er hinter allen seinen Mitschülern zurück. Kraft eines Lehrerconferenz-Beschlusses mußte er deshalb einmal vier Wochen lang auf der Strafbank sitzen.“

[S. 71]

Den Raubanfall hatte Joachim mehr aus Rache, als um des Raubes willen ausgeführt. Laut seiner Auslassungen sollte ihn der Angefallene einmal infolge eines Kirschendiebstahls grausam durchgeprügelt haben. Auch habe er ihn wegen eines kleinen Schimpfwortes einmal tüchtig an den Haaren gezaust. Daß er ihn mittels eines dicken Stockes auf den Kopf geschlagen habe, zufolge dessen der Mann niedergestürzt sei, leugnete Joachim. Er habe, sagte er, ihm blos mit der Hand einen Stoß versetzt und es wäre wohl möglich, daß er infolge dieses Stoßes hingefallen sei.

Dem Urtheile der Richter gemäß wurde Joachim für schuldig erkannt und erhielt für seine That, kraft des Strafgesetzbuches, fünf Jahre Zuchthaus.

67. Die Mühle.

(Wiederholung aller Arten Verhältnißwörter.)

In einem düsteren Waldgrunde stand seit langer Zeit eine Mühle. Sie lehnte mit ihrer Rückseite an einem kleinen Hügel. Eine alte Linde breitete ihre schattigen Aeste über sie hin. Vor der Mühle lag ein kleines Blumengärtchen. Oberhalb derselben, mehr nach einem Felsen zu, erblickte man zwischen Gebüsch einen Teich, aus dem sich ein Bächlein unter dumpfem Gemurmel hervorschlängelte. Es eilte in raschem Laufe auf die Mühle zu. Dort stürzte sich sein Wasser mit ziemlichem Geräusche über das Mühlrad und setzte dieses, vermöge seiner Schwere, in Bewegung.

Das Mühlrad klapperte ohne Ruh und Rast bei Tag und Nacht. Nur am Sonntage, um der Sabbathfeier willen, stand es still. Laut einer Verordnung hätte sonst der Müller vor Gericht Strafe zahlen müssen.

Viele Stunden im Umkreise gab es kein Haus. Des Müllers Kinder waren ohne alle Kameraden. Selten traten sie aus[S. 72] dem Thale hinaus. Die Blumen am Bachrande waren ihre Bilder, die Fischlein im Wasser und die Käfer auf und unter den Blumen ihre Gespielen, die Vöglein innerhalb des Thales ihre Singlehrer.

Im Winter kamen sie selten aus der Stube. Sie nähten dann Säcke aus grober Leinwand für ihren Vater. So führten sie während des Sommers und Winters ein einsames Leben. Und doch hingen sie mit ganzem Herzen an ihrem Vaterhause und hätten um keinen Preis dasselbe mit einem andern vertauscht.

Als der Müller eines Tages von dem Nachbardorfe kam und sagte, er könne jetzt die Mühle für ein gutes Geld verkaufen, stellten sich alle Kinder um ihn her, faßten ihn an der Hand und baten unter Thränen, er solle doch das nicht thun. Sie würden, wenn sie aus der Mühle fortmüßten und außerhalb des stillen Thales leben sollten, unglücklich sein.

Diesen dringenden Bitten zufolge versprach auch der Müller, die Mühle zu behalten. „Nein“, sagte er nach kurzem Besinnen, „ich will nicht gegen Eure Wünsche handeln, aus purer Liebe zu Euch. Wegen eines irdischen Gewinnes soll Euer Glück nicht gestört werden.“

Das Bindewort.

68. Ungleiche Brüder.

(Zusammenstellende Bindewörter.)

Melchior und Sebastian waren Brüder. Melchior beschäftigte sich mit Allerhand, was ihm gut lohnte. Er besserte Körbe aus, auch flocht er zuweilen neue. Zudem strich er Fenster- und Thürstöcke, außerdem auch Möbel an. Ueberdies half er im Sommer nicht selten in der Ernte. Schließlich schämte er sich auch nicht, einmal sogar den Dreschflegel in die Hand zu nehmen.[S. 73] Wo er arbeitete, war man sowohl mit seinem Fleiße als auch mit seiner Geschicklichkeit zufrieden. Weder Wind noch Wetter konnten ihn abhalten, einmal übernommene Dienste auszuführen.

Melchior war aber nicht blos fleißig und geschickt, sondern auch sparsam. Als er etwa vierzig Jahre zählte, kaufte er sich erstens ein kleines Haus, zweitens etwas Feld, drittens eine Ziege und endlich gar eine Kuh. Hierauf heirathete er ein sehr braves Mädchen aus seinem Orte, mit dem er alsdann seine kleine Oekonomie bewirthschaftete, ferner ein Gemüsegeschäft anlegte und auch noch nebenbei Federviehhandel trieb.

Ganz anders verhielt und zeigte sich sein Bruder Sebastian. Er dachte weder an das Sparen, noch an das Arbeiten. Er trieb sich tagediebisch umher, zudem liebte er das Kartenspiel und trank überdies oft über den Durst. Auch in Bezug auf die Ehrlichkeit wollte ihm Niemand so recht trauen.

Kein Wunder, daß Sebastian nicht nur alle Achtung verlor, sondern auch oft kein Brod hatte. Sowohl seine Nachbarn als auch sein Bruder warnten ihn. Außerdem bemühte sich sogar die Ortsgemeinde, ihn zu bessern. Man trug ihm zunächst lohnende Beschäftigung, sodann eine Hausknechtsstelle in einem Gasthofe an, ferner einen Posten auf dem Bahnhofe; schließlich wollte man ihm sogar Geld zu einem kleinen Kohlenhandel vorschießen. Sebastian mochte von alledem nichts wissen und nichts hören. Natürlich blieben die Folgen davon nicht aus. Bald versetzte er sein letztes Hemde, führte dann allerlei Betrügereien aus, vergriff sich hierauf an fremdem Eigenthume, trieb sich alsdann mit einer Zigeunerbande in den Wäldern umher und wurde endlich als Räuber eingefangen.

Er wurde verhört, alsdann verurtheilt und hierauf auf viele Jahre in einer Strafanstalt untergebracht. Schließlich,[S. 74] nach langen Jahren, klopfte er eines Tages an Melchior’s Thür als bettelnder Greis.

69. Die goldene Freiheit.

(Entgegenstellende Bindewörter.)

An einem Fenster hing ein großes, geräumiges Gebauer, in welchem ein Rothkelchen auf und nieder hüpfte. Es sang zwar fleißig, aber keineswegs so hell, wie einst draußen im grünen Walde. Es hatte das beste Futter, dennoch dachte es immer und immer an die fetten Würmchen draußen unter dem Moose. Es bekam jeden Tag zweimal frisches Wasser, gleichwohl konnte es die frischen, klaren Waldbächlein nicht vergessen. Wol grüßte die liebe Sonne freundlich zum Fenster herein, allein diese wohlthuenden Strahlen schienen das Rothkelchen nur immer noch düsterer zu stimmen.

Hermann bemerkte nur zu wohl die trübe Stimmung des Thierchens, doch ihn rührte es nicht. Zwar liebte er selbst die goldene Freiheit außerordentlich, gleichwohl konnte er sie hartherzig dem Rothkelchen versagen.

Als er im Herbste das Vöglein nach Hause brachte, hatte ihm sein Vater gesagt: „Gut, Du magst es den Winter über behalten, aber zum nächsten Frühjahre mußt Du es wieder fliegen lassen. Nun thue, was Du willst. Entweder sperre es gar nicht erst ein, oder versprich, ihm dann die Freiheit wieder zu schenken.“

Hermann hatte Letzteres zugesagt. Allein jetzt, als der Frühling da war, dachte er nicht mehr daran. Er kannte nicht nur kein Mitleid, sondern meinte sogar, das Thierchen könne es nirgends besser haben, als bei ihm. „Ein Vögelchen im Käfige zu halten“, sagte er einmal, „kann kein Unrecht sein, nur muß man es gut pflegen.“

[S. 75]

Sein Vater indessen dachte anders. „Gut essen und trinken“, sagte er, „ist viel werth, nichtsdestoweniger möchte ich dabei in einem Kerker stecken. Fesseln und schmale Kost drücken den Verbrecher sehr, der Verlust der Freiheit dagegen drückt ihn am empfindlichsten.“

Der Frühling schritt inzwischen immer tiefer in das Land, Hermann jedoch machte keine Anstalt, seinem Gefangenen den Kerker zu öffnen. Er fürchtete auch keineswegs den Unwillen seines Vaters, sondern glaubte, derselbe wolle jetzt selbst, daß das Vöglein im Käfige bleiben solle. Wie sehr aber erschrak er, als er denselben eines Tages leer fand. Hermann weinte, das Vöglein indessen jubelte bereits längst draußen im Walde ob der neugeschenkten goldenen Freiheit.

70. Amerika.

(Begründende Bindewörter.)

„Warum wandern denn eigentlich so viele Menschen nach Amerika aus?“ fragte Ludwig seinen Vater.

„Ganz einfach“, erwiderte dieser, „weil Viele glauben, dort ihr Glück zu machen. Viele täuschen sich freilich auch, denn es ist nicht alles Gold, was glänzt. Amerika bezahlt zum Beispiel die Arbeit weit besser als Deutschland, deshalb aber wird noch lange nicht jeder Arbeiter reich. Er muß dafür auch seinen Lebensunterhalt theuer erkaufen, und sonach gleichen sich Einnahme und Ausgabe wieder aus. Amerika gestattet dem Volke in mancher Hinsicht mehr Freiheit als Europa, daher aber erlauben sich dort auch Einzelne aus dem Volke manche Gewaltthaten. Amerika ist der Zufluchtsort von unzähligen Taugenichtsen, Betrügern und Dieben, deswegen kommen dort verhältnißmäßig mehr Verbrecher vor, als bei uns. Amerika besitzt unermeßliche Ländereien, demnach ist für wenig Geld ein[S. 76] bedeutender Grundbesitz zu erwerben. Diese Länderstrecken aber sind mit Urwald bedeckt und müssen mithin erst urbar gemacht werden. Dergleichen Arbeit ist indeß äußerst mühsam und anstrengend und darum verlieren Viele die Lust, lassen die Hände sinken und gerathen somit in Noth und Elend.

Es sei damit nicht gesagt, lieber Ludwig, daß in der neuen Welt Niemand auf einen grünen Zweig kommen könne, denn eine große Zahl Eingewanderter hat ihr Glück gefunden. Falsch aber ist es, zu denken: Diese sind reich und glücklich geworden, folglich muß ich es auch werden und also gehe ich hinüber.“

„Du würdest sonach Niemandem rathen, nach Amerika auszuwandern?“ sagte Ludwig hierauf.

„Das habe ich deshalb noch nicht gesagt“, erwiderte der Vater. „Wer nach Amerika geht, muß arbeiten wollen, weil der Faule dort in der Regel zu Grunde geht. Folglich würde ich allerdings zu einem Arbeitsscheuen sagen: Bleibe Du hier, da Du den Schweiß des Angesichts nicht gut vertragen kannst. Ebenso würde ich zu einem, der hier in guten Verhältnissen lebt, sagen: Du hast, was Dein Herz wünscht, darum bleibe im Lande und nähre Dich redlich. Einem jungen Manne aber, der brav und strebsam ist, es aber hier zu nichts bringen kann, werde ich stets sagen: Gut, Du wirst drüben die Hände nicht müßig in den Schooß legen und somit vorwärts kommen, mithin gehe!

Verstehe mich also nicht falsch, lieber Ludwig. Ich meine durchaus nicht, weil Viele dort drüben ein trauriges Loos ziehen, daher dürfe Niemand mehr nach Amerika auswandern. Wohl aber bin ich, wie schon gesagt, gegen den Glauben, der da spricht: Hinz und Kunz sind da drüben Millionäre geworden, demnach kann mir es auch nicht fehlen.

Die neue Welt jenseits des Oceans ist eine gar eigene[S. 77] und deswegen muß die Uebersiedelung dahin wohl überlegt werden.“

71. Treue Freundschaft.

(Wiederholung der Bindewörter.)

Paul und Robert waren zwei gute Freunde. Beide jedoch besaßen eine sehr verschiedene Bildung. Das konnte aber auch nicht anders sein, denn jeder hatte eine andere Erziehung genossen.

Paul gehörte reichen, Robert dagegen armen Eltern an. Paul genoß daher viel Schulunterricht. Er sprach nicht nur französisch, sondern auch englisch. Er lernte reiten, auch fechten und schwimmen. Er bewegte sich überdies stets unter vornehmen Leuten und besaß ferner eine gute Bibliothek. Zudem ging er auch mit seinen Eltern öfters auf Reisen. Somit war ihm Alles geboten, was Bildung schafft.

Robert dagegen besuchte nur eine einfache Dorfschule. Hier gab es wohl einen guten Lehrer, allein nicht viel Schulzeit. Zwar strengte sich Robert sehr an, aber seine Kenntnisse blieben doch sehr dürftig. Gleichwohl gehörte er zu den besten Schülern des Ortes. Deswegen wurde er auch von seinem Lehrer, sowie von seinen Mitschülern sehr geachtet. Und deshalb verging kein Examen, an welchem er nicht entweder eine Prämie oder sonst eine Auszeichnung erhielt.

Paul blieb das nicht unbekannt und daher erwählte er Robert zu seinem Freunde. Weder Robert’s Armuth, noch seine geringe Bildung waren ihm ein Anstoß. Paul liebte ihn, weil er ein ebenso fleißiger als gesitteter Knabe war. Und Paul hat diese Wahl nie bereut, denn Robert hing so treu an ihm, daß er sein Leben hätte für ihn lassen können.

Paul kam zwar später aus dem Elternhause fort, aber die Entfernung trennt ja wahre Freundschaft nicht, da diese im[S. 78] Herzen wohnt. Paul und Robert schrieben sich oft; infolge dessen konnte keine Entfremdung eintreten. Ja, sie blieben treue Freunde bis zum Tode.

Das Empfindungswort.

72. Ein Spaziergang.

Arthur und Emilie gingen an einem Waldrande spazieren. „Ei!“ rief Arthur plötzlich aus, indem er sich bückte, „ein Graspferd! ein Graspferd!“

Pfui!“ erwiderte Emilie, „das häßliche Thier!“

Ei, ei! Emilie“, tadelte Arthur, „so darf man nicht sagen. O, auch die Graspferde sind schön in ihrer Art. Hopp! hopp! Sieh nur, was es für große Sätze machen kann! O weh! Jetzt hüpfte es in einen Wassergraben! Ach, das arme Thier! Es wird ertrinken müssen! Ist es mir doch, als riefe es mir zu Hilfe! Hilfe! — Ha! ich muß sein Retter werden!“

Arthur langte in den Graben hinab und packte das Thier an. In demselben Augenblicke aber schrie er auch: „Au! au!“ und ließ es auf die Erde fallen.

„Was schreist Du denn so?“ fragte Emilie schnell.

„Abscheulich!“ versetzte Arthur. „Das Heupferd hat mich in den Finger gezwickt.“

„Hahaha!“ lachte da Emilie hell auf. „Aetsch! Nun hast Du doch etwas von Deinem allerliebsten Thierchen!“

„Ssssst! Schwesterchen“, entgegnete Arthur, mit dem Finger drohend, „nicht schadenfroh sein!“

Beide Geschwister gingen jetzt weiter. Bald darauf vernahmen sie hinter sich her die Rufe: „Heda! Bst! Bst!“ Als sie sich umsahen, erblickten sie vier bekannte Knaben, die an dem Spaziergange theilnehmen wollten.

[S. 79]

„Hurrah!“ rief Arthur begeistert aus, „nun wird es hübsch! Jetzt können wir Soldaten spielen.“

„Und ich?“ fragte Emilie bedeutungsvoll.

„Hm!“ erwiderte Arthur nachdenklich. „Nun ja, das hatte ich mir freilich nicht überlegt, daß Du Dich auf das Exerciren nicht verstehst. Also rrrr! ein anderes Spiel!“

Nachdem die Kinderschaar Haschekater, Blindekuh u. dergl. m. gespielt hatte, trat sie den Heimweg an. Eben überschritten die Kinder eine Stoppel. Da auf einmal ging’s „brrr!“ und ein Volk Rebhühner flog vor ihnen auf.

„Hoho! Bin ich doch erschrocken!“ versetzte einer der Knaben. Arthur aber sagte: „Ei, hätten wir doch jetzt Flinten! Da sollte es aber gehen: Piff, paff! puff! und kein einziges Rebhuhn dürfte davonkommen. Heisa! wie würden sich unsere Mütter freuen, wenn wir solche Braten mit nach Hause brächten!“

Arthur wollte noch weiter reden, da aber kam ein Graben und — pardauz! lag er darin, so lang er war. Natürlich gab das ein gewaltiges Gelächter.

Unter dem Gesang des Liedes: „Tra ri ra! sind die Jäger da“ etc. kehrten endlich die Knaben fröhlich heim.

[S. 80]

B. Satzlehre.

73. Das Gewitter.

(Satzarten.)

Einfacher Satz.
Der Blitz zuckte.
Erweiterter einfacher Satz.
Ein langer Donner grollte unter dem dunklen Himmel dahin.
Zusammengezogener Satz.
Menschen und Thiere suchten ein baldiges Unterkommen.
Zusammengesetzter Satz.
Die Schnitter eilten in ihre Hütten und die Heerde hüpfte nach dem schirmenden Stalle.
Satzgefüge.
Ein warmer Regen, welcher längst erwünscht war, tränkte später das durstige Erdreich.

74. Ursache und Folge.

(Desgleichen.)

Einfacher Satz.
Der Herbst war da. Die Früchte reiften. Die Aepfel glänzten. Die Pflaumen winkten.
Erweiterter einfacher Satz.
Der liebe Gott hatte die Gärten reich gesegnet. Manche Aeste konnten ihre Last kaum tragen. Sie mußten mit starken Pfählen gestützt werden. Und dennoch neigten sich ihre äußersten Zweige fast bis zur Erde herab.
Zusammengezogener Satz.
Eines Tages gingen Emil und Otto in ihren Obstgarten. Beide jubelten und jauchzten. Sie durften und sollten sich an den Aepfeln und Birnen gütlich thun. Vater und Mutter hatten es ihnen erlaubt. Dieser Genuß sollte sowohl eine Belohnung als auch eine Erquickung für sie sein.
 [S. 81]
Emil eilte sofort auf einen Pflaumenbaum los und Otto kletterte auf einen Apfelbaum. Emil war bald gesättigt, Otto aber schien gar nicht genug bekommen zu können. Jener befleißigte sich überhaupt stets der Mäßigkeit, denn er ehrte das Gebot der Eltern.
 
Otto, welcher eben zu viel Aepfel aß, fühlte sehr bald die üblen Folgen. Das, was ihm ein Genuß gewesen war, bereitete ihm jetzt die bittersten Schmerzen. Ehe noch der Tag zu Ende ging, lag er jammernd und seufzend im Bette. Ihm wurde nun klar, das die Unmäßigkeit sich selbst bestraft. Der Apfelbaum, sagte er wiederholt, soll mir eine Warnungstafel bleiben, so lange ich lebe.

Der einfache Satz.

75. Das Pferd.

(Welche Wörter als Subject dienen können! Alle.)

Das Pferd ist ein nützliches Hausthier. Es ist sehr stark und schön gebaut. Die Stärke liegt in seinen Muskeln. Das Schöne spricht namentlich aus der Hals- und Kopfbildung. Sein ganzes Sein ist freilich nicht selten eine Kette schwerer Arbeit. Das Ziehen wird ihm leider oft zu sauer gemacht. Dieses Leider fällt leider dem Fuhrmanne zur Last. Er ladet zu viel auf. Das Bergauf wird von ihm wenig beachtet.

Das Pferd ist nun schlimm daran. Das Wollen fehlt ihm nicht. Das Können indeß hat seine Grenze.

Da knallt die Peitsche. Flüche fallen auf das arme Thier nieder. Es geht zuweilen wahrhaft grausam dabei zu. Man möchte dazwischen springen. So zuzuschlagen ist sündlich. Wann wird man endlich auch die Pferde menschlich behandeln? Dieses Wann wird aber wol noch lange eine Frage bleiben.

[S. 82]

76. Gott.

(Aus welchen Wörterklassen das Prädikat gebildet werden kann.)

Gott ist Schöpfer. Er ist allmächtig. Sein Wort hat Alles hervorgebracht. Alles ist sein.

Gott ist Erhalter. Sein Reich ist freilich groß. Seine Hand doch sättigt alles Leben. Dieser Trost ist unser.

Gott ist auch Regierer. Sein Regiment ist gnädig. Er schützt. Er leitet. Dieser Glaube ist mein.

Und Gott ist unser Vater. Er ist allgütig. Seine Liebe umfaßt uns. Mein Herz sei darum sein.

77. Die Rose.

(Desgleichen.)

Die Rose ist eine Blume. Sie ist die Blumenkönigin. Ihre Krone ist ein Wunderbau. Der Juni ist ihre Blütezeit. Die Blätter sind zart. Ihre Formen sind lieblich. Sie leuchtet weithin. Sie duftet. Sie entzückt.

Dornen sind ihre Schutzwaffe. Jede Spitze ist ein Dolch. Die Dornen sind wachsam. Sie sind auch tückisch. Sie stechen. Sie verwunden.

Die Rose reizt. Sie ist verführerisch. Ein Kindlein naht. Es ist hocherfreut. Es pflückt. Ein Tröpfchen Blut ist der Preis.

Der erweiterte einfache Satz.

A. Erweiterung des Subjectes.

78. Das kranke Kind.

(Beifügung vor dem Subjecte.)

Die kleine Emma war krank. Der heftige Pulsschlag bekundete Fieber. Die vollen Wangen glühten. Das große Auge lag geschlossen. Die feuchten Hände zitterten.

Zwei Aerzte behandelten das Kind. Mehrere Arzneiflaschen[S. 83] standen auf dem Tische. Auch etliche Pulverschächtelchen waren zu sehen.

Die treusorgende Mutter wich nicht von dem Bette. Ihr weinendes Auge ruhte unverwandt auf der Kranken. Ihre pflegende Hand war jederzeit zur Hilfe bereit.

Die verordneten Wärmegrade in der Stube wurden streng erhalten. Die verhangenen Fenster schufen Dunkelheit. Das gedämpfte Licht aber hatte etwas Unheimliches. Der vorgeschriebene Thee stand fortwährend über einem Spiritusflämmchen. Die zu verbrauchende Arznei dagegen schwamm in einem Glase mit Brunnenwasser.

So waren alle Vorsichtsmaßregeln getroffen. Keine Veränderung an dem Kinde blieb unbeachtet. Die zu hoffende Genesung ließ indeß lange auf sich warten.

„Unser Kind ist noch sehr krank“, klagte die Mutter oft den Aerzten. „Sein Bewußtsein scheint oft zu schwinden. Seine Hände sind bald warm, bald kalt. Meine Emma wird doch am Ende noch sterben! Ach, mein Herz würde es kaum ertragen! Unser Lebensglück sänke mit ihr ins Grab. Dieses Kind hat uns nie betrübt. Ein solcher Edelstein könnte uns nie wieder ersetzt werden!“

Die theilnehmenden Aerzte trösteten sie. „Der liebe Gott wird Ihnen schon das Kind erhalten“, sagten sie. „Die allmächtige Gotteshand hat ja schon oft Wunder gethan. Sein Arm ist nicht zu kurz, daß er nicht helfen könnte.“

Und der treue Himmelsvater half. Das tückische Fieber wich endlich. Die arme Emma konnte das Bett wieder verlassen. Stärkende Nahrung gab ihr bald wieder Kräfte. Kleine Spaziergänge erzeugten wieder Heiterkeit. Die frische Luft hauchte wieder Rosen auf die Wangen.

Herzinniger Dank stieg von den Mutterlippen zum Himmel empor.

[S. 84]

79. Berlin.

(Eine Beifügung nach dem Subjecte.)

Die Stadt Berlin ist zu einer Weltstadt geworden. In ihr hat nun der Kaiser von Deutschland seinen Sitz.

Der Umfang der Stadt wächst fast zusehends. Die Regelmäßigkeit der Straßen ist eine Zierde von ihr. Die Prachtbauten der Regierung erwecken Bewunderung. Die Stätten der Wissenschaft werden sorglich gepflegt. Werke der Kunst sind in Berlin reich vertreten. Die Sammlungen der Kunstschätze erfahren von Jahr zu Jahr Bereicherungen.

Die Helden des Volkes prangen als Prachtdenkmäler an den Straßen. Die Fürsten des Reichs glänzen in Erzguß. Unter ihnen nimmt Friedrich der Große den Vorrang ein. Plätze ohne Denkmäler sind überhaupt selten in Berlin.

Der Handel der Stadt ist im Flor. Die Großartigkeit der Fabrikwerkstätten erregt Staunen. Das Streben nach Vergnügen hat Lustörter in Menge hervorgerufen. Natürlich wird dadurch auch die Lust zu schwelgen gefördert. Auch soll das Verbrechen des Taschendiebstahls in Berlin häufig vorkommen.

Die Lage der Stadt ist freilich keine sonderlich schöne. Die Umgebungen derselben sind Sandebenen. Und eine Stadt ohne Naturreize verliert viel an Anziehungskraft.

80. Peter.

(Die Beifügung ein Zeitwort in reiner Form.)

Der Trieb zu spielen war bei dem zwölfjährigen Peter ziemlich stark und verdrängte die Lust zu arbeiten. Kein Wunder daher, daß er in der Schule keine Fortschritte machte. Während des Unterrichts beschäftigte er sich oft mit den Händen unter der Tafel.

[S. 85]

Für diese Sucht zu tändeln und den Hang zu faulenzen erhielt er zwar oft Strafe, aber sie weckte keineswegs in ihm das Bestreben zu lernen.

Leider gesellte sich zu diesen Fehlern bei dem Peter auch noch die Unart zu necken und zu schimpfen und die Neigung zu lügen.

Eines Tages ließ der Lehrer den Knaben zu sich kommen und sagte zu ihm: „Peter, mein Beruf zu erziehen und meine Pflicht zu bilden werden mir an Dir sehr schwer. Dein Streben zu wachsen im Geiste ist gleich Null. Glaube mir, daß Du Deine jetzige Art Dich zu verhalten und zu gebaren einst noch bitter bereuen wirst.“

Peter aber, anstatt den Vorsatz zu hören und zu gehorchen zu fassen, überließ sich auch fernerhin in der Schule dem Drange zu träumen, zu brüten und zu tändeln. Und so wurde nach und nach aus ihm ein liederlicher Mensch, den endlich seine Leidenschaft zu faulenzen und Karte zu spielen an den Bettelstab brachte.

81. Weihnacht.

(Eine Beifügung vor, eine nach dem Subjecte.)

Das schönste Fest der Kinderwelt war da. Die heilige Nacht der Geburt Christi breitete ihre Flügel über die Stadt. Sämmtliche Glocken des Domes hallten über die Dächer dahin.

Die feierliche Harmonie des Geläutes klang wie ein Gruß aus Himmelshöhe.

Auf den Straßen wogte noch lange der bunte Strom des Volkes. Die betreßten Diener der Paläste eilten mit Packeten dahin. Die breiten Rücken der Dienstmänner waren vielfach mit Körben belastet. Die zerlumpten Kinder der Armuth boten ihre Pflaumenmänner feil. Bepackte Bewohner des Landes zogen zu[S. 86] den Thoren hinaus. Dort huschte wol auch bereits ein vermummter Knecht Ruprecht in ein Haus hinein. Aus den Bäckerläden stieg der bezaubernde Duft der Weihnachtsstollen.

Die zierlichen Rouleaux der Salonfenster sind heute nicht heruntergelassen. Bald strahlt hinter ihnen der helle Lichtglanz des Christbaums. Bis auf die Straße herab schallt der jauchzende Jubel der Kinder. Ihre Hoffnung auf die Christbescherung ist glänzend erfüllt. Eine reiche Menge von Geschenken liegt vor ihnen ausgebreitet. Die lockenden Titel der Geschichtenbücher lachen in die Augen. Das liebe Klappern der Nüsse schlägt an die Ohren. Das tiefe Roth der Aepfel reizt die Gaumen.

Aber nicht blos in den Palästen entzückt die holde Pracht der Christfestkerzen. Auch das niedere Stübchen der Souterrainbewohner dort erleuchtet ein Weihnachtslicht. Die freundlichen Gaben des Christkindes liegen hier freilich nur spärlich zuertheilt. Der zu spendende Dank der Kinder bleibt indeß auch für das Wenige nicht aus.

So ist jedes Haus in der Stadt heute ein Freudentempel. Das selige Jauchzen aus den Familienkreisen steigt preisend zum Himmel hinauf.

82. Die Zigeunerkinder.

(Zwei Beifügungen vor dem Subject.)

Eines Tages ging mein lieber Vater mit mir in einen Wald, erzählte Felix. In dem Walde lagerten mehrere erwachsene Zigeuner. Ihre sechs Kinder hüpften um sie her. Drei mächtige Buchen wölbten ihre Aeste über den Fremdlingen zu einem Dache.

„Diese bunte Gruppe kann einem Maler Stoff zu einem Bilde geben,“ sagte der Vater. „Jener dicke Junge dort ist ein Prachtbursche. Seine dunklen Augen funkeln wie Sterne. Sein blendendweißes Gebiß gleicht einer Perlenschnur. Und nun sein[S. 87] sonnverbranntes Gesicht! Diese braune Gesichtsfarbe vollendet seine Schönheit.

Aber auch jenes kleine Mädchen dort gefällt mir. Sein pechschwarzes Haar sieht reizend aus. Solche volle Zöpfe sind unter unsern Kindern etwas Seltenes. Und wieder diese strahlenden Augen! Sind diese rollenden Augen nicht eine Pracht?

Und wie kräftig sind alle diese Kinder gebaut! Dein schwächliches Brüderchen daheim würde sich unter dem Zigeunervölkchen sonderbar ausnehmen. Selbst unsere sechsjährige Emma würde noch bedeutend abstechen.

Unsere deutschen Kinder führen freilich auch kein solches Naturleben, wie diese hier. Diese ihre gekünstelte Lebensweise thut ihrer Körperentwickelung manchen Eintrag. Trotzdem aber geht ihr aufrichtiger Wunsch gewiß nicht dahin, ein Zigeunerkind zu sein.“

83. Das Grab der Mutter.

(Eine Doppelbeifügung nach dem Subject.)

In einem Winkel eines weitläufigen Kirchhofs lag ein Grab. Der Sand des leichtgewölbten Hügels war noch ziemlich frisch. Der Leichenstein am oberen Ende schien nur gestern erst gesetzt zu sein.

Dieses Grab im einsamen Winkel barg eine Mutter. Die Liebe ihres treuen Herzens hatte ihrem Leben frühzeitig ein Ziel gesetzt. Die Pflege eines kranken Kindes erschöpfte ihre Kräfte. Die Nächte ohne erquickenden Schlaf griffen ihre Nerven an. Endlich befiel auch sie das Fieber des leidenden Kindes. Die Kunst der geschicktesten Aerzte vermochten sie nicht zu retten. Die Schwäche ihres angegriffenen Körpers war zu weit vorgeschritten. Sie starb.

Die Genesung des kranken Kindes schritt kurz darauf vorwärts. Nach Wochen entsetzlicher Leiden konnte es endlich zum[S. 88] ersten Male ausgehen. Das Grab der geliebten Mutter war dabei sein Ziel. Die Dankbarkeit seines echtkindlichen Herzens trieb es dazu.

Eine Stunde lang saß das Kind mit den blassen Wangen am Hügel. Thränen unsäglichen Schmerzes rannen über dieselben herab. Seufzer über den unersetzlichen Verlust entstiegen der Kindesbrust. Ein Gebet herzinnigen Dankes für die Liebe der Entschlafenen bewegte die Lippen.

Die Strahlen der warmen Frühlingssonne grüßten freundlich den Hügel. Die Goldworte eines tröstenden Bibelspruches blitzten hell vom Leichensteine herüber. An ihnen richtete sich das Gemüth des wehklagenden Kindes sichtlich auf. Ein Lichtstrahl aus himmlischer Höhe schien damit in sein Gemüth zu dringen. Die Thränen um die theure Dahingeschiedene rannen spärlicher. Auf dem blassen Antlitze des Kindes lagerte sich der Friede der stillen Gottergebung. Jenes Wort der heiligen Schrift aber hieß: „Ich will euch wiedersehen und euer Herz soll sich freuen.“

84. Dämmerung.

(Zwei Doppelbeifügungen nach dem Subject.)

Ein Tag des schönen Frühlings im letztverflossenen Jahre ging zu Ende. Das Gewölk über den majestätischen Berggipfeln jenseits des sanftbewegten Sees erglänzte im Purpurgolde. Das Lied der gefiederten Sänger des frischgrünen Waldes verstummte. Dagegen erhoben nun die Quaker im dichten Schilfe der nahen Lache ihre Stimme.

Die Heerden der reichen Güter der umliegenden Ortschaften verließen die Weideplätze. Das Geläute der dumpfen Glocken hüpfender Rinder hallte melancholisch daher. Die Bebauer der fruchtbaren Felder am diesseitigen Seeufer zogen ebenfalls heimwärts.

[S. 89]

Das Glöcklein der hölzernen Kapelle eines nachbarlichen Dorfes mahnte zum Abendgebete. Die Häupter der biederen Bebauer jener gottgesegneten Fluren entblößten sich. Das Gebet des lieben Heilandes Jesu Christi entstieg stumm ihren Herzen.

Immer dichter zogen sich die Schatten der lieblichen Thäler längs der murmelnden Bäche zusammen. Die Sterne am nördlichen Saume des tiefblauen Himmels blickten bereits hernieder. Ein Bild des seligen Friedens aus höheren Welten bot ringsum die Natur.

85. Der Schneemann.

(Alle Arten einfacher Beifügungen.)

Der alte Winterkönig war eingezogen. Ein blitzendes Schneegewand deckte die Erde. Lange Eiszapfen zierten die Dächer. Gefrorene Fensterscheiben glänzten an den Hütten.

Da eilten mehrere Knaben in den Garten. Ihre Hände begannen sogleich zu arbeiten. Der Zweck der Arbeit war ein Schneemann.

Der Knabe Richard leitete den Bau. Robert’s Hände leisteten am meisten. Der Sohn des Arztes konnte nur zusehen.

Bald stand ein Schneemann ohne Tadel da. Der Drang zu schaffen war gestillt.

86. Der junge Storch.

(Alle möglichen Beifügungen vor und nach dem Subject.)

Ein fleißiger Schüler der ersten Klasse einer gewöhnlichen Dorfschule der sächsischen Kreisdirection Dresden schrieb in einem Aufsatze unter Anderem Folgendes:

Unser junger Storch auf dem bemoosten Dache der alten Scheune lugte neugierig in die Welt hinaus. Dieser anerkannte Liebling aller erwachsenen Glieder unserer großen Familie war[S. 90] etwa drei Monate alt. Ein neckischer Einfall des ältesten Knechtes meines guten Vaters gab ihm den Namen Davidel. Dieser sonderbare Name des jungen Storches unseres kleinen Gutes wurde bald im Dorfe bekannt. Sogar einige große Knaben aus dem nahen Nachbardorfe des freundlichen Gebirgsthales hatten ihn erfahren.

Das drollige Benehmen des schmucken Kindes unseres bejahrten Storchpaares wurde oft belacht. Am meisten freuten sich über ihn die beiden bausbäckigen Mädchen des neuen Pfarrers unserer zahlreichen Gemeinde. Auch die drei erwachsenen Söhne des reichen Barons auf der reizenden Villa am romantischen Dorfende sahen zuweilen stundenlang seinem Gebaren zu.

Die fürsorgenden Eltern unseres lieben Freundes mit den dünnen Klapperbeinen brachten ihm des Tages mehr als einmal einen Frosch. Ein solcher fetter Braten aus dem sumpfigen Grunde des fernen Erlenwaldes war ihm stets sehr willkommen. Der endliche Tod eines solchen Quakers während der tiefen Stille warmer Sommernächte war übrigens ein kurzer. Das verzweifelte Zappeln der grünen Beine des armen Schluckers dauerte kaum eine Minute.

Unsere stille Freude an dem munteren Firstenbewohner der niederen Scheune nahm indeß plötzlich ein Ende. Sein erster Ausflug auf die umliegenden Wiesen unserer umfangreichen Flur brachte ihm den Tod. Die sechs scharfen Krallen eines gierigen Raubvogels aus dem zwei gute Stunden entfernten Felsengebirge umklammerten ihn. Ein wuchtiger Stoß des mörderischen Schnabels jenes mächtigen Ungeheuers durchbohrte ihm die Hirnschale.

[S. 91]

B. Erweiterung des Prädikates.

87. Wilhelm.

(Das Prädikat ein Hauptwort mit Beifügung.)

(Aus einem Briefe.)

Wilhelm hat einen hellen Kopf. Sein Wesen hat viel Einnehmendes. Er war stets ein Muster der Schule. Er ist deshalb auch der Liebling des Lehrers. Bald wird er der Oberste der Klasse werden. Diese Beförderung ist dann sein Lohn. Sie ist auch meine Freude. Wilhelm ist ja mein Freund.

Wilhelm wird einmal Lehrer der Rechnenkunst. Er hat auffallende Lust dazu. Gewiß wird er ein Rechnenlehrer ohne Tadel. Vielleicht wird er gar einmal der Rechnenmeister Adam Riese der Zweite.

88. Der Affe.

(Das Prädikat ein Hauptwort mit mehreren Beifügungen.)

Der Affe ist das drolligste Thier unserer zoologischen Gärten. Sein neckisches Wesen wird oft der Gegenstand allgemeinen Gelächters. Die Affenkäfige sind daher auch die stärksten Anziehungspunkte der lieben Kinderwelt.

Die Kletterbewegungen der Affen sind oft wahre Kunststücke der höheren Turnerei. Ihre Schwänze haben dabei den nützlichen Dienst einer fünften Hand.

Der Affe hat fast stets einen ausgezeichneten Appetit nach süßem Naschwerke. Seine Freßweise hat den entschiedenen Charakter heißhungriger Gier.

Er ist kein friedliebender Freund seiner mitgefangenen Kameraden. Schnell wird er oft ein leibhaftiges Bild des heftigsten Jähzorns. Seine Zähne sind dabei die gefährlichen Dolche seiner heimtückischen Rachsucht.

[S. 92]

Wohl aber ist der Affe ein großer Freund der schönen Tugend der Reinlichkeit. Diese Reinlichkeitsliebe ist eine der rühmlichsten Eigenschaften des gesammten Affengeschlechts.

Der Nachahmungstrieb ist eine allbekannte Eigenschaft der Vierhänder. Er wurde freilich schon oft die traurige Ursache der lebenslänglichen Gefangenschaft des südländischen Thieres.

89. Hochmuth.

(Möglichste Erweiterung des Subjects und Prädikats, insofern beide blos Hauptwörter sind.)

Jener alte Nachtwächter des kleinen Dorfes Muschelthal an dem bewaldeten Fuße des steilen Kuffenberges ist der einzige Bruder des reichen Fabrikherrn Hartkopf in dem freundlichen Städtchen Clervaux an der Aube.

Der greise Wächter in den finsteren Nächten hat kaum die einfache Nothdurft des täglichen Lebens in seiner ärmlichen Hütte am einsamen Dorfende. Der verwöhnte Gaumen des vornehmen Bruders dagegen hat stets eine glänzende Auswahl der leckersten Speisen aus den entlegensten Fruchtgärten der südlichen Länder.

All seine geschäftlichen Unternehmungen im großen Bereiche der vielzweigigen Eisenfabrikation waren von den günstigsten Umständen begleitete Griffe in das launenhafte Rad des menschlichen Glückes.

Dieser beneidenswerthe Schwelger an reichbesetzter Tafel ist indeß die erbärmliche Kreatur des grenzenlosesten Hochmuths. Dadurch aber wird der glückliche Besitzer aller äußern Annehmlichkeiten des irdischen Lebens zum schnöden Verleugner der heiligsten Pflichten des menschlichen Herzens. Der stolze Inhaber jener großartigen Fabrik im fernen Frankreich hat nicht die geringste Spur von brüderlicher Liebe zu dem armen Nachtwächter. Dieser schwächliche Greis wird sicher noch ein bemitleidenswerther[S. 93] Bewohner des heimatlichen Armenhauses. Der gewaltige Reichthum des hartherzigen Bruders ist nicht einmal ein schwacher Halm der Hoffnung auf einstigen Schutz vor einem traurigen Ende. Des armen Alten letzter Freund wird der von allem Uebel erlösende Friedensbote aus den seligen Räumen des ewigen Himmels sein.

Ergänzungen.

1. Des Zeitwortes.

A. Einfache.
90. Der Schmetterling.

Im ersten Falle.

Das Schmetterlingsei ward eine Raupe. Die Raupe wurde eine Puppe. Die Puppe wird ein Schmetterling. Diese Verwandlung bleibt ein Naturräthsel. Sie bleibt ein Wunder. Des Wunders Schöpfer heißt Gott.

91. Ohne Glauben.

Im zweiten Falle.

Der Ungläubige entsagt der Kindschaft mit Gott. Er vergißt die Wohlthaten des Himmelsvaters. Er spottet der göttlichen Gnade. Seine Hand entsagt der Hilfe von oben. Er gedenkt nicht des Endes. Sein Herz entbehrt alles Trostes. Der Ungläubige bedarf unserer zurechtweisenden Hand.

92. Der echte Christ.

Im dritten Falle.

Der echte Christ glaubt dem Evangelio. Das Gesetz des Herrn befiehlt ihm. Er gehorcht dem Gesetze. Sein ganzes[S. 94] Leben gehört dem Höchsten. Sein Herz vertraut dem allgütigen Himmelsvater. Es folgt ihm. Es dankt ihm. Dem Allgütigen gebührt ja alle Ehre.

Der falsche Christ zürnt dem Gläubigen. Er mißtraut ihm. Er flucht ihm wol gar. Er schadet seiner Ehre.

Der fromme Christ verzeiht einem solchen Uebermüthigen. Er vergibt seinem Feinde. Er lebt seinem göttlichen Vorbilde nach.

93. Jakob.

Im vierten Falle.

Jakob besaß viel Schlauheit. Er überlistete den Esau. Dadurch erhielt er das Recht der Erstgeburt. Er betrog seinen blinden Vater. Dadurch erschlich er den väterlichen Segen.

Gott aber strafte den Sünder. Den Esau erfaßte die Wuth. Er ballte die Fäuste. Seine Lippen schäumten Zorn. Er haßte den Bruder. Er wollte die erlittene Schmach rächen. Seine Hand wollte den Betrüger erwürgen.

Rebekka vernahm den Racheschwur. Entsetzen ergriff ihr Mutterherz. Sie erkannte die Gefahr. Sie fürchtete den Erzürnten. Sie rief den Jakob. Schnell war ein Rettungsplan geschmiedet. Ihr Liebling mußte die Flucht ergreifen.

Auch Rebekka belog nun den blinden Alten. Sie scheute diese Sünde nicht. Die Lüge sollte Jakob’s Sicherheit bewirken.

Jakob trat die schwere Reise an. Er hatte großen Kummer zu tragen. Er mußte die zärtlich liebende Mutter verlassen. Er mußte alle häuslichen Bequemlichkeiten entbehren. Er mußte die theure Heimat meiden. Eine schwere Schuld belastete sein Herz. Ihn drückte das böse Gewissen. Die Reue quälte sein Gemüth. Vielleicht feuchteten Thränen seine Augen.

[S. 95]

So verfolgte die Strafe den Sünder. So zeigte der Herr seinen gerechten Arm.

94. Der Lügner.

(Rückbezügliche Zeitwörter. Vierter Fall.)

Moritz entehrte sich, indem er der Lüge Freund war. Hatte er sich einmal beschmutzt, bemühte er sich, die Schuld auf Andere zu schieben. Er beklagte sich wol gar, daß ihn ein gewisser Knabe mit Koth beworfen habe.

Diese Lügenhaftigkeit verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Einmal beschäftigte sich Moritz im Schlafzimmer. Dort befanden sich Streichhölzchen. Mit diesen spielte er. Die Hölzchen aber entzündeten sich. Das Feuer griff schnell um sich. Vergebens strengte er sich an, es zu löschen. Es ließ sich nicht mehr dämpfen. Schon bewegte es sich an einem Vorhange empor.

Moritz entsetzt sich. Er will sich entfernen. Er möchte sich am liebsten verstecken. Da tritt sein Vater herein. Dieser besinnt sich nicht lange. Er faßt sich schnell und reißt den Vorhang herunter. Dabei verbrennt er sich zwar, aber der Schmerz läßt sich ertragen. Die Flamme züngelt noch einmal empor. Bald aber hat sie sich doch unterdrücken lassen.

Moritz erdreistet sich aufs neue zu lügen. Darüber betrübt sich der Vater. Er läßt sich jedoch nicht täuschen. Er überzeugt sich, daß Moritz das Unheil angerichtet habe. Dieser sieht sich bald überführt. Die Strafe blieb natürlich nicht aus. Moritz schämte sich. Zum Glück änderte er sich bald. Er legte die Lügen ab. Er besserte sich.

95. Der Verschwender.

(Alle vier Fälle. Einfache Ergänzung.)

Valentin war der Sohn eines reichen Edelmannes. Sein Vater hatte mehrere Güter. Er hieß ein Millionär. Alle[S. 96] diese Schätze wurden Valentin’s Eigenthum. Der reiche Erbe aber wurde ein Verschwender.

Sein Charakter entbehrte aller Grundsätze. Er vergaß die Mahnungen seines seligen Vaters. Er achtete nicht der Mahnungen der Vernunft. Er spottete jeder Arbeit.

Valentin huldigte allen Untugenden. All sein Denken galt den sinnlichen Genüssen. Er fröhnte allen erdenklichen Leidenschaften. Aber die Strafe folgte dem Laster. Valentin schadete seiner Gesundheit.

Er verlor alle Achtung. Sein Vermögen ging den Krebsgang. Seine guten Freunde verließen ihn. Die Gläubiger dagegen suchten ihn auf. Schließlich verhaftete ihn das Gericht. Den einstigen Millionär beherbergte ein Gefängniß. Valentin erhielt eine lange Freiheitsstrafe.

Endlich hatte er sie verbüßt. Aber er war nun ein Bettler. Jetzt erst gedachte er der wohlgemeinten Rathschläge seines Vaters. Sein Gemüth erlag der Reue. Er starb den Tod eines Untergegangenen.

96. König und Volk.

(Die Ergänzung durch Hauptwörter mit Verhältnißwörtern.)

Ein König lebt seiner Stellung gemäß. Er glänzt infolge seiner Würde. Kraft seiner Macht regiert er. Vermöge seines Heeres schützt er. Zufolge seiner Gewalt kann er strafen. Er straft laut der Gesetze.

Das Volk steht unter dem Gesetze. Der brave Unterthan lebt nach den gegebenen Verordnungen. Er schweigt zu den Reden der Aufrührer. Seine Gedanken stimmen für den Frieden. Er denkt an die Schrecken einer Revolution. Sie drängt zu schrecklichen Greueln. Sie führt durch Menschenblut.

[S. 97]

97. Im Sturme.

(Die Ergänzung ein Zeitwort in reiner Form.)

Der alte Donnergott beliebt zu grollen. Der Himmel beginnt zu dunkeln. Der Sturm fängt an zu toben. Das Schiff sucht zu entkommen. Es strebt einzulaufen. Das Fahrzeug hebt an zu kämpfen. Es scheint zu bersten. Es droht zu sinken. Der Kapitän aber hofft dennoch zu siegen.

Er befiehlt zu kappen. Er verordnet zu kreuzen. Das Matrosenvolk indeß fürchtet zu stranden. Es wünscht zu ankern.

Da mahnt der Kapitän zu gehorchen. Endlich beginnt er zu fluchen. Er droht zu züchtigen. Er gedenkt sogar zu schießen.

Der Kapitän verfügt aufs neue zu kreuzen. Die Matrosen beschließen zu gehorchen. Es gelingt endlich anzulegen. Das Schiff ist gerettet.

98. Die Wahrheit.

(Einfache Ergänzung. Alle vier Fälle.)

Die Wahrheit siegt kraft ihrer Macht. — Sie stammt aus dem Himmel. — Christus zeugte von ihr. — Er starb sogar für sie. — Was hatte er zu dulden!

99. Die Eisenbahn.

(Wiederholung aller Ergänzungen mit Verhältnißwörtern.)

Ein Eisenbahnzug wird vermöge der Dampfkraft bewegt. Die Wagen rollen auf eisernen Geleisen dahin. Man staunt über die Fahrgeschwindigkeit. Die Mitfahrenden wähnen zu fliegen.

Die Eisenbahnen wirken auf alle Handelsverhältnisse wohlthätig ein. Sie halten auf strenge Pünktlichkeit. Die Fahrten hängen nicht von der Witterung ab.

[S. 98]

Ihr Nutzen wird von dem Publikum auch verstanden. Die Eisenbahnen streben daher nach immer größerer Ausdehnung.

Eine Eisenbahnfahrt leidet zwar auch an Schattenseiten. Die Zeitungen berichten sehr oft von Eisenbahnunfällen. Zuweilen rennt ein Zug an den andern. Wagen kommen aus den Geleisen. Infolge dieser Ereignisse verunglücken namentlich viele Bahnbeamte. Manche verunglücken freilich auch zufolge ihrer Unvorsichtigkeit. Viele denken gar nicht mehr an die Gefahr. Sie bauen leider zu sehr auf ihre Sicherheit. Einzelne wagen in dieser Hinsicht wol gar zu freveln.

Trotz alledem aber steht der Segen der Eisenbahnen weit über ihren Nachtheilen.

Hauptwiederholung.

100. Der Geburtstag.

(Erweitertes Subject. Prädikat und einfache Ergänzung.)

Das einzige Söhnchen eines reichen Kaufmanns in dem schöngelegenen Dorfe S. feierte seinen achten Geburtstag.

Der freundliche Vater des lieben Knaben hatte alle artigen Gespielen der nächsten Nachbarschaft eingeladen.

Sein biederes Vaterherz war dem frohen Treiben einer lustigen Kinderschaar hold.

Auch der lieben Mutter des munteren Willi gefiel ein solch heiteres Kränzchen aus dem glücklichen Reiche lebensfroher Kinder.

Der hellerleuchtete Salon des wohlhabenden Kaufmanns nahm das fröhliche Völkchen der zahlreichen Festgeladenen auf.

Der bunte Kranz der lebendigen Schaar entwickelte ein jubelndes Leben.

Die umsichtigen Eltern des blondlockigen Geburtstagskindes hatten für allerhand Unterhaltungen aus dem großen Bereiche der kindlichen Spiele gesorgt.

[S. 99]

Sogar der alte Onkel des gefeierten Willi hatte eine allerliebste Auswahl verschiedener Belustigungsgegenstände mitgebracht.

Die heitere Kinderschaar des traulichen Kreises folgte der freundlichen Einladung zum Spiele.

B. Doppelte Ergänzung.
101. Der Thierquäler.

(Im vierten und zweiten und vierten und dritten Falle.)

Ein Herr beschuldigte einen Fuhrmann der Thierquälerei. Der Fuhrmann zieh ihn dafür der Lüge. Der Herr aber überführte ihn der Schandthat. Er versicherte sich seiner Person. Schließlich übergab er den Thierquäler der Polizei. Die Polizei aber überlieferte den rohen Menschen dem Gerichte.

Der Fuhrmann suchte den Richter seiner Unschuld zu versichern. Jener Herr belehrte indeß den Mann des Gesetzes eines Besseren. Der Richter verwies den Angeklagten seiner Lüge. Er überhob ihn schließlich aller weiteren Selbstvertheidigung.

Das Strafurtheil beraubte den Fuhrmann seiner Freiheit. Es überwies ihn dem Gefängnisse. Das Fluchen des Verurtheilten entband ihn der Verbüßung der Strafe nicht. Nur die Milde des Richters entließ ihn schließlich der Haft.

102. Oskar.

(Rückbezügliche Zeitwörter. Im dritten und vierten Falle.)

Der begabte Oskar ließ sich an einem Schauladen von einem schönen Bilde fesseln. Er erbaute sich förmlich an der herrlichen Zeichnung. Er nahte sich der Kunstschöpfung wiederholt mit stiller Bewunderung.

Bald darauf besprach er sich mit seinem Vater. Der Vater entschloß sich zum Leihen des Bildes. Oskar verpflichtet sich[S. 100] dafür zum Copiren desselben. Er fürchtet sich nicht vor der Schwierigkeit.

Tagtäglich widmet er sich nun der Künstlerarbeit. Zwei Wochen quält er sich mit dem Anlegen der Figuren. Drei Wochen plagt er sich mit der Schattirung. Endlich ist die Copie fertig. Welch ein Genie spricht sich in ihr aus! Sie läßt sich kaum von dem Originale unterscheiden.

Der Vater betrachtet sie. Er giebt sich lange dem Staunen hin. Endlich spricht er zu Oskar: „Mein Sohn! Du neigst Dich ganz zur Kunst hin. Du sollst Dich ihr auch ergeben dürfen.“

103. Eine Verirrung.

(Rückbeziehung. Vierter und zweiter Fall.)

Der Korporal Schimmel befleißigte sich der größten Pünktlichkeit. Er entledigte sich aller dienstlichen Aufträge aufs sorgfältigste. Er entäußerte sich oft sogar seiner freien Zeit. Seine soldatische Ausbildung entzog sich jedem Tadel. Während seiner ganzen Dienstzeit durfte er sich keiner Pflichtverletzung anklagen.

Später wurde er Offizier. Leider schämte er sich nun seiner niederen Abkunft. Er erinnerte sich nicht gern mehr seiner armen Eltern. Er enthielt sich sogar des Besuchs derselben.

Erst nach vielen Jahren besann er sich eines Besseren. Er entschlug sich der stolzen Gedanken. Die dankbare Kindesliebe bemächtigte sich wieder seines Herzens.

104. Bestrafte Eitelkeit.

(Doppelte Ergänzung. Vierter und vierter Fall.)

Otto’s Sparbüchse hatte sich wieder um einige Thaler bereichert. Da erklärte sich der eitle Knabe für den Ankauf einer Taschenuhr. Bald auch setzte er sich in den Besitz einer[S. 101] solchen Zeitmesserin. Fast alle Augenblicke sah er sich die Uhr an. Bald aber wunderte er sich über ihren Gang. Sie kehrte sich wenig an die rechte Zeit. Sie ließ sich zuweilen sogar an das Gehen erinnern.

Da entschloß sich Otto zur Selbsthilfe. Er wagte sich an das innere Werk. Endlich machte er sich gar an die Räder.

Die Uhr aber rächte sich für diese Kühnheit. Sie bewegte sich nicht mehr von der Stelle. Otto ärgerte sich über diese Tücke. Die Uhr kümmerte sich indeß nicht um seinen Groll. Sie blieb stehen. Sie war schlecht.

Otto mußte sich als einen Betrogenen betrachten. Er sah sich jetzt um sein schönes Geld gebracht.

Er ließ sich die Eitelkeit blenden. Lange noch grämte er sich über seine Thorheit.

105. Großmuth.

(Ergänzung. Dritter und vierter Fall.)

Ein schwer verwundeter Zuave entsendete einem deutschen Freiwilligen noch einen Schuß. Der Freiwillige hätte dem braunen Gesellen eine Kugel erwidern können. Sie würde diesem sicher das Herz durchbohrt haben. Aber der Deutsche verzieh dem tückischen Feinde die That. Er entriß ihm blos das Gewehr. Zudem schnallte er ihm den Säbel ab. Darauf aber verkündete er dem Zuaven die Gefangenschaft.

Der Schmerz der Wunde hatte dem Afrikaner die Wangen gebleicht. Ein brennender Durst erschwerte ihm das Sprechen. Der Freiwillige reichte ihm die Feldflasche. Auch ein Stück Brod gab er dem Hungrigen. Wie mundete dem Erschöpften der Schluck Wein! Wie schmeckte ihm der Bissen Brod!

Der Freiwillige indeß zeigte dem Gefangenen noch mehr Großmuth. Er verband ihm seine Wunde. Er trug ihm sein Gepäck. Er bot ihm sogar seinen Arm an.

[S. 102]

Solcher Edelsinn rührt dem Wüstensohne das Herz. Er drückt dem Deutschen die Hand. Er will ihm sogar die Hand küssen. Der Freiwillige indeß entzieht ihm dieselbe.

Der Freiwillige übergab den Gefangenen dem nächsten Feldgendarm. Darauf aber bot er den feindlichen Reihen aufs neue die Stirn. Aufs neue zeigte er dem Feinde seinen Heldenmuth.

106. Der Geiz.

(Wiederholung der Doppelergänzungen.)

Der Geiz beraubt den Menschen vieler Freuden. Er verdüstert ihm das ganze Leben. Er taucht das Herz in eisige Kälte. Er fesselt seine Beute an den todten Geldkasten. Der Geizige erbarmt sich nicht einmal seines Viehes.

107. Michel.

(Fortsetzung.)

Der alte Diener Michel bewies seinem Herrn große Treue. Dafür schenkte ihm dieser auch volles Vertrauen. Er nannte ihn seine rechte Hand. Er bezeichnete ihn als seinen Vertrauten. Er würdigte ihn sogar der Mitwissenschaft seiner Vermögensverhältnisse.

Ueber diese Auszeichnung ärgerten sich die anderen Diener. Sie ergingen sich in neidischen Bemerkungen. Sie erlaubten sich wol gar Schimpfreden.

Der alte Michel aber enthielt sich aller Gegenbeleidigungen. Er befleißigte sich der großmüthigsten Geduld. Er suchte die Mißgünstigen nicht einmal eines Besseren zu belehren.

Endlich zeigte Jemand dem Herrn das ungebührliche Verhalten jener Diener an. Der Herr dankte diesem für diese Mittheilung. Gleich darauf besprach er sich mit dem Alten. Michel bewahrte sich dabei vor jeder Anklage.

[S. 103]

Ueber diese Biederkeit freute sich der Herr abermals. Jene Diener aber erhielten von ihm harte Strafe. Er entließ sie ihrer Stellung.

108. Eine Jubelfeier.

(Wiederholung. Subjecte, Prädikate, Ergänzungen erweitert.)

Der allgütige Vater aller Menschenkinder ließ den ehrwürdigen Pfarrer des großen Fabrikdorfes W. an der gebirgigen Grenze des böhmischen Landes den schönen Tag seines fünfzigjährigen Amtsantrittes erleben.

Die sämmtlichen Einwohner des belebten Ortes zollten dem greisen Hirten ihrer Seelen die aufrichtigste Theilnahme ihrer biederen Herzen.

Selbst die verschiedenen Kreise der wohlgesitteten Schuljugend bezeugten dem freundlichen Inspector ihrer geliebten Bildungsstätte den ungeheucheltsten Antheil an seinem seltenen Glücke.

Die wohlhabenden Bewohner des umfangreichen Kirchspiels hatten es sich bedeutende Opfer an baarem Gelde kosten lassen.

Die heutige Feier eines so bedeutungsvollen Festes sollte auf die gesammte Einwohnerschaft einen bleibenden Eindruck machen. Das gutgeschulte Musikchor des bevölkerten Ortes brachte dem frohbewegten Jubelgreise eine erhebende Morgenmusik nach Compositionen alter Meister.

Auch die weithallenden Glocken des fahnengeschmückten Thurmes sendeten dem gottbegnadigten Priester der ehrsamen Gemeinde die jubelnden Grüße ihrer ehernen Zungen.

Mehrere große Ehrenpforten mit sinnigen Inschriften gaben den verschiedenen Aufgängen zu dem mit frischen Blumenkränzen gesäumten Gotteshause ein festliches Gepräge.

Eine ziemliche Zahl angesehener Glieder der dankbaren Kirchfahrt überreichte dem hochgeachteten Verkünder des göttlichen Wortes eine wunderschöne Prachtbibel mit schwerem Goldbeschlage.

[S. 104]

Die bemittelten Jünglinge des kleinen Nebendorfes N. schenkten ihrem alten Beichtvater eine silberne Dose von dem berühmtesten Goldarbeiter der fernen Residenz.

Und so wurden dem überraschten Jubelgreise noch verschiedene Geschenke der kostbarsten Art von seinen theilnehmenden Kirchkindern überbracht.

Der gefeierte Alte freute sich der herrlichen Festgaben seiner geliebten Gemeinde.

Noch mehr aber freute sich der Freudenthränen weinende Seelenhirt über die ungekünstelte Theilnahme der braven Herzen seiner von ihm treu gehüteten Heerde.

Ein allgemeines Volksvergnügen zu Ehren des seltenen Tages gab dem schönen Feste aufrichtiger Dankbarkeit einen heiteren Abschluß.

2. Ergänzung der Eigenschaftswörter.

109. Judas.

(Im zweiten Falle.)

Judas war schon längst des Geizes verdächtig. Er war nie der Armen eingedenk. Sein Herz zeigte sich alles Mitleids quitt.

Nie war er sich der Liebe seines Herrn bewußt. Wohl aber schien er der Heuchelei fähig zu sein. Diese Eigenschaften machten ihn der Huld seines Herrn unwürdig.

Judas ging seines Heils verlustig. Er machte sich des heillosesten Verrathes schuldig. Und so wurde er einer schweren Sünde theilhaftig.

Er war der Pläne der schändlichen Pharisäer kundig. Einer[S. 105] Belohnung ihrerseits durfte er gewiß sein. So beging er den schändlichen Verrath.

Aber jede böse That ist ihrer Strafe gewiß. Judas wurde sich seines Verbrechens bewußt. Die Reue folgte. Sein Gemüth war alles Haltes ledig. Sein Herz war aller Hoffnung auf Vergebung bar. Er wurde endlich der quälenden Gewissensbisse müde. Sein Ende war Selbstmord. Immerhin aber ist dieser gefallene Jünger des Mitleids bedürftig.

110. Strenge Zucht.

(Dritter Fall.)

Strenge Zucht ist manchem Kinde lästig. Schon ein leiser Tadel ist ihm ärgerlich. Ernste Zurechtweisungen werden ihm widerlich. Am unangenehmsten ist ihm die Ruthe. Diese aber ist manchen Kindern gerade sehr nützlich. Jede Strafe ist überhaupt dem Empfänger heilsam.

Das Kind ist dem Vater lieb. Des Kindes Seelenwohl ist ihm nicht gleichgiltig. Seine Erziehung ist ihm wichtig. Er selbst ist dem Strafen abhold. Das Züchtigen wird ihm schwer. Bleibt aber das Kind dem Guten nicht treu; wird ihm der Gehorsam zu schwer; ist ihm die Wahrheitsliebe nicht eigen; ist ihm der Fleiß zu unbequem; dann straft er. Dadurch soll dem Kinde das Vergehen bewußt werden. Es soll ihm leid sein. Es soll den Untugenden in Zukunft feind bleiben.

111. Die alte Linde.

(Im vierten Fall.)

Hinter meinem Vaterhause stand eine Linde. Sie mochte wohl hundert Jahre alt sein. Sie stand auf einem Hügel. Derselbe war etwa zehn Meter erhaben. Der Stamm der Linde war zwei Meter dick. Sie war im Ganzen etwa[S. 106] fünfzig Meter hoch. Der Umfang ihrer Aeste war dreißig Meter breit.

Später wurde diese Linde gefällt. Ihr Holz war an die dreißig Thaler werth. Der Kessel, in dem sie gestanden hatte, war drei Meter tief. Zudem war das Loch wenigstens fünf Meter breit.

Der Lindenstamm sollte nun zerschnitten werden. Aber die Säge langte nicht zu. Ihr Bügel stand zwanzig Centimeter zu niedrig. Das Sägenblatt war sechzig Centimeter zu kurz. Man mußte deshalb den Stamm wenden.

Es wurde eine andere Linde gepflanzt. Diese war freilich etwa neunundneunzig Jahre jünger.

112. Der Knochen.

(Ergänzung der Eigenschaftswörter durch ein Verhältnißwort.)

Im Hofe, erzählte ein Vater, lag ein fetter Knochen. Links von ihm kauerte eine Katze. Rechts davon saß Ammi. Beide waren auf den Knochen förmlich versessen. Der Magen einer Katze ist überhaupt stets gierig auf Fraß. Ihre Augen sind lüstern nach jedem Stückchen Fleische. Sie ist daher fortwährend zum Naschen bereit.

Nicht weniger war Ammi auf den Knochen erpicht. Auch Hundemagen sind ja auf Fleisch zuweilen sehr begierig.

Lange saßen die beiden Gegner einander gegenüber. Die Katze schien auf einen kühnen Sprung vorbereitet zu sein. Ebenso schien auch Ammi auf einen Gewaltstreich gefaßt. War er doch auch zum Apportiren wohl abgerichtet.

Man mußte auf den Ausgang gespannt sein. Da plötzlich krümmt die Katze den Rücken. Somit sind ihre Füße zum Sprunge eingerichtet. Ihr Auge sprüht förmlich Funken. Sie ist wie von einem bösen Geiste besessen. Ein gewaltiger Satz — und der[S. 107] Knochen ist in ihrer Gewalt. Im Nu sitzt sie damit auf dem Baume. Sie ist stolz auf ihre Beute.

Ammi scheint einen Augenblick vom Schreck ergriffen zu sein. Bald aber kommt er wieder zur Besinnung. Er ist ergrimmt über die Frechheit der Katze. Er ist entrüstet über die eigene Dummheit. Aber Alles zu spät. Ihm bleibt blos das Nachsehen.

113. Der Löwenbändiger.

(Wiederholung der Ergänzungen der Eigenschaftswörter.)

Die Straßenecken sind von neugierigem Publikum umstanden. Ein breiter Anschlagbogen ist mit großer Schrift bedruckt.

Ein Löwenbändiger will heute Abend eine Vorstellung geben. Solchen grassen Schauspielen ist das Volk sehr zugethan. Die Sucht nach Schauerlichem war stets der großen Menge eigen. Freilich ist dieser Zug des Menschen nicht recht würdig.

Die angezeigte Stunde schlug. Das Volk versammelte sich.

Der Löwenkäfig war drei Meter hoch. Zudem war er sechs Meter lang und vier Meter tief. Das Eisengitter schien mehrere Zentner schwer zu sein.

So war der Käfig für einen Löwen sehr bequem. Das majestätische Thier aber schien über die gaffende Menge etwas erregt zu sein. Ihr Tumult war ihm ärgerlich. Er schien des Beschauens förmlich müde zu werden.

Endlich erschien der Löwenbändiger. Er mußte wohl aller Furcht ledig sein. Gewiß war er sich seiner Uebermacht über das Thier bewußt. Er trug ein Lamm unter dem Arme.

Das Publikum war über sein Erscheinen erfreut. Es war ja auf die Vorstellung äußerst gespannt.

Der Löwe wurde ob des Lämmchens etwas unruhig. Seine Augen wurden nach dem Braten lüstern. Aber er blieb des Gehorsams[S. 108] eingedenk. Er war ja auf Selbstbeherrschung abgerichtet. Und er war ihrer auch vollkommen mächtig.

Das Lämmchen wird ob des Unholds keineswegs ängstlich. Es ist an den Anblick gewöhnt. Es scheint sich seiner Unantastbarkeit bewußt zu sein.

Der Löwe gehorcht aufs Wort. Er ist zu allen Sprüngen willig. Er ist zu jeder Unterwürfigkeit bereit. Nicht einer einzigen Widersetzlichkeit macht er sich schuldig. Der Stock würde ihm sonst auch gewiß sein. So ist er schließlich einer Belohnung sicher. Und ein Stück rohes Pferdefleisch ist seinem Magen sehr erwünscht.

Die Vorstellung lief ohne Unfall ab. Der kühne Löwenbändiger schien dem Händeklatschen der erstaunten Menge nicht feind zu sein. Ihr Beifall war ihm angenehm. Dankend trat er ab.

Hauptwiederholung.

114. Der Dieb.

(Erw. Subj. u. Präd. Ergänz. d. Zeit- u. Eigenschaftsw.)

Der älteste Sohn des braven Zutreibers des verschiedenen Schlachtviehes in der belebten Stadt R. war des schlauen Diebstahls einer goldenen Taschenuhr verdächtig.

Deshalb wurde dieser längstbekannte Freund des leichtsinnigen Umhertreibens des freien Verkehrs mit seinen liederlichen Genossen verlustig.

Die düstere Zelle des einsamen Gefängnißthurmes inmitten der alten Stadtmauer schien freilich dem großen Verehrer eines ungebundenen Lebens nicht angenehm zu sein.

Der kluge Vorsitzende des städtischen Gerichts war auf ein freches Ableugnen der gesetzwidrigen That von seiten des durchtriebenen Burschen vorbereitet.

Das gesammte Personal des löblichen Schöppengerichts war[S. 109] indeß von der nichtswürdigen Veruntreuung fremden Eigenthums durch jenen schlauen Jünger der gefährlichen Taschendiebe überzeugt.

Das kecke Ableugnen des schmählichen Vergehens mußte daher dem verstockten Uebertreter des siebenten Gebotes nur nachtheilig sein.

Die gesammte Bewohnerschaft der mittelgroßen Stadt war auf das endliche Strafurtheil der gewissenhaften Richter gespannt.

Die schließliche Bestrafung mit zehn langen Monaten schwerer Arbeit auf dem strengen Zuchthause der nahen Festung N. war für jenes räudige Mitglied der menschlichen Gesellschaft nicht zu hart.

Der Umstand des Ortes.

115. Eine Stätte der Armuth.

(Wo? Umstands- und Verhältnißwörter.)

Das enge Stübchen der alten Mutter Beate bot ein trauriges Bild. In einem düsteren Winkel erblickte man ein Häufchen halbvermodertes Stroh. Auf demselben lagen einige zerlumpte Kleidungsstücke. Hier schlief die arme Alte. Oberhalb ihres Kopfes hatte ihre Katze ihr Nachtlager aufgeschlagen.

Neben dieser elenden Ruhestatt der bejahrten Beate stand ein morsches Tischchen. An diesem saß sie gewöhnlich. Dabei huschelte die Katze hinter ihrem Rücken. Der Tisch war zugleich der Aufbewahrungsort für die ärmlichen Nahrungsmittel. Hier lag ein Laib Brod. Vorn war derselbe mit Schimmel bedeckt, hinten hatten ihn die Mäuse benagt. Dort stand ein Rest gekochter Kartoffeln. Mitten auf dem Tische erblickte man eine thönerne Kaffeekanne. Vor ihr stand eine halbzerbrochene Tasse. Zwischen beiden sah man ein Häuflein grobes Salz.

[S. 110]

Dicht bei der Thür knisterte ein kleiner Blechofen. Eine Hand voll dürrer Aeste lag zu seinen Füßen. An der einen Wand hing ein verblichenes Christusbild. Unter ihm war ein handgroßer Spiegel befestigt. Rechts davon erblickte man das Bildniß des Landesvaters. Links davon sah man ein aus einem Kalender geschnittenes Schlachtenbild. Die Wände selbst befanden sich in einem sehr kläglichen Zustande. Oben drang das Regenwetter herein. Unten war das Gebälk vom Moder zerfressen. Ueber dem einzigen Fensterchen zeigte sich sogar ein fast einen Centimeter breiter Riß.

So fand das Auge nirgends eine kleine Befriedigung. Ueberall trat ihm das Bild der Armuth entgegen.

116. Sturax.

(Wohin? Umstands- und Verhältnißwörter.)

Der alte Schäfer Thomas hatte einen vortrefflichen Jagdhund. Er hieß Sturax. Sturax war ein überaus kluges Thier. Er kannte die besten Weideplätze ganz genau. Bald trieb er deshalb die Schafe links dahin. Bald führte er sie rechts. Jetzt mußten sie vorwärts gehen. Nach einer Weile drängte er sie seitswärts. Er selbst rannte dabei stets hin und her. In diesem Augenblicke eilte er dorthin, im nächsten jagte er wieder hierhin.

Im späteren Herbste durfte sich die Heerde überallhin zerstreuen. Einige Schafe begaben sich dann nach dem nahen Waldrande. Andere grasten an einem Bache fort. Eine Anzahl kletterte auf die Hügel. Einzelne zogen sich unter Gebüsch zurück.

An solchen Tagen legte sich Sturax meist zu den Füßen des alten Thomas. Ohne Auftrag lief er dann nirgends hin. Seine Augen aber flogen dabei hinüber und herüber. Sie verfolgten die einzelnen Schafe bergauf und thalab.

Endlich sank dann die Sonne hinter die fernen Gebirgshäupter.[S. 111] Dämmerung lagerte sich über die Flur. Da gab Thomas das Zeichen zur Heimkehr. Sogleich trieb Sturax die zerstreute Heerde zu dem Hirten zurück. Langsam schritt dieser nun voraus. Geduldig folgte die Heerde durch Dick und Dünn. Hierbei übte Sturax wieder das Wächteramt nach allen Seiten hin.

So gelangte die Schaar endlich vor den Schafstall. Aber auch hier trat der treue Hund noch nicht ab. Er begleitete sein Volk noch in den Stall hinein.

117. Treibjagd.

(Woher? Umstandswörter und Verhältnißwörter.)

Die Jäger standen in einem weiten Kreise postirt. Der Schnee fiel in dichten Massen hernieder. Das störte sie nicht.

Bald erscholl das Lärmen der Treiber daher. Einige kamen von den Anhöhen herab. Andere kletterten von den nahen Felsen herunter. Von links schrillten Pfeifen. Von rechts nahten die Fuchsklappern. Wieder wo andersher ertönte Peitschengeknall.

Das gescheuchte Wild stürzte von allen Seiten herbei. Aus dem Walde kamen eine Menge Hasen. Rehe fegten über die kahlen Stoppelfelder daher. Ein feister Hirsch jagte von seitwärts auf die Jäger zu.

Mochten aber die armen Thiere von daher oder dorther kommen, das Blei aus dem Rohre der Jäger brachte ihnen den Tod.

Wiederholung der Ortsbestimmung.

118. Die Elbe.

(Wo? Wohin? Woher?)

Die Elbe entspringt auf dem Riesengebirge. Sie fließt zunächst durch den östlichen Theil Böhmens. Bei dem Städtchen[S. 112] Melnik wird sie schiffbar. Auf ihrem Rücken schaukeln hier schon bedeutende Kähne. Unweit Schandau tritt sie nach Sachsen ein. Sachsen empfängt also den herrlichen Strom aus Böhmen.

In der Nähe des Städtchens Strehla verläßt er den sächsischen Staat wieder. Von hier an lenkt er seinen Lauf westlich. Sein Sinn steht nach Magdeburg. Dort bildet die Elbe eine sehr belebte Handelsstraße. Von Magdeburg weg steuert sie weiter nach Norden. Endlich windet sie sich aus der nördlichen Ebene heraus. Dicht bei Hamburg nimmt sie noch eine bedeutende Breite an. Mehrere Meilen von dieser Stadt ergießt sie sich dann in die Nordsee.

Die Elbe nimmt auf ihrem langen Laufe viel Nebenflüsse auf. Eine große Zahl kommt von Westen daher. Andere strömen ihr von Osten her zu. Ihre Ufer sind fast überall sehr fruchtbar. Die reizendsten derselben liegen zwischen Bodenbach und Schandau. Die Elbwellen tragen eine Menge Kaufmannsgüter nach Süden. Aus der Tiefe dieses Flusses holt der Fischer manche Delicatesse für unsern Tisch. An seinem Gestade liegt manche schöne Stadt. Ueber seinen Spiegel führt manche schöne Brücke. In seine Fluten taucht zur Sommerzeit manch liebes Menschenkind.

119. Die Luft.

(Fortsetzung.)

Luft gibt es überall. Sie befindet sich sogar im Wasser. Sie dringt in den kleinsten Raum. Sie kommt aus dem winzigsten Pflanzenzellchen.

Die Luft lenkt ihre Strömungen nach allen Himmelsgegenden. Sie bläst aus allen Winkeln der Windrose. Luft ist selbst noch im sogenannten luftleeren Raume enthalten.

Sie erhält allenthalben das Leben. Selbst in das todte[S. 113] Steinreich trägt sie Schöpfungskraft. Sie fächelt säuselnd durch die Haine. Sie rauscht als Wind durch die Gipfel. Sie wüthet als Sturm in den Wäldern. Sie braust als Orkan vom Meere herüber.

Des Windes Sausen hörest Du. Du weißt indeß nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt.

Hauptwiederholung.

120. Die neue Gutsherrschaft.

(Subject, Prädicat, Ergänzungen. Ortsbestimmungen.)

Eine mit zwei muthigen Apfelschimmeln bespannte Karosse aus der berühmten Wagenbaufabrik der königlichen Residenz brachte dem dichtbevölkerten Dorfe W. bei der fabrikreichen Stadt Ch. die neue Gutsherrschaft den mit Ehrenpforten geschmückten Dorfweg daher.

Die zahlreiche Jugend des großen Schulbezirks widmete dem jungen Paare aus einem altadligen Geschlechte am fahnengeschmückten Eingange des frohbewegten Ortes einen mehrstimmigen Gesang nach einer reizenden Composition des alten Cantors.

Der ehrwürdige Pfarrer des wohlhabenden Kirchspiels sprach unter einer riesigen Linde inmitten des weitgedehnten Dorfes der mit Jubel begrüßten Gutsherrschaft die herzlichsten Glückwünsche der gesammten Gemeinde aus.

Der beliebte Seelsorger nannte von seinem altarähnlichen Tritte herab den jungen Herrn einen bekannten Freund christlicher Sitte.

An dem dichtbekränzten Thore des umfangreichen Rittergutes überreichte der bejahrte Schulze des betreffenden Ortes dem nunmehrigen Schutzherrn der zahlreichen Bewohnerschaft ein kostbares Jagdgewehr neuester Einrichtung.

Der liebenswürdigen Gemahlin des jungen Herrn dagegen[S. 114] schenkte die schmucke Tochter des reichsten Bauers des festgestimmten Ortes auf dem weiten Hofe des alterthümlichen Rittersitzes ein mächtiges Butterfaß mit silbernen Reifen.

An der beflaggten Thür des sogenannten Herrenhauses übergab wiederum die männliche Dienerschaft des gnädigen Herrn dem neuvermählten Paare einen geschnitzten Holzteller mit einem hausbackenen Brode.

Der männlichschöne Graf freute sich im tiefsten Grunde seines gefühlvollen Herzens der vielen Beweise vertrauensvoller Gesinnung von seiten der biederen Ortsbewohner.

Diese sinnige Feier ihres heutigen Einzugs in ihren neuen Wohnsitz blieb dem ehrenwerthen Paare eine freundliche Erinnerung auf den bunten Blättern ihrer beiderseitigen Lebensgeschichte.

Der Umstand der Zeit.

121. Ein Brief.

(Wann? Umstands- und Verhältnißwörter.)

Lieber Theodor!

Vorgestern ist unsere Reise nach Amerika zur Gewißheit geworden. Ueber ein Kleines wirst Du mich also nicht mehr sehen. Mein Vater verkauft bereits unsere Möbeln. Unser Haus ist unlängst in die Hände meines Onkels übergegangen. Derselbe wird nächstens auch meines Vaters Geschäft übernehmen. Sie sind heute um den Kaufpreis einig geworden.

Auch ich habe soeben ein Verkaufsgeschäft abgeschlossen. Nachbars Otto erhält nämlich heute noch meine Kaninchen. In einer Stunde werden sie abgeholt. Für mein Eichhörnchen wird sich hoffentlich auch bald ein Liebhaber finden. Ich habe schon mein Absehen auf Jemand gerichtet. Es muß indeß nicht Alles[S. 115] sogleich verkauft sein. Es hat noch bis zum ersten Juni Zeit damit.

Während der letzten Tage ist eine merkwürdige Veränderung mit mir vorgegangen. Ich hatte sonst diese Thiere unendlich lieb. Jetzt kann ich sie gleichgiltig hingeben. Vor vier Wochen bot mir ein Engländer zwei Thaler für das Eichhörnchen. Neulich wollte er sogar drei Thaler dafür geben. Ich hätte es ihm damals um keinen Preis abgelassen. Und nun habe ich zehn Groschen dafür erhalten.

So herrscht gegenwärtig in meinem Hause ein eigenthümliches Leben. Vor acht Tagen noch befand sich Alles darin in schönster Ordnung. Jetzt geht es bunt durcheinander. Hoffentlich wird nach kurzer Zeit alles Entbehrliche verkauft sein. In den letzten Tagen unseres Hierseins werden wir freilich ein ziemlich ungemüthliches Leben führen müssen. Ich tröste mich indeß während dieser Zeit mit den Worten meines Vaters. Er sagte kürzlich: Einst wird’s besser!

Zu nächstem Sonntage werde ich Dich noch einmal besuchen. Später würde mir ein Besuch nicht gut mehr möglich sein. Ich werde jedenfalls vormittags gegen neun Uhr bei Dir eintreffen. Vielleicht brauche ich erst abends heimzukehren.

Sitzen wir dann zusammen in der Laube, wird Dir noch Mancherlei von seiner bevorstehenden Reise erzählen

Dein Bruno.

122. Der Gemsjäger.

(Wie lange? Seit wann? Umstands- und Verhältnißwörter.)

Ein Gebirgsreisender begleitete einen alten Gemsjäger bei drei Stunden. Dabei erzählte der Alte fortwährend von seinem Jagdleben.

„Ich bin“, sagte er unter Anderem, „seit acht Tagen von heim fort. Von früh bis abends durchstöbere ich das Gebirge. Dabei[S. 116] gibt es natürlich unaufhörlich zu steigen. Ueberdies ist man jederzeit jeder Witterung ausgesetzt. Auch hat man fast immer mit Gefahren zu kämpfen. Namentlich muß man auf den hohen Felsenpfaden stets auf der Hut sein. Ich habe einmal über zwei Stunden über einem Abgrunde gehangen. Ein andermal bin ich beinahe drei Tage ohne einen Trunk Wasser gewesen.

Die Gemsjagd ist überhaupt nicht Jedermanns Ding. Der Gemsjäger muß oft tagelang hinter einem Verstecke aushalten. Er muß stundenlang regungslos liegen können. Dabei muß natürlich ununterbrochen ausgeschaut werden. Er muß ja jederzeit einer Gemse gewärtig sein. Und das gibt unausgesetzt Aufregung.

Trotz alledem aber wird die Gemsjagd ewig ihre Reize behalten. Ich selbst bin schon gegen vierzig Jahre Gemsjäger. Und ich werde es bleiben bis an mein Ende.“

123. Ein alter Krieger.

(Wie oft? Umstands- und Verhältnißwörter.)

Der alte Nachtwächter Schmiedel war ein vielerfahrener Mann. Er war dreimal mit ins Feld gezogen. Er hatte gegen zehnmal im Feuer gestanden. Jederzeit mußte er zu den Tapfersten gezählt werden. Merkwürdigerweise war er jedesmal ohne Verwundung davongekommen.

Er erzählte übrigens selten von seinen Heldenthaten. Nur dann und wann vermochte ihn ein guter Freund zur Mittheilung seiner Erlebnisse zu bewegen. Zuweilen gedachte er dabei mit Seufzen der blutigen Jahre. Manchmal pries er wieder jene große Zeit.

Schmiedel hatte also dem Vaterlande oft große Dienste geleistet. Er hatte demselben mitunter große Opfer gebracht. Und jetzt? Jetzt mußte er täglich in nächtlicher Stille das Dorf bewachen. Jetzt mußte er Nacht für Nacht die einsame Runde[S. 117] machen. Nicht über zwölfmal das ganze Jahr hindurch hatte er eine Nacht frei. Und welches war sein Gehalt? Er erhielt allmonatlich vier Thaler. Das macht jährlich achtundvierzig Thaler.

So ist gewöhnlich Undank der Welt Lohn. Die einstigen Thaten der heldenmüthigen Krieger werden nicht selten später vergessen.

124. Moses.

(Wiederholung aller Zeitbestimmungen.)

Der kleine Moses war lange das Angstkind seiner Eltern. Seine Mutter hielt ihn geraume Zeit versteckt. Sein kindliches Weinen erfüllte sie gewiß sehr oft mit Zittern. Es konnte ja jeden Augenblick von den ägyptischen Kindesmördern gehört werden. Um sein Leben wäre es dann geschehen gewesen.

Seit Wochen schon mochte die geängstigte Mutter über einen Rettungsplan nachdenken. Nächtelang mochte sie darüber sinnen. Täglich mochte sie den lieben Gott um einen glücklichen Gedanken bitten.

Der Knabe entwickelte sich bereits merklich. Seine Stimme wurde von Tag zu Tag heller. Noch immer aber fand die arme Mutter keinen Rettungsweg. Und so steigerte sich fast stündlich ihre Sorge um sein Leben. Durchstreiften doch Pharao’s Knechte wiederholt die israelitischen Hütten.

Da endlich kam der Geängsteten ein glücklicher Gedanke. Er sollte auch sogleich ausgeführt werden. Sie holte alsbald Weidenruthen herbei. Schon nach wenig Stunden war ein Körbchen geflochten. Darauf klebte sie es mit Pech aus. Jetzt füllte sie es zur Hälfte mit Stroh. Und so stand die seltsame Wiege bald fix und fertig da.

In dieses Körbchen legte nun die Mutter ihren Liebling. In aller Frühe des nächsten Tages erblickte man es zwischen dem hohen Grase des Nils. Gerade an dieser Stelle kam ja[S. 118] selten ein Aegypter vorbei. Nur die menschenfreundliche Königstochter nahm gewöhnlich ihren Spaziergang in diese Gegend. Ueberdies mußte auch die Schwester des Knaben unausgesetzt Wache halten. Sie mußte fortwährend nach dem Kleinen sehen. Auch sollte sie zuweilen der Mutter über sein Befinden berichten. Ueberdies sah die Mutter gewiß selbst manchmal nach ihm.

Hier nun wurde das Kind wenige Stunden darauf von der Königstochter entdeckt. Diese besann sich ob ihres Thuns keinen Augenblick. Das Kind wurde sofort einer Amme zur Erziehung übergeben. Die Amme war bekanntlich des Kindes eigene Mutter.

Zehnmal hätte diese der edlen Prinzessin vor Freuden die Hand küssen mögen. Unzählige Male mag die glückliche Mutter dem lieben Gott für die Rettung ihres Kindes gedankt haben.

Nach einer Reihe von Jahren nahm die Prinzessin den nun zum Jünglinge erwachsenen Findling als ihren Sohn an. Von jetzt an führte er den Namen Moses.

Moses bewahrte seinem Volke stets ein theilnehmendes Herz. Er besuchte es fast täglich bei seiner Sklavenarbeit. Leider wurde er eines Tages aus Liebe zu seinen Brüdern zum Todtschläger. Er hätte sein Gewissen vor der That fragen sollen. Es räth jederzeit das Rechte.

Moses mochte wol von Jugend an etwas jähzornig sein. In der Wüste dachte er später gewiß zuweilen an seine That zurück. Sicher hat er sie hundertmal bereut.

Hauptwiederholung.

125. Jäger und Müller.

(Subject, Prädicat, Ortsbestimmung. Ergänzungen.)

Der braune Hund des herrschaftlichen Jägers hatte den ersten Dienstag nach dem heiligen Osterfeste auf dem grünen[S. 119] Gemeindeanger des kleinen Dorfes K. dem reichen Müller der neugebauten Mühle eine fette Henne aus dem theuern Geschlechte der Perserhühner erbissen.

Die nächste Mittwoch darauf erschlug der rachsüchtige Müller dem unschuldigen Jäger unweit des alten Gottesackers hinter dem niedrigen Kirchlein eine junge Gans mit schwarzen Flügeln.

Zudem nannte der jähzornige Mühlenbesitzer den braven Herrn jenes Hundes denselben Tag noch in dem vielbesuchten Gasthause zum braunen Stier einen elenden Pfuscher des edlen Waidwerkes.

Wenige Tage darauf überreichte ein uniformirter Diener des nächsten Gerichtsamtes dem schnöden Beschimpfer eines achtbaren Mannes vor dem eisernen Thore seines geräumigen Gehöftes eine versiegelte Vorladung zum baldigen Erscheinen vor Gericht.

Der beleidigte Forstmann hatte nämlich drei Tage nach jener Verunglimpfung geeigneten Ortes den ernannten Wächtern des schützenden Gesetzes die entehrende Auslassung des hitzköpfigen Müllers angezeigt.

Drei ehrsame Gäste jenes bekannten Gasthauses versicherten zur betreffenden Stunde im öffentlichen Gerichtslokale die anwesenden Richter der reinen Wahrheit der schriftlichen Aussage des beleidigten Jägers.

Eine Stunde später verkündete der beleibte Vorsitzende des Gerichts dem ergrimmten Angeklagten in einem besonderen Zimmer des kolossalen Gerichtshauses die gesetzliche Verurtheilung zur mündlichen Abbitte der ausgesprochenen Beleidigung.

Von dieser Zeit an erklärte sich der bestrafte Müller allerorts als einen unversöhnlichen Feind des Jägers.

Dieser indeß ließ jenem niemals irgendwo etwas von Erbitterung merken.

[S. 120]

Der Umstand der Weise.

126. Mißgeschick.

(Umstandswörter, Hauptwörter mit und ohne Verhältnißwörter.)

Konrad war unter vielen Entbehrungen herangewachsen. Er hatte sein Brod mit Thränen essen müssen. Trotzdem sah man ihn immer zufriedenen Sinnes.

Seine Eltern waren höchst brave Leute. Im Schweiße ihres Angesichts aßen sie ihr Brod. Sie arbeiteten fleißig. Sie sparten auch nach Kräften. Vergeblich doch strebten sie nach Verbesserung ihrer bedrängten Lage. Sie vermochten bei allem Entsagen keinen Vorsprung zu gewinnen. Und warum das? Weil die Lebensmittel unerhört im Preise stiegen. Ebenso gingen die Preise aller anderen Lebensbedürfnisse in die Höhe. Fast kein Quartal ging ohne Steigerung des Miethzinses vorüber.

Konrad stand seinem Vater in der Arbeit treulich zur Seite. Er wollte sein täglich Brod nicht umsonst essen. Und so war es auch recht. Gerade so sollten alle ärmeren Kinder thun.

Konrad’s Vater war ein außerordentlich kräftiger Mann. Noch nie hatte er sich krank gefühlt. Er lebte deshalb in Hoffnung auf ein hohes Alter. Der liebe Gott indeß wollte es anders.

Mit neugestärkten Kräften ging der rüstige Mann eines Morgens in den Wald. Wie ein Riese schritt er unter den Tannen dahin. Frohen Muthes setzte er bald darauf einem mächtigen Baume die Axt an die Wurzel. Lustig hallten die kräftigen Axtschläge den Wald entlang.

Mehrere Stunden mochte der Brave bereits angestrengt gearbeitet haben. Da überkam ihn urplötzlich ein eigenthümlicher Schwindel. Er legte schleunigst die Axt aus der Hand. Einige Minuten suchte er sich nach Kräften noch zu halten. Darauf[S. 121] aber schwand ihm allmälig die Besinnung. Er stürzte unter einem tiefen Seufzer zu Boden. Nach einer Viertelstunde lag er als Leiche da.

Aufs tiefste erschüttert trugen ihn die andern Waldarbeiter heim. Konrad vermochte das Unglück augenblicklich kaum zu fassen. Stieren Blickes blieb er eine geraume Zeit vor der Leiche stehen. Dann aber warf er sich mit einem Aufschrei der Verzweiflung über sie hin. Unter heißen Thränen küßte er die kalten Lippen. Nur mit Mühe vermochte man ihn von dem geliebten Todten zu entfernen.

Verhältnißmäßig gefaßter zeigte sich Konrad am Begräbnißtage. Ohne lautes Wehklagen folgte er dem Sarge. In stiller Ergebung blickte er in das offene Grab hinab. Festen Glaubens schaute er dann zum Himmel empor. Nach frommer Weise betete er schließlich für den Geschiedenen ein stilles Vaterunser.

So war jetzt Konrad unerwartet vaterlos geworden. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hatte ihn das Geschick ereilt. Aber er verlor nicht kleinmüthig die Hoffnung. Mit Gott auf eigenen Füßen! Also lautete von jetzt an sein Wahlspruch. Und Gott der Herr führte ihn wohl.

127. Ein Stier.

(Desgleichen.)

Ein unlängst gefangener Stier tobte gewaltig innerhalb seiner vier Pfähle. Funkelnden Auges maß er den engen Raum seines Gefängnisses. Unter wildem Grunzen rannte er darin umher. Plötzlich stand er einige Minuten still. Gleich darauf stürzte er mit wüthendem Gebrüll über seinen Freßtrog her. Derselbe wurde ohne Gnade zertrümmert. Jetzt wühlte das Unthier mit seinen Hörnern wie verzweifelt den Boden auf. Dabei warf es die Erde hoch empor. Sogar Steine flogen sausend durch die Luft. Noch aber war damit seine Wuth nicht im mindesten gekühlt.[S. 122] Gesenkten Kopfes rannte es hierauf wieder gegen die eiserne Umzäunung. Unter Gekrach prallte die dicke Stirn an die festen Stäbe. Die Bestie schien allen Ernstes die Gitter durchbrechen zu wollen. Die Versuche liefen allerdings nicht ohne einige Verwundungen für dasselbe ab.

Auf das furchtbare Gebrüll hin eilten die Wärter des Thiergartens schleunigst herbei. Sie wollten anfänglich den Unhold in Güte besänftigen. Aber sie bemühten sich umsonst. So leichten Spieles sollten sie nicht zum Ziele gelangen.

Endlich schritten die kräftigen Männer mit Knütteln ein. Ohne Schonung schlugen sie auf das Thier los. Wie Hagelwetter fielen die Hiebe auf dasselbe nieder.

Nur auf diese Weise brachte man den Rasenden zur Besinnung. Dumpf grollend zog er sich schließlich in seinen Stall zurück.

Hauptwiederholung.

128. Schulprüfung.

(Subject, Prädicat, Zeit, Ort, Art und Weise, Ergänzungen.)

Morgens acht Uhr widmete der hochbejahrte Director des städtischen Waisenhauses von seinem schwarzen Pulte aus mit aller Innigkeit seines weichen Herzens den anwesenden Geistlichen der protestantischen Kirche eine ehrfurchtsvolle Begrüßung.

Der älteste unter den anwesenden Seelsorgern erwiderte gleich darauf von seinem Platze aus in schlichter Rede dem braven Oberhaupte dieser bewährten Wohlthätigkeitsanstalt einen herzlichen Gegengruß.

Nach der erbaulichen Religionsstunde rechnete der dreizehnjährige Oberste der munteren Knabenschaar an der großen Wandtafel seinen aufmerksamen Mitschülern nach den einfachsten Regeln der Rechnenkunst ein schwieriges Exempel aus der zusammengesetzten Zinsrechnung vor.

[S. 123]

Hierauf trug der jüngste Schüler der obersten Klasse den fremden Anwesenden vom niederen Trittbrete des schmalen Katheders herab in gelungenster Weise das lange Gedicht vom braven Manne vor.

Während dieses ganz vorzüglichen Vortrags warf der später eingetretene Bürgermeister der betreffenden Stadt von seinem entfernten Sitze aus dem wohlgeübten Declamator mit sichtlicher Freude wohlwollende Beifallsblicke zu.

Später entwickelten mehrere Knaben der ersten Abtheilung unter der geschickten Leitung eines gewandten Lehrers an der prachtvoll colorirten Wandkarte des neuen deutschen Reiches der strengen Prüfungscommission ihre bedeutenden Kenntnisse in der vaterländischen Geographie.

Gegen zehn Uhr zeigte ein dritter Lehrer des wohlgeleiteten Waisenhauses in einer kleinen Nebenstube unter einigen erläuternden Bemerkungen den erwachsenen Zeugen der öffentlichen Prüfung die von den verschiedenen Zöglingen der Anstalt gefertigten Papparbeiten.

Indessen folgten sämmtliche Zöglinge geräuschlos ihrem geschickten Turnlehrer als militärisch geordnete Reihen auf den geräumigen Turnplatz hinter dem wohlgepflegten Blumengarten des verdienstvollen Directors.

Hier zeigte binnen einer Stunde ein jeder den zahlreichen Zuschauern nach Kräften seine besondere Geschicklichkeit in der nützlichen Kunst des Turnens.

Schließlich machte der helle Klang der lieben Mittagsglocke vom nahen Thurme herab der munteren Arbeit plötzlich ein Ende.

Mit Schluß der gegenwärtigen Turnprüfung sprach der würdige Oberpfarrer der schöngelegenen Stadt gleich auf dem freien Platze neben den verschiedenen Turngeräthen ohne allen Rückhalt den fleißigen Schülern der wackeren Anstalt seine volle Zufriedenheit mit ihren heutigen Leistungen aus.

[S. 124]

Der Umstand des Grundes.

129. Unverstand.

(Ursache oder Sachgrund. Durch Verhältnißwörter.)

Auf dem Tische stand eine brennende Petroleumlampe. Das Oel darin war durch die Flamme warm geworden. Der Cylinder glühte vor Hitze. Da kam von ungefähr der zehnjährige Karl an den Tisch. Aus purem Unverstande blies er in die Flamme hinein. Durch den Luftdruck aber schlug dieselbe in den Ballon. Vermöge der plötzlichen Glut zersprang dieser.

Karl prallte vor Schreck zurück. Infolge des Knalles sprang sein Vater herbei. Glücklicherweise löschte er das Feuer sogleich durch Ueberschütten mit Asche.

Der unvorsichtige Knabe hätte von Rechtswegen tüchtige Strafe verdient. Auf sein inständiges Bitten aber erließ sie ihm der Vater. Wegen des gehabten Schreckens wurde Karl indeß noch denselben Tag ernstlich krank.

130. Lohn der Wißbegier.

(Beweggrund.)

Der junge Bauer Ehrenreich kaufte sich aus Wißbegierde ein Buch nach dem andern. Um der Bereicherung seiner Kenntnisse willen las er oft bis in die Nacht hinein. Wegen eines neuen Werkes konnte er bei dem schlechtesten Wetter den Weg in die ferne Stadt unternehmen. Seines Lerndranges halber legte er sich auch naturhistorische Sammlungen an. Später unternahm er sogar seiner Ausbildung halber größere Reisen.

Um seiner Kenntnisse willen ehrte man ihn daher auch in seinem Dorfe allgemein. Man zog aus Achtung die Mütze vor ihm ab. Seiner reichen Erfahrungen wegen betraute man ihn[S. 125] später mit verschiedenen Aemtern. Seines klaren Urtheils halber wählte man ihn endlich sogar zum Schulzen des Ortes. Kraft ihrer inneren Ueberzeugung hielten die Ortsbewohner ihn allein für geeignet dazu.

Und Ehrenreich füllte um der Wohlfahrt seines Vaterdorfes willen seine Stellung würdig aus. Nie handelte er aus Eigennutz. Nie stiftete er Gutes blos der Ehre halber.

131. Der tolle Hund.

(Erkenntnißgrund.)

Ein Jäger sah einen Hund am Raine kauern. In dem Gebaren des Thieres lag etwas Verdächtiges. Dem Aussehen nach mußte er krank sein.

Der Jäger trat ihm näher. An dem geifernden Maule des Thieres erkannte er jetzt dessen Tollwuth. Besonders deutlich sprach diese schreckliche Krankheit aus den triefenden Augen. Der Gleichgiltigkeit des Thieres wegen schloß der Jäger allerdings auf sein baldiges Ende. Aus seinem jämmerlichen Winseln ließ sich die Größe seiner Schmerzen ermessen. An seinen kläglichen Blicken hätte man fast das Verlangen nach Erlösung erkennen mögen.

Zufolge dieser Erscheinung hielt der Jäger das Thier für nicht mehr gefährlich. Einige Sekunden darauf machte er durch eine Kugel den Leiden desselben ein Ende. Den jetzt sichtbar werdenden Zähnen nach mußte das Thier noch jung sein. Laut der Inschrift des Halsbandes gehörte es dem Arzte des nächsten Dorfes.

132. Jahrmarktsgeschenke.

(Zweck und Stoff.)

Eine Mutter brachte für ihre Kinder allerhand Geschenke vom Jahrmarkte mit. Paul bekam eine Windmühle zum Spielen.[S. 126] Ewald erhielt ein Kästchen für seine Schiefer. Leopold schenkte die Mutter ein Sprungseil zum Turnen. Elise übergab sie ein Körbchen zu ihren Stickereien.

Mit dem Ankaufe dieser Geschenke hatte die Mutter für die armen Blinden ein gutes Werk gethan. Alle diese Sächelchen nämlich waren im Blindeninstitute gefertigt.

Die Windmühle war aus Pappe zusammengeleimt. Das Kästchen hatte einer jener blinden Knaben aus Draht geflochten. Das Sprungseil war aus Hanf geflochten. Das Körbchen mußte aus Lindenholz geschnitzt sein.

Die vier Geschwister dankten der guten Mutter aufs herzlichste für die hübschen Sächelchen.

133. Heuchler.

(Wiederholung. Ursache. Beweggrund. Erkenntnißgrund. Zweck. Stoff.)

Heuchler erkennt man an ihren Mienen. Sie spielen die Frommen aus schlauem Eigennutze. Sie leben blos für den Schein. Durch dieses Wesen aber verlieren sie alle Achtung. Man flieht sie um ihrer Falschheit willen.

Ein Heuchler ist ja nur aus Lug zusammengesetzt. All sein Handeln ist auf Täuschung berechnet. Er lebt für trügliches Blendwerk.

134. Der Wagehals.

(Desgleichen.)

Richard ging zu seinem Vergnügen an einem mit Eis bedeckten Teiche hin. Der geringen Kälte halber war das Eis noch nicht stark. Richard vermochte sich vor dem Verlangen nach einem Wagestückchen nicht zu halten. Aus reinem Uebermuthe[S. 127] betrat er die schwache Eisdecke. Infolge der Last des Knaben brach leider diese sofort zusammen.

Auf das Geschrei des Verunglückten eilte ein fremder Mann herbei. Seiner Kleidung nach schien er ein Fleischer zu sein. Er hatte aus den verzweifelten Tönen sogleich die lebensgefährliche Lage des Knaben erkannt. Und er schreckte nicht aus Furcht vor dem Rettungswerke zurück.

Aus Mitleid mit dem Armen springt er ohne Zögern in den Teich. Schon in der nächsten Minute ist Richard durch den edlen Muth des Fremden gerettet. Vor Schreck ist der Knabe leichenblaß geworden. Seine Glieder zittern vor Frost. Dieses bedenklichen Zustandes wegen führt ihn sein Retter schleunigst nach Hause.

Die Mutter erkennt an den triefenden Kleidern des Knaben sofort den traurigen Vorfall. Sie läßt aus Vorsicht den Arzt rufen. Dieser aber schließt aus dem Pulsschlage des Kindes auf keine bedenklichen Folgen. Nach seinem Urtheile ist das Bette die beste Medicin für den noch Zitternden. Es soll vor allen Dingen zu dessen Erwärmung dienen.

Richard’s Vater wollte den fremden Mann für seine edle That belohnen. Dieser aber wünschte um seines Liebesdienstes willen durchaus nicht belohnt zu sein. Aus reiner Uneigennützigkeit nannte er nicht einmal seinen Namen. Sein ganzes Wesen bestand aus echtem Christensinn.

Hauptwiederholung.

135. Ein Bombardement.

[Subject. Prädicat. Zeit. Ort. Weise. Grund (Zweck). Ergänzungen.]

Der tapfere Commandant von zwölf gezogenen Batterien sendete auf erhaltenen Befehl des berühmten Feldmarschalls M.[S. 128] bereits seit vierundzwanzig langen Stunden ohne die geringste Unterbrechung von einer bewaldeten Anhöhe aus der starkbefestigten Stadt R. seine wohlgezielten Vollgeschosse.

Ebenso lange überschüttete die hartbedrängte Besatzung der belagerten Feste zum Schutze des gefährdeten Bollwerks mit seltenem Muthe von ihren wohlgeschützten Wällen herab die eisernen Linien des überlegenen Feindes mit verheerenden Sprengkugeln.

Viele der in Todesgefahr schwebenden Einwohner entflohen aus Furcht vor einem blutigen Sturme ängstlich klopfenden Herzens durch einen verdeckten Gang der hinteren Stadtmauer der weiten Stätte furchtbaren Grauens.

Die beherzteren Charaktere dagegen boten zur Unterstützung ihrer kämpfenden Brüder selbst während der heftigsten Kanonade in den am meisten bedrohten Stadttheilen mit wahrer Todesverachtung allen Gefahren männlichen Trutz.

Mit aller Inbrunst ihrer zitternden Herzen flehte in einer unterirdischen Kapelle des bereits stark beschädigten Domes eine große Anzahl frommer Frauen der inneren Stadt wiederholt den allmächtigen Herrn des Himmels um seinen gnädigen Beistand zur endlichen Zurückwerfung des mächtigen Feindes.

Einige Hundert der wackeren Vertheidiger der geängstigten Stadt waren bereits bis gegen Mittag auf den äußersten Forts für die Rettung der Stadt in treuer Erfüllung ihrer heiligen Soldatenpflicht den feindlichen Kugeln zum Opfer gefallen.

Inmitten der schreckenreichen Nacht entzündeten im innern Theile der Stadt zum Entsetzen der armen Einwohner die sprühenden Brandgeschosse des ungestümen Belagerungsheeres unbarmherzig den ziemlich erschöpften Gegnern eins der stärksten Pulvermagazine.

Die furchtbare Explosion richtete infolge des ungeheuren Luftdrucks in der kurzen Zeit von wenig Minuten an jener[S. 129] Stelle unter entsetzlichem Gekrache den vielen Umwohnenden sehr bedeutenden Schaden an.

Zur Beendung des mörderischen Kampfes befahl der feindliche General den nächsten Morgen gegen fünf Uhr von seinem hochgelegenen Beobachtungspunkte aus mittelst weithin schallender Trompetensignale seinen wohlgeübten Fußtruppen zu stürmen.

Schon nach einer Viertelstunde verzweifelter Gegenwehr ließ der bejahrte Festungscommandant tieferschütterten Herzens von dem hohen Thurme des alten Rathhauses herab dem Feinde zum Zeichen der Ergebung die weiße Fahne entgegenwehen.

136. Zu Weihnachten.

[Desgleichen. — Subject, Prädicat, Zeit, Ort, Weise, Grund (Zweck), Ergänzung, Stoff.]

Die wohlerzogenen Kinder eines reichen Kaufmanns der großen Residenz schenkten einander zur gegenseitigen Ueberraschung auf wahrhaft herzliche Weise zum jedesmaligen heiligen Weihnachtsabende im Angesicht des festlich geschmückten Christbaums allerhand selbstgefertigte Sächelchen aus verschiedenen Stoffen.

Wieder einmal stieg die heilige Weihnachtszeit im feierlichen Gewande aus Myriaden Diamanten zur allgemeinen Freude der christlichen Kinderwelt vom Himmel hernieder.

Auch dieses Jahr wollten jene freundlichen Kinder aus aufrichtiger Liebe zu einander in ihrem trauten Kreise in aller Stille jener löblichen Gewohnheit ihr altes Recht werden lassen.

Die zehnjährige Gertrud stickte während der letzten acht Tage vor dem Feste in der nahen Behausung ihrer getreuen Schulfreundin ihrem munteren Bruder Günther für seine beliebten Ferienausflüge eine kleine Reisetasche aus bunter Wolle zum Umhängen.

[S. 130]

Der lebhafte Günther dagegen schnitzte dieser seiner Schwester zur Aufbewahrung ihrer niedlichen Schmucksächelchen in seinen Freistunden in der engen Familienwohnung des alten Markthelfers seines Vaters mit außerordentlicher Sorgfalt ein länglich viereckiges Kästchen aus bräunlichem Buchenholze.

Die ältere Schwester Martha häkelte nach dem jedesmaligen Abendbrode in des guten Papas geräumiger Schreibstube unter dem halblauten Gesange sinniger Lieder dem gutmüthigen Bruder Hans aus kluger Rücksicht auf seine große Liebe zu der schönen Tugend der Sparsamkeit eine mittelgroße Geldbörse von glänzenden Perlen.

Der sanfte Hans wieder flocht der geliebten Schwester Martha innerhalb dreier Tage in dem schmalen Comptoirstübchen des väterlichen Geschäftes fast ohne jegliches Werkzeug zur Bequemlichkeit bei ihren vielen Nadelarbeiten einen allerliebsten Wandkober aus feinem Silberdrahte.

Der neckische Julius endlich baute gelegentlich in der etwas düsteren Garderobenstube seiner geliebten Mutter mit sichtlichem Vergnügen seinem kleinen Bruder Leo zur zeitweiligen Unterhaltung eine mächtig große Windmühle aus dauerhafter Pappe.

Auch die brave Mutter der liebenswürdigen Kinder blieb zur Erhöhung der Festfreude für ihre Lieblinge während dieser letzten Zeit vor Weihnachten in ihren vier Pfählen bei allen sonstigen häuslichen Besorgungen nicht unthätig.

Die gute Mutter arbeitete mit geschickten Händen ununterbrochen hinter verschlossenen Thüren allen ihren Kindern für die kalten Wintertage warme Anzüge aus gleichfarbigem Tuche.

Auf diese Weise bereitete der heilige Abend alle Jahre in diesem herzlichen Familienzirkel zu aller Herzerquickung sämmtlichen Familiengliedern große Freude.

[S. 131]

137. Ein trauriges Ende.

(Desgleichen.)

Subject.
Der Tod tritt oft schnell heran.
Beifügung.
Der kleine Hermann war ein lieber Knabe. Schon der Ausdruck seines Gesichts zeugte davon.
Ergänzung.
Sein Lächeln bekundete Gutmüthigkeit. Sein Wesen war Jedermann angenehm. — Eines Tages spielte er mit seiner Schwester Verstecken.
Zeit.
Es war um die Dämmerstunde. Sie hatten das Spiel bereits mehrmals gespielt. Ihr Vater sah ihnen schon seit geraumer Zeit zu.
Ort.
Er stand am Fenster. Hermann versteckte sich jetzt hinter eine Mauer. Hier sollte ihn die Schwester nicht finden.
Weise.
Er kauerte in lauschender Stellung. So hoffte er mit Zuversicht unentdeckt zu bleiben.
Ort.
Plötzlich aber rollte ein Ziegel vom Dache herab. Der Ziegel fiel dem Knaben gerade auf den Kopf.
Ursache.
Er war durch einen Windstoß losgelöst worden.
Erkenntniß.
Der Vater erkannte an dem jähen Aufschrei seines Kindes etwas Entsetzliches.
Beweggrund.
Von banger Ahnung getrieben eilte er herbei.
Zweck.
Er wollte zu Hilfe kommen.
Zahl.
Hier aber hätten zehn Aerzte nicht mehr helfen können.
Stoff.
Der fallende Ziegel war aus gebranntem Lehm. Er hatte den armen Knaben erschlagen.
138. Luxus.

[Desgleichen. — Subject, Prädicat, Zeit, Ort, Weise, Grund (Zweck), Ergänzungen, Zahl, Stoff.]

Ein steinreicher Graf aus einem alten Geschlechte des östreichischen Adels ließ vor einigen Jahren aus lauter Eitelkeit seiner[S. 132] stolzen Gemahlin in der unmittelbaren Nähe einer lebhaften Seestadt der deutschen Nordküste mit ungeheueren Opfern mehrere prachtvolle Wohnsitze aus kostbarer Steinmasse errichten.

Der berühmte Baumeister des verschwenderischen Herrn mußte in Zeit von zehn Monaten auf einer sonnigen Hügelkette unweit des ziemlich großen Hafens nach dem geschmackvollsten Muster französischer Bauweise der jungen Gräfin zum zeitweiligen Aufenthalte während der heißen Sommertage zwei reizende Villen aus weißem Marmor erbauen.

Der gepriesenste Ofenfabrikant der nunmehrigen Kaiserstadt Berlin fertigte kurz nach Beginn des bewundernswerthen Baues in seinen eigens dazu eingerichteten Brennöfen mit aller Sorgfalt den schmucken Wohnzimmern der vorerwähnten Frau sechs wundervolle Kamine aus weißem Porzellan zur Benutzung für die kühlen Abende.

Der sehr geschickte Hoftischler des französischen Kaisers hatte unter anderem während der letzten Monate der kurzen Bauzeit in seiner umfangreichen Werkstatt an einer der volkreichsten Straßen mit allem Aufgebot seines Geschmacksinnes der hohen Frau zur hinlänglichen Bequemlichkeit ein Dutzend große Armsessel aus dem feinsten Mahagoniholze zu verfertigen.

Der erste Tapezier der nahen Seestadt mußte gleich nach Vollendung der reizenden Sommersitze der den Luxus liebenden Dame zur Bewunderung des gräflichen Reichthums vor allen Fenstern der zahllosen Zimmer auf die ausgesuchteste Weise je vier faltenreiche Gardinen von der schwersten Seide anbringen.

Zudem mußte derselbe gesuchte Verschönerungskünstler der gräflichen Eigenthümerin dieser seltenen Prachtvillen sofort fünfzig Stück auserlesene Teppiche aus den besten orientalischen Stoffen aus einer türkischen Fabrik unter sicherer Begleitung eines zuverlässigen Mannes zum Belegen der Fußböden kommen lassen.

[S. 133]

Die namhafteste Glasfabrik der erfinderischen Stadt London arbeitete zu gleicher Zeit in ihren vorzüglichen Glasschleifereien ohne Rücksicht auf den Kostenpunkt der eitlen Herrin zehn überaus kunstvolle Kronleuchter aus dem reinsten Krystallglase zur Zierde der hauptsächlichsten Salons.

Ein alter Gärtner des ruhmsüchtigen Grafen versah während des Monates Mai von seiner großen Zierpflanzenplantage aus die beiden an die Villen stoßenden Gärten zur Erholung der empfindsamen Frau in den heißen Sommertagen mit fürsorglicher Umsicht mit vier dichten Lauben aus saftigem Osterluzzei.

Außerdem schufen eine Menge andere Menschenhände in verhältnißmäßig kurzer Zeit in den weiten Räumen der prächtigen Lustschlösser unter steter Vorschrift des eigensinnigen Grafen zur Vervollständigung der kostbaren Einrichtung der hohen Gebieterin noch eine ganze Menge Luxusgegenstände aus dem theuersten Material.

Die Aussageweise.

139. Der Mensch.

(Wirklich. Möglich. Nothwendig.)

Der Mensch ist ein Kind Gottes. Er lebt und stirbt nach Gottes Willen. Er kann König oder Bettler sein, ganz gleich. Das darf Niemand vergessen. Mancher mag freilich nichts davon wissen. Viele möchten am liebsten nicht daran denken.

Jeder Mensch will gern glücklich sein. Jeder soll es auch werden. Jeder darf darnach streben. Was aber kann er dazu beitragen?

Er muß beten und arbeiten. Auch die kleinste Sünde muß ihm ein Abscheu sein. Das möge Jeder bedenken.

[S. 134]

Wortfolge.

140. Die Rose.
A. Gerade Wortfolge.
B. Umgekehrte Wortfolge.
Die Rose ist eine herrliche Blume.
Eine herrliche Blume ist die Rose.
Schon ihr Bau ist bewundernswerth.
Bewundernswerth ist schon ihr Bau.
Ihre Farben sind reizend.
Reizend sind ihre Farben.
Ihr Duft strömt zauberhaft.
Zauberhaft strömt ihr Duft.
Eine Rosenknospe fesselt unser Auge wunderbar.
Wunderbar fesselt unser Auge eine Rosenknospe.
Die frischerblühte Rose ist ein Bild höchster Anmuth.
Ein Bild höchster Anmuth ist die frischerblühte Rose.
Sie ist der Gärten schönster Schmuck.
Der Gärten schönster Schmuck ist sie.
Sie wird darum auch die Königin der Blumen genannt.
Der Blumen Königin wird sie darum auch genannt.
Mancher Dichter hat sie schon besungen.
Sie hat schon mancher Dichter besungen.
141. Wiegenbau.

(Gerade Wortfolge.)

Ein kleiner Sänger des Waldes baute in den ersten Maitagen in dem dichten Gezweige eines niederen Fichtenbäumchens mit bewundernswerther Sorgfalt seinen zukünftigen Kindern zum Schutze eine niedliche Wiege aus zartem Moose.

(Versetzung der einzelnen Satztheile.)

Es baute ein kleiner Sänger des Waldes in den ersten etc.

In den ersten Maitagen baute ein kleiner Sänger etc.

In dem dichten Gezweige eines niederen Fichtenbäumchens baute ein etc.

[S. 135]

Mit bewundernswerther Sorgfalt baute ein kleiner Sänger etc.

Seinen zukünftigen Kindern zum Schutze baute ein kleiner etc.

Zum Schutze für seine zukünftigen Kinder baute ein etc.

Eine niedliche Wiege aus zartem Moose baute in den etc.

Aus zartem Moose baute ein kleiner Sänger des Waldes etc.

142. Vom einfachsten bis zum erweitertsten einfachen Satze.
I.
Subj.:
Gott
Der Geist
Der Wasserfall
Präd.:
ist ein Geist.
ist unsterblich.
braust.
II. A.
Subj.:
Das Bild
Die Kälte
Der Dorn
Beif.:
des Vaters
Sibiriens
der Rose
Präd.:
ist ein Heiligthum.
ist groß.
verwundet.
B.
Beif.:
Der fromme
Plötzliche
Das arme
Subj.:
Elias
Abkühlung
Kind
Präd.:
war ein Prophet.
ist schädlich.
bettelt.
C.
Beif.:
Sein
Unser
Mein
Subj.:
Vater
Heer
Blut
Präd.:
war ein Graf.
ist tapfer.
wallt.
D.
Subj.:
Die Noth
Die Scheere
Der Storch
Beif.:
unter den Menschen
in Kindeshand
auf dem Dache
Präd.:
ist ein Besserungsmittel.
ist gefährlich.
klappert.
[S. 136]
III. 1. A.
Subj.:
Gott
Ein Engländer
Der Wolf
Präd.: (Zeitw.)
regiert
bestieg
raubt
Ergänz. 4. Fall:
die Welt.
den Montblanc.
Lämmer.
B.
Subj.:
Der Mitleidige
Gott
Der Magen
Präd.:
hilft
verzeiht
dient
Erg. 3. Fall:
dem Armen.
dem Sünder.
den Gliedern.
C.
Subj.:
Der Müde
Die Nacht
Der Feind
Präd.:
wünscht
beginnt
hoffte
Ergänz.:
zu ruhen.
zu dämmern.
zu siegen.
D.
Subj.:
Der Fromme
Der Christ
Das Gebet
Präd.:
weiht
dankt
gibt
Erg. 3. Fll.:
dem Herrn
Jesu
dem Schwachen
Erg. 4. Fll.:
sein Leben.
die Erlösung.
Kraft.
2.
Subj.:
Die Strenge ist
Die Eltern sind
Der Stolze ist
Ergänz.:
dem Kinde
der Liebe
auf seine Schönheit
Präd.: (Eigsch.)
heilsam.
werth.
stolz.
IV. A.
Subj.:
Kain
Das Schiff
Viele
Präd.:
fand
nahm
finden
Ort:
nirgends
an dem Strande
in Californien
Erg. 4. Fll.:
Ruhe.
Steinkohlen auf.
Gold.
[S. 137]
B.
Subj.:
Der Hund
Paul
Der Reiter
Präd.:
folgt
half
sah
Erg. 3. Fll.:
seinem Herrn
dem Blinden
seinem Pferde
Ort:
in alle Welt.
über den Graben.
in das Maul.
C.
Subj.:
Die Weisen
Der Hauptmann
Der Jagdhund
Präd.:
brachten
schickte
brachte
Erg. 3. Fll.:
dem Heilande
seinen Kindern
dem Förster
Erg. 4. Fll.:
Geschenke
Anzüge
einen Hasen
Ort:
aus dem Morgenlande.
von Paris.
über die Stoppel daher.
V. A.
Subj.:
Der Gerechte
Gustav Adolf
Der Wächter
Präd.:
findet
sprach
ertappte
Zeit:
einst
vor der Schlacht
während der Nacht
Ort:
drüben
unter freiem Himmel
in einem Keller
Erg. 4. Fll.:
seinen Lohn.
ein Gebet.
einen Dieb.
B.
Subj.:
Die alten Deutschen
Die Schweizer
Bello
Präd.:
opferten
huldigten
wehrte
Zeit:
tagelang
immer
stets
Ort:
in ihren Hainen
in ihren Bergen
an der Thür
Erg. 3. Fll.:
den Götzen.
der Freiheit.
den Bettlern.
[S. 138]
C.
Subj.:
Der Lehrer
Die Weichsel
Der Fuchs
Präd.:
erzählt
überschwemmt
stiehlt
Zeit:
mitunter
fast alljährlich
zuweilen
Ort:
in der Schule
in Polen
im Hofe
Erg. 3. Fll.:
den Schülern
den Landbewohnern
der Bauerfrau
Erg. 4. Fll.:
eine Geschichte.
die Fluren.
eine Gans.
VI. A.
Subj.:
Huß
Luther
Kain
Präd.:
erlitt
schlug
erschlug
Zeit:
1415
1517
einst
Ort:
zu Konstanz
an die Schloßkirche
am Opferfeuer
Weise:
geduldig
freimüthig
wuthentbrannt
Erg. 4. Fll.:
den Feuertod.
95 Sätze an.
den Abel.
B.
Subj.:
Johannes der Täufer
Christus
Petrus
Präd.:
predigte
verzieh
verleugnete
Zeit:
vor Christo
dermalen
in jener Nacht
Ort:
in der Wüste
am Kreuze
in der Vorhalle
Weise:
mit Nachdruck
von Herzen
auf schmähliche Weise
Erg. 3. Fll.:
dem Volke.
seinen Feinden.
seinen Herrn.
C.
Subj.:
Der Richter
Der fromme Greis
Noah
Präd.:
verkündigte
widmete
brachte
Zeit:
am Montage
jeden Abend
nach der Sündflut
Ort:
im Gerichtssaale
in seinem Kämmerlein
unter freiem Himmel
Weise:
mit bewegter Stimme
andächtigen Herzens
mit dankbaren Gefühlen
Erg. 3. Fll.:
einem Mörder
dem lieben Herrgott
dem Herrn
Erg. 4. Fll.:
das Todesurtheil.
ein Gebet.
ein Opfer.
[S. 139]
VII. A.
Subj.:
Elise
Sebastian
Ein Knecht
Präd.:
häkelte
zertrümmerte
erschlug
Zeit:
am Sonntage
heute früh
gestern
Ort:
in der Laube
vor dem Spiegel
auf der Wiese
Beweggr.:
aus Langerweile
aus Muthwillen
aus Bosheit
Weise:
gemächlich
schnell
kalten Herzens
Erg. 4. Fll.:
eine Börse.
eine Gipsfigur.
eine junge Katze.
B.
Subj.:
Julius
Der Großvater
Viele Leute
Präd.:
erhält
trägt
trinken
Zeit:
zuweilen
im Winter
in der Früh
Ort:
in der Schule
auf der Straße
in ihrer Behausung
Ursache:
wegen Faulheit
der Kälte halber
auf ärztlichen Rath
Weise:
vor allen Kindern
mit Wohlbehagen
ohne Widerstreben
Erg. 4. Fll.:
Strafe.
einen Pelz.
bittre Wässer.
C.
Subj.:
Ein Hauptmann
Der Klassenoberste
Rosalie
Präd.:
überreichte
sang
kaufte
Zeit:
am Donnerstage
am Examentage
vorigen Freitag
Ort:
im Kasernenhofe
in der Aula
auf dem Jahrmarkte
Erg. 3. Fll.:
seinem Feldwebel
dem Schulinspector
ihrer Großmutter
Zweck:
zur Auszeichnung
zur Ergötzung
zum Geburtstage
Weise:
unter Trompetenschall
mit viel Gefühl
schleunigst noch
Erg. 4. Fll.:
einen Orden.
eine Arie.
eine Kaffeetasse.
[S. 140]
VIII. A.
Subj.:
Ein junger Bildhauer
Häuptlinge der Wilden
Heinrich
Präd.:
arbeitete
geben
zerbrach
Zeit:
in seinen Mußestunden
zuweilen
gestern Abend
Ort:
auf seinem Zimmer
in ihren Zelten
in der Kinderstube
Erg. 3. Fll.:
seinem alten Lehrer
fremden Gästen
seinem Bruder
Beweggr.:
aus Dankbarkeit
aus Hochachtung
aus Neid
Weise:
in aller Stille
mit sichtlichem Stolze
ungesehen
Erg. 4. Fll.:
Schiller’s Büste
ein Gastmahl
ein Spielzeug
Stoff:
aus Alabaster.
von dem Fleische
erschlagener Feinde.
aus Glas.
B.
Subj.:
Gerhard
Die Mutter
Ein Regiment
Präd.:
baute
nähte
schenkte
Zeit:
vergangenen Herbst
in zwei Tagen
während des
letzten Krieges
Ort:
im Holzstalle
auf der Nähmaschine
mitten im Lager
Erg. 3. Fll.:
seinem kleinen Bruder
ihrer ältesten Tochter
seinem Commandanten
Zweck:
für den Winter
zum Balle
zum Andenken
Weise:
mit wenig Werkzeugen
ohne besondere Anstrengung
unter militärischer Ceremonie
Erg. 4. Fll.:
einen Schlitten
ein Kleid
ein Paar Sporen
Stoff:
aus Eichenholz.
aus blauer Seide.
von purem Golde.
[S. 141]
C.
Sub.:
Ein Koch
Der Kürschner
Ein Drechsler
Präd.:
bereitete
verfertigte
arbeitete
Zeit:
neulich
vergangene Woche
am Donnerstage
Ort:
in einem Gasthause
in seiner Wohnung
an seinem Werktische
Erg. 3. Fall:
einem Fremden
dem Großvater
dem Invaliden
Ursache:
aus Unkenntniß
der Kälte halber
um seines lahmen
Beines willen
Weise:
eiligst
nach dem Maße
unentgeltlich
Erg. 4. Fall:
ein Glas Grog
ein Paar Hausschuhe
eine Krücke
Stoff:
aus Nordhäuser.
aus Schafpelz.
aus Buchsbaumholz.
IX.
Subj.:
Die Tochter
des Hauptmanns
Bertha
Die Gemeinde zu X.
Präd.:
kaufte
mußte
überreichte
Zeit:
vor drei Tagen
binnen acht Tagen
am Sonntage
Ort:
in einem Gewölbe
in Papas Stube
in seinem Studirzimmer
Erg. 3. Fll.:
ihrem Onkel
der kleinen Schwester
ihrem Seelsorger
Bew., Urs.
Zweck:
aus Anhänglichkeit
wegen Faulheit
zum Jubiläum
Weise:
ohne Handel
mit aller Sorgfalt
feierlich
Zahl:
zwei
drei
ein Dutzend
Erg. 4. Fll.:
Armleuchter
Nachthäubchen
Speiselöffel
Stoff:
aus blankem
Neusilber.
aus Wolle —
stricken.
aus gediegenem
Silber.

[S. 142]

143. Fragen nach den einzelnen Satztheilen.
Wer?
Was?
Nach dem Subjecte.
Was für ein?
Wessen?
Nach der Beifügung.
Was?
Wen?
Wem?
Nach der Ergänzung.
Wann?
Wie lange?
Wie oft?
Seit wann?
Nach der Zeit.
Wo?
Wohin?
Woher?
Nach dem Orte.

Wie? Nach der Art und Weise.

Weshalb? Nach der Ursache.

Warum? Nach dem Beweggrunde.

Woran? Nach dem Erkenntnißgrunde.

Wozu? Nach dem Zwecke.

Wie viel? Nach der Zahl.

Woraus? Nach dem Stoffe.

[S. 143]

Ein möglichst erweiterter einfacher Satz.

144. Für die Friedenszeit.

Der junge Haustischler eines reichen Grafen im fernen Ungarlande hat während der regnerischen Tage des letzten Herbstes in seiner düsteren Werkstatt in den hinteren Räumen des gräflichen Schlosses zu P. mit äußerster Anstrengung all seines Geschmacksinnes dem alten Generale des siebenten Regimentes der östreichischen Husaren zu dessen häuslicher Bequemlichkeit während der langen Friedenszeit zwei prachtvolle Sophas aus dem feinsten Cedernholze gefertigt.

Fragen nach den einzelnen Satztheilen.

(Praktische Ausführung.)

 1) 
Wie heißt der einfache Satz? 
Der Tischler fertigte.
 2) 
Wer fertigte? 
Der Tischler fertigte.
 3) 
Welche Thätigkeit vollzog der Tischler? 
Er fertigte.
 4) 
Was fertigte er? 
Er fertigte Sophas.
 
 
 
 1) 
Was für ein Tischler fertigte Sophas? 
Der junge Tischler etc.
 2) 
Wessen junger Tischler fertigte Sophas? 
Der junge Tischler eines Grafen etc.
 3) 
Was für eines Grafen? 
Der junge Tischler eines reichen Grafen.
[S. 144] 4) 
Was für eines reichen Grafen? 
Eines reichen Grafen aus dem Ungarlande.
 5) 
Aus was für einem Ungarlande? 
Aus dem fernen Ungarlande.
 
 
 
 6) 
Was fertigte der junge Tischler eines etc.? 
Der junge Tischler eines reichen Grafen aus dem fernen Ungarland fertigte Sophas.
 7) 
Was für Sophas fertigte der junge etc.? 
Der junge etc. fertigte prachtvolle Sophas.
 
 
 
 8) 
Wie viel prachtvolle Sophas fertigte der junge etc.? 
Der junge etc. fertigte zwei prachtvolle Sophas.
 
 
 
 9) 
Woraus fertigte der junge etc. zwei prachtvolle Sophas? 
Der junge etc. fertigte zwei etc. aus Cedernholz.
10) 
Aus was für Cedernholz fertigte etc.? 
Der junge etc. fertigte etc. aus dem feinsten Cedernholze.
 
 
 
11) 
Wem fertigte der junge etc. zwei etc. aus dem feinsten Cedernholze? 
Der junge etc. fertigte dem Generale zwei etc. aus dem feinsten Cedernholze.
12) 
Was für einem Generale fertigte der etc.? 
Der junge Tischler etc. fertigte dem alten Generale etc.
[S. 145]13) 
Wessen altem Generale fertigte etc.? 
Der junge Tischler etc. dem alten Generale des Regiments etc.
14) 
Was für eines Regiments? 
Des siebenten Regiments.
15) 
Wessen siebenten Regiments? 
Des siebenten Regiments der Husaren.
16) 
Was für Husaren? 
Der östreichischen Husaren.
 
 
 
17) 
Wozu fertigte der junge etc. dem alten etc. zwei etc. aus dem feinsten Cedernholze? 
Der junge etc. fertigte etc. dem etc. zwei etc. zur Bequemlichkeit.
18) 
Zu was für einer Bequemlichkeit fertigte etc.? 
Der junge etc. zur häuslichen Bequemlichkeit.
19) 
Zu wessen häuslicher etc. fertigte etc.? 
Der junge etc. zu dessen häuslicher Bequemlichkeit.
20) 
Zu was für einer häuslichen etc. fertigte etc.? 
Der junge etc. zu dessen häuslicher Bequemlichkeit während der Friedenszeit.
21) 
Während was für einer Friedenszeit? 
Während der langen Friedenszeit.
 
 
 
22) 
Wie fertigte der junge Tischler dem etc.? 
Der junge etc. fertigte etc. mit Anstrengung zwei prachtvolle etc.
[S. 146]23) 
Mit was für Anstrengung fertigte etc.? 
Der junge etc. mit äußerster Anstrengung zwei etc.
24) 
Mit wessen äußerster Anstrengung fertigte etc.? 
Der junge etc. mit äußerster Anstrengung des Geschmacksinnes zwei etc.
25) 
Mit wessen Geschmacksinnes? 
Seines Geschmacksinnes.
26) 
Mit wie viel seines Geschmacksinnes? 
Mit äußerster Anstrengung all seines Geschmacksinnes.
 
 
 
27) 
Wo fertigte der junge Tischler etc. dem etc.? 
Der junge etc. in der Werkstatt etc. dem etc.
28) 
In was für einer Werkstatt fertigte etc.? 
Der junge etc. in der düsteren Werkstatt etc.
29) 
In wessen düsterer Werkstatt fertigte etc.? 
Der junge etc. in seiner düsteren Werkstatt etc.
30) 
In was für einer düsteren Werkstatt fertigte etc.? 
Der etc. in seiner düsteren Werkstatt der Räume etc.
31) 
In wessen Räumen? 
In den Räumen des Schlosses etc.
32) 
In was für einem Schlosse? 
In dem gräflichen Schlosse.
33) 
In was für Räumen des gräflichen Schlosses? 
In den hinteren Räumen des gräflichen Schlosses.
 
 
 
[S. 147]34) 
Wann fertigte der junge etc. in etc. dem etc. zu etc. mit etc. zwei etc. aus Cedernholz? 
Der junge etc. während der Tage etc.
35) 
Während welcher Tage? 
Der junge etc. während der Tage des Herbstes etc.
36) 
Was für eines Herbstes? 
Der junge etc. während der Tage des letzten Herbstes etc.
37) 
Während welcher Tage des letzten Herbstes? 
Der junge etc. während der regnerischen Tage des letzten Herbstes etc.

Zusammenfassung der vollständigen Satztheile.

 1) 
Wer fertigte während — aus dem feinsten Cedernholze? 
Der junge Tischler eines reichen Grafen im fernen Ungarlande fertigte etc.
 2) 
Was fertigte der — Ungarlande? 
Den junge etc. fertigte prachtvolle Sophas.
 3) 
Wie viel Sophas fertigte — Ungarlande? 
Der junge etc. fertigte zwei Sophas.
 4) 
Woraus fertigte — Sophas? 
Der junge etc. fertigte etc. aus dem feinsten Cedernholze.
[S. 148]5) 
Wem fertigte — Cedernholze? 
Der junge etc. fertigte etc. dem alten General des siebenten Regiments der östreich. Husaren etc.
 6) 
Wozu fertigte — Cedernholze? 
Der junge etc. zu dessen häuslicher Bequemlichkeit während der langen Friedenszeit etc.
 7) 
Wie fertigte — Cedernholze? 
Der junge etc. mit äußerster Anstrengung all seines Geschmacksinnes etc.
 8) 
Wo fertigte — Cedernholze? 
Der junge etc. in seiner düsteren Werkstatt in den hinteren Räumen des gräflichen Schlosses etc.
 9) 
Wann fertigte — Cedernholze? 
Der junge etc. während der regnerischen Tage des letzten Herbstes etc.

[S. 149]

Anhang.

Eine Art von Aufgaben.

(Bilde Sätze auf folgende Fragen.)

 1) 
Wer? (Was?) 
Was ist er (sie, es)?
 
Der Bleistift 
ist ein Schreibwerkzeug.
 2) 
Wer? 
Wie ist er?
 
Der Bleistift 
ist spitzig.
 3) 
Wer? 
Was thut er?
 
Der Bleistift 
schreibt.
 4) 
Was für ein? 
Wer? 
Was ist (wie ist, was thut) er?
 
 
Der bunte 
Rock 
ist ein Kleidungsstück.
 
 5) 
Wer? 
Wessen? 
Wie ist (was ist, was thut) er?
 
 
Der Rock 
des Kindes 
ist warm.
 
 6) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was thut (was ist, wie ist) er?
 
Der bunte 
Rock 
des Kindes 
wärmt.
 7) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was thut er? 
Was (wen)?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitet 
ein Schachspiel.
 8) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was thut er? 
Wem
Was?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitet 
dem Grafen 
ein Schachspiel.
 9) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was that er? 
Wann (wie oft,
wie lange, seit wann)? 
Wem? 
Was?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitete 
voriges Jahr 
dem Grafen 
ein Schachspiel.
[S. 150] 10) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was that er? 
Wann? 
Wo? 
Wem? 
Was?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitete 
voriges Jahr 
in seiner Werkstatt 
dem Grafen 
ein Schachspiel.
11) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was that er? 
Wann? 
Wem? 
Was? 
Wohin (woher)?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
trug 
gestern 
dem Grafen 
ein Schachspiel 
in seine Wohnung.
12) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was that er? 
Wann? 
Wo? 
Wem? 
Wie? 
Was?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitete 
voriges Jahr 
in seiner Werkstatt 
dem Grafen 
mit großer Sorgfalt 
ein Schachspiel.
13) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was that er? 
Wann? 
Wo? 
Wem? 
Weshalb? 
Wie? 
Was?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitete 
voriges Jahr 
in seiner Werkstatt 
dem Grafen 
auf Bestellung 
mit großer Sorgfalt 
ein Schachspiel.
14) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was that er? 
Wann? 
Wo? 
Wem? 
Warum? 
Wie? 
Was?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitete 
voriges Jahr 
in seiner Werkstatt 
dem Grafen 
aus Dankbarkeit 
mit großer Sorgfalt 
ein Schachspiel.
15) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was that er? 
Wann? 
Wo? 
Wem? 
Wozu? 
Wie? 
Was?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitete 
voriges Jahr 
in seiner Werkstatt 
dem Grafen 
zur Unterhaltung 
mit großer Sorgfalt 
ein Schachspiel.
16) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was that er? 
Wann? 
Wo? 
Wem? 
Wozu? 
Wie? 
Wie viel? 
Was?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitete 
voriges Jahr 
in seiner Werkstatt 
dem Grafen 
zur Unterhaltung 
mit großer Sorgfalt 
zwei 
Schachspiele.
[S. 151] 17) 
Was für ein? 
Wer? 
Wessen? 
Was that er? 
Wann? 
Wo? 
Wem? 
Wozu? 
Wie? 
Wie viel? 
Was? 
Woraus?
 
Der geschickte 
Drechsler 
der Residenz 
arbeitete 
voriges Jahr 
in seiner Werkstatt 
dem Grafen 
zur Unterhaltung 
mit großer Sorgfalt 
zwei 
Schachspiele 
aus Nußbaumholz.

NB. Zu den Ergänzungen, Zeit-, Ortsbestimmungen etc. etc. können natürlich wieder einfache oder doppelte Beifügungen gesetzt werden.

Es lassen sich durch Weglassung eines Satztheiles oder mehrerer Satztheile noch verschiedene Variationen in Bezug auf diese Art Aufgaben gewinnen. Z. B.

Wer? 
Was that er? 
Was? 
Woraus?
(Der Knabe 
bildete 
Figuren 
aus Wachs.)
Wer? 
Wie war er? 
Wo?
(Der Knabe 
war lustig 
im Garten.)
Wer? 
Was thut er? 
Wen? 
Wie oft?
(Der Knabe 
begießt 
die Blumenstöcke 
alle zwei Tage.)
Wer? 
Was that er? 
Wann? 
Wem? 
Was?
(Der Diener 
überbrachte 
vorhin 
dem Herrn 
einen Brief.)

Den schwächeren Schülern gebe man die einfachen Sätze zu dem Zwecke, sie nach den vorgeschriebenen Fragen zu erweitern. Z. B.: Der Jäger schoß. Der Bote übergab. Der Knabe schnitzte. Der Feind entriß u. dgl. m.

Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.


Sprachbilder
nach
bestimmten Sprachregeln.

Titelseite, 2. Teil; Dekoration

Ein einfaches und praktisches Hilfsbuch

für den

deutschen Sprachunterricht in der Volksschule.

Für Lehrer und Schüler

gearbeitet von

Franz Wiedemann,

Oberlehrer an der Neustädter Bürgerschule in Dresden.

Zweiter Theil.

Titeleseite, 2. Teil; Dekoration

Leipzig.

Alfred Oehmigke’s Verlag.

(Moritz Geißler.)

Inhalts-Verzeichniß.

 
Seite.
Zwei Subjecte
  1.
Die Wilderer
  1
Mehrere Subjecte
  2.
Drei Verdienstvolle
  2
Zwei Aussagen
  3.
Die zahme Gans
  3
Mehrere Aussagen
  4.
Martin
  4
Zwei Beifügungen
  5.
Ein guter König
  4
Mehrere Beifügungen
  6.
Der Bergmann
  5
Zwei u. mehrere Ergänzungen
  7.
Die Sonne
  6
Desgl.
  8.
Der Blinde
  7
Zwei Ortsbestimmungen. Verhältnißwörter
  9.
Eine Landplage
  8
Desgl. Umstandswörter
10.
Der Christbaum
  9
Zwei Zeitbestimmungen
11.
Der Kranke
  9
Desgl.
12.
Die Glocken
 11
Zwei Best. der Art u. Weise
13.
Elise
 12
Desgl.
14.
Das Kanonenfieber
 12
Zwei Beweggründe
15.
Gott und wir
 14
Zwei Zwecke
16.
Die Kuh
 14
Zwei Stoffe
17.
Der kleine Künstler
 14
 
Alle Arten Zusammenziehungen
18.
Ludwig und Günther
 15
Forts.
19.
Die Luft
 16
Forts.
20.
Einfache Kost
 17
Forts.
21.
Zwei Brüder
 18
Subjective, Ergänzungen, Beifügungen etc.
22.
Zwei berühmte Sänger
 18
Forts.
23.
Der Winter
 19
Forts.
24.
Stolz und Eitelkeit
 20
Zusammenstellend
25.
Ein Kampf
 21
Desgl.
26.
Die Erzväter
 22
Entgegenstellend
27.
Das Meer
 23
Desgl.
28.
Geld
 24
Begründend
29.
Der Maikäfer
 24
Desgl.
30.
Die Bibel
 25
Alle Arten der Zusammenziehung
31.
Die Katze
 25
Zusammenstellend
32.
Der Morgen
 26
Desgl.
33.
Auf dem Meere
 27
Entgegenstellend
34.
Der junge Graf
 27
Desgl.
35.
Eine Feuersbrunst
 28
Begründend
36.
Frühling
 28
Desgl.
37.
Die Sündfluth
 29
 
Zusammenstellend, entgegenst., begründend
38.
Eine Dampfwagenfahrt
 29
Zusammenstellend
39.
Ein Doppelfest
 30
Desgl.
40.
Abend
 31
Entgegenstellend
41.
Maß halten
 32
Desgl.
42.
Das Feuer
 32
Begründend
43.
Die Schule
 33
Desgl.
44.
Die Kartoffel
 34
 
Zusammenstellend, entgegenst., begründend
45.
Die Jagd
 35
Desgl.
46.
Der Brudermord
 35
Mit und ohne Bindewörter
47
Entstehung des Brodes
 36
Desgl.
48.
Das Haus
 36
Mit und ohne Bindew., Zusammenstellend, entgegenst., begründend
49.
Eine Luftschifffahrt
 37
Zusammengezogene u. zusammengesetzte Sätze
50.
Der letzte Klos
 38
 
Der Subjectivsatz voran
51.
Natur
 40
Desgl.
52.
Gottvertrauen
 41
Der Subjectivsatz zuletzt
53.
Der Hund
 41
Der Subjectivsatz voran u. zuletzt
54.
Die Erde
 42
2. Abgekürzte Subjectivsätze
55.
Selbsterkenntniß
 43
 
Vollst. u. abgekürzte Subjectivs.
56.
Die Todten
 43
Zusammengesetzte Sätze u. Satzgefüge
57.
Im Winter
 44
Prädikatsätze
58.
Gott und der Mensch
 45
Subjectiv- u. Prädikatsätze
59.
Ein trauriger Pfad
 45
 
Der Beifügesatz zuletzt
60.
Ein Schulkreuz
 46
Der Beifüges. in der Mitte
61.
Ein muthiger Knabe
 47
Der Beifügesatz umschreibt ein Eigenschaftswort
62.
Flora
 48
Desgl. ein Mittelwort
63.
Eine Bergpartie
 49
Desgl. ein Besitz anzeig. Fürw.
64.
Verschiedene Besitzungen
 50
Desgl. eine Ortsbestimmung
65.
Ein Todtenbette
 51
Desgl. eine Zeitbestimmung
66.
Deutschland
 52
Desgl. eine Art u. Weise
67.
Der Lebensmüde
 53
Desgl. einen Grund oder Zweck
68.
Vaterlandsliebe
 54
Desgl. ein Hauptw. im 2. Falle
69.
Gleiche Rechte, gleiche Pflichten
 55
Desgl. ein Zeitw. in reiner Form
70.
Das kindliche Spiel
 56
Desgl. ein Doppelhauptw.
71.
Räthsel
 56
Desgl. eine Zahlbestimmung
72.
Die Bienen
 57
Desgl. eine Apposition
73.
Biblische Beinamen
 57
 
Alle Arten Beifügungen
74.
Der sterbende Löwe
 58
Desgl.
75.
Das Wasser
 59
2. Abgekürzte Beifügesätze
76.
Bete und arbeite
 60
 
Vollständ. u. abgekürzte Beifüges.
77.
Napoleon I.
 61
Subjectiv-, Prädikat- und Beifügesätze
78.
Die Sklaven
 62
 
Im 4. Falle
79.
Saat u. Ernte
 63
Desgl.
80.
Die kranke Freundin
 64
Im 3. Falle
81.
Lebensregeln
 65
Desgl.
82.
Mütterliche Lehren
 65
Im 2. Falle
83.
Kindespflicht
 66
Der Ergänzungss. umschreibt ein Hauptw. mit Verhältnißwort
84.
Ein edler Fürst
 67
Desgl. ein Zeitw. in abhängiger Form
85.
Der alte Räuberhauptmann
 67
Der Ergänzungss. in unbestimmter Redeweise
86.
An der Indianergrenze
 68
2. Abgekürzte Ergänzungssätze
87.
Der Tollkühne
 69
 
Verschiedene Arten der Ergänzungssätze
88.
Der feuerspeiende Berg
 69
Subjectiv-, Prädikat-, Beifügungs- u. Ergänzungssätze
89.
Das Reisen
 71
 
Der Hauptsatz voran
90.
Die Bibel der Natur
 72
Desgl. zuletzt
91.
Beim Brande
 73
Desgl. in der Mitte
92.
Zwiespalt
 74
 
Alle drei Fälle abwechselnd
93.
Die Weidenraupe
 74
 
Der Hauptsatz voran
94.
Das Wetter
 75
Desgl. zuletzt
95.
Am Krankenbette
 76
Desgl. in der Mitte
96.
Der Fund
 76
 
Alle drei Fälle
97.
Ochs und Esel
 77
Wörtlich u. nicht wörtlich
98.
Das Gespenst
 78
Subjectiv-, Prädikat-, Beifüge-, Ergänzungs- u. Anführungssätze
99.
Ehre das Alter
 79
Unschuldig Verfolgte
 80
Desgl.
Reichthum
 81
 
Peter der Große
 83
Desgl.
Aus dem Tagebuche eines Kriegers
 82
Gewissenhaftigkeit
 84
 
Gleich- und Ungleichzeitigkeit
Das Wüstenungeheuer
 84
Umstandssätze des Ortes und der Zeit
Die Missionäre
 85
 
 
Roderich
 86
Ein Sprichwort
 87
Auf der Wolfsjagd
 88
 
Unverkürzt u. abgekürzt
Die Rettung
 89
Umstandssätze des Ortes, der Zeit u. der Art und Weise
Eine Lebensgeschichte
 90
 
 
Die Fledermaus
 91
Mutterliebe
 92
 
Alle Arten Umstandssätze des Grundes
Der Mensch
 93
Umstandssätze des Ortes, d. Zeit, der Art u. Weise u. des wirklichen Grundes
Der Apfelbaum
 94
 
Der sterbende Vater
 95
Die Zunge
 96
 
Bedingungs- und Einräumungssätze
Bildung
 96
Umstandssätze des Ortes, der Zeit, der Art u. Weise, des wirklichen u. möglichen Grundes
Die Raubritter
 97
Ein Dieb
 99
Subjectiv-, Präd.-, Ergänz.-, Umstands-, Anführungs- und Einschaltsätze
Der Mäusethurm
 99
Alle Arten Sätze
Gellert
102
Desgl.
Geistesgegenwart
103
Zwei vollständige Satzgefüge verbunden
Schlaf u. Tod
105
Es beziehen sich mehrere Nebensätze auf einen Hauptsatz
Die Zukunft
105
Desgl.
Hier und dort
106
Desgl.
Das Turnen
107
Der Nebensatz enthält wieder einen Nebensatz
Die Thierschutzvereine
107
Desgl.
Ein Apfelkern
108
Desgl.
Eine Wohlthäterin
109
Der Anführungssatz ist ein Satzgefüge
Grille und Ameise
110
Zusammengezogene, zusammengesetzte Sätze u. Satzgefüge verbunden
Eine Geburtstagsscene
111
Die Periode
An Dich
112

[S. 1]

C. Der zusammengezogene Satz.

I. Einfache Zusammenziehungen.

1. Der Wilderer.

(Zwei Subjecte.)

Der Mond und die Sterne standen bereits am Himmel. Ihr Glanz und ihr Geflimmer warfen einen matten Silberschein auf die stille Flur. Ringsumher lagerten tiefe Ruhe und ernster Friede. Nur einzelne Frösche und Unken erhoben in dem schilfdurchwachsenen Teiche noch ihre Stimmen.

Da traten ein Vater und sein erwachsener Sohn aus einem Gebirgswalde hervor. Aus ihren Zügen sprachen Rohheit und finsteres Wesen. Ihre leisen Schritte und ihre ganze Haltung bekundeten große Vorsicht.

Auf des Sohnes Schultern lagen ein Reh und zwei Hasen. Ueber den Rücken des Alten hingen eine kurze Büchse und ein großes Netz. Ihr Aeußeres und ihr scheues Verhalten ließen sie sofort als Wilddiebe erkennen.

Stumm schlichen Vater und Sohn über die Felder dahin. Kein Wort, kein Laut kam über ihre Lippen.

Bald hatten beide ein kleines Gebüsch erreicht. Hier aber traten ihnen plötzlich der Flurschütz und sein Hund entgegen. Schreck und Verwirrung bemächtigten sich der Diebe. Das kräftige Halt und die angelegte Doppelbüchse des Flurschützen kamen ihnen doch zu unerwartet. Weder Vertheidigung noch[S. 2] Flucht konnte sie retten. Blut und Leben hätten dabei auf dem Spiele gestanden.

Nach wenig Minuten schritten der alte und der junge Wilddieb als Gefangene voran. Der Flurschütz und sein Hund folgten. Traurig blickten Mond und Sterne auf das düstere Bild hernieder.

Wuth und Aerger lagerten auf den Zügen der beiden Verbrecher. Ihr Weg führte in die Frohnveste. Nach etwa einer Stunde sperrten sie Schloß und Riegel von dem freien Leben ab.

Wochen und Monate zogen an ihren Kerkermauern vorüber. Endlich erfolgten das letzte Verhör und der Richterspruch. Feld- und Wilddieberei werden vom Gesetze hart geahndet. Vater und Sohn wanderten auf das Zuchthaus. Hier quälten sie nun freilich Reue und Gewissensbisse. Doch die Erkenntniß kam zu spät. Ehre und Freiheit waren verspielt.

Was aber hatte jene Beiden nach und nach auf die verbrecherische Laufbahn geführt? Arbeitsscheu und Leichtsinn waren die einzige Ursache.

2. Drei Verdienstvolle.

(Mehrere Subjecte.)

Kuh, Ziege und Schaf sind außerordentlich nützliche Hausthiere. Nicht nur ihr Tod, sondern auch ihr Leben gewähren uns mancherlei Vortheile. Milch, Butter und Käse würzen ja fast täglich unser Mahl. Sowohl die Kuh und die Ziege als auch das Schaf erzeugen durch ihren Dünger Fruchtbarkeit der Aecker. Wird den Kindern nicht oft auch ein Ziegenböcklein oder ein Lamm zum Vergnügen gehalten?

Noch mehr Vortheil und Gewinn erwachsen aus ihrem Tode. Nicht blos Rind und Schöps, sondern auch das Ziegengeschlecht geben uns ein nahrhaftes Fleisch. Rinder-, Schöpsen- und Ziegenbraten[S. 3] essen wol alle Leute gern. Aber nicht blos ihr Fleisch, sondern auch ihr Fell, zudem ihre Haare und ihre Hörner sind sehr nützliche Artikel. Stiefeln, Schuhe und Pantoffeln, außerdem Taschen, Gürtel und Riemen, sogar Zäume und Sättel wachsen auf dem Rücken des Rindes. Weder Arme noch Reiche können deshalb dasselbe entbehren.

Aus dem Felle der Ziege erstehen haltbare Schürzen, feste Handschuhe, sogar dauerhafte Beinkleider. Haus-, Schaf- und Reisepelze, sowie auch Müffe, Pelzstiefel und Reisedecken kommen vom Felle des Schafes. Und wie viel Kleidungsstücke, Stickereien und andere Schmuckgegenstände werden nicht erst aus seiner Wolle gefertigt!

Den außerordentlichen Nutzen dieser Thiere erkannten schon die ältesten Nationen und Völkerstämme. Schon Abraham, Isaak und Jakob besaßen große Heerden. Rinder und Schafe bildeten ihre größten Reichthümer.

3. Die zahme Gans.

(Zwei Aussagen.)

Die Gans ist ein Haus- und Wasservogel. Ihr Rumpf ist oval und ziemlich stark. Ihre Füße haben Nägel und Schwimmhäute. Ihr Hals ist lang und sehr beweglich. Der Schnabel hat eine breite Gestalt und eine abgerundete Spitze. Das Gefieder ist dicht und oft buntfarbig.

Die Stimme der Gans ist weder klangvoll noch melodisch. Sie schnattert und gackert blos. Ihr Gang ist breitspurig und wacklig. Sie schwimmt zwar vortrefflich, fliegt aber schwerfällig. Ihre Eier sind allerdings groß, aber als Speise nicht eben gesucht. Ihr Fleisch dagegen ist sehr wohlschmeckend und darum beliebt.

Die Gans ist namentlich wegen ihrer Federn sehr nützlich und deshalb sehr verbreitet. Sie wird daher in manchen Gegenden ganz besonders gehegt und gepflegt.

[S. 4]

4. Martin.

(Mehrere Aussagen.)

Martin war seinen Eltern ein unfolgsames Kind, in der Schule ein fauler Schüler und überhaupt ein ungezogener Knabe. Er war nicht blos zänkisch und schadenfroh, sondern auch lügenhaft und tückisch. Sein ganzes Benehmen war roh, wild und flegelhaft. Er hörte auf keine Mahnung, achtete keinen Tadel, ließ sich durch keine Strafe bessern.

Seine Bücher hatten nicht nur Schmuzflecken und Blattohren, sondern auch keine Schalen mehr. Seine Kleider waren selten ganz, reinlich und in guter Ordnung. Natürlich wurden seine Schulcensuren immer geringer, kläglicher und entehrender.

So war Martin seinen Eltern ein Angst-, Sorgen- und Schmerzenskind. Ebenso hatte der Lehrer mit ihm nichts als Verdruß und Aerger.

Und was war die traurige Folge von all diesen Jugendsünden? Martin wurde später ein Faulenzer, ein Betrüger, ein Dieb und zuletzt ein Bewohner des Zuchthauses.

5. Ein guter König.

(Zwei Beifügungen.)

Ein weiser und gerechter König ist für ein Land ein großes Glück. Er sorgt für das Wohl der Städte und Dörfer. Er fördert die Stätten der Wissenschaft und Kunst.

Seine ebenso wohlwollenden als strengen Gesetze gewähren allen Unterthanen Schutz. Er unterstützt den Fleiß der Handwerker und Bodenbebauer. Er weiß den Segen einer guten Schulbildung und einer frommen häuslichen Erziehung zu würdigen. Er spendet jedem wirklichen Verdienste wohlverdiente und ermunternde Anerkennung.

So strömt Segen von seinem erhabenen, gottbegnadeten[S. 5] Throne über das ganze Land. Allenthalben erblüht geistiges und leibliches Glück.

Das Volk weiß dann aber auch ein solch fürsorgliches und väterliches Regiment zu schätzen. Mit vertrauensvollen und dankbaren Herzen blicken Alle zu dem Throne auf. Jeder Gutgesinnte zeigt nicht blos freudigen, sondern selbst aufopfernden Gehorsam. Für einen solchen Fürsten zieht das Volk willig in den gefahrvollen, blutigen Kampf. An der Gruft eines solchen Landesvaters steht es mit Herzen voll Weh und Schmerz.

6. Der Bergmann.

(Mehrere Beifügungen.)

Der Bergmann hat einen nicht blos mühsamen, sondern auch gesundheits-, ja lebensgefährlichen Beruf. In dem tiefen, dunklen, unheimlichen Schachte ist seine Werkstätte. Die unterirdische ununterbrochene Nacht ist sein Werkeltag. Das kleine, dürftige Flämmchen seiner Grubenlaterne ist seine Sonne.

Die Gefahr zu ersticken, zu verbrennen oder verschüttet zu werden schwebt fortwährend über seinem Haupte. Kann doch jeden Augenblick ein sogenanntes böses Wetter aus dieser oder jener Wand hervorbrechen. Kann doch jeden Tag das an sich zwar feste, aber weitgespannte Steingewölbe über dem armen ruhig arbeitenden Manne zusammenbrechen. Nicht selten droht ihm auch Unheil durch des Wassers tückische, verheerende Macht.

Leider sind dergleichen schreckbare, grauenhafte, herzerschütternde Unglücksfälle gar nicht selten. Die Bergwerke wurden schon für Tausende von braven, biedern, redlich sich nährenden Menschen zum frühen, jammervollen Grabe.

All diesen Gefahren aber geht der Bergmann tagtäglich mit muthigem, gottvertrauendem Herzen entgegen. Er zeigt überhaupt viel frommen, gottesfürchtigen Sinn.

[S. 6]

Vor jedem größeren Bergwerke erblickt man ein kleines, einfaches Bethaus. Hier stärkt er sich durch eine zwar kurze, aber erhebende Andacht zu dem schweren und gefahrvollen Gange in die Tiefe.

Trotz der Arbeit voller Aengste und Bedrohnisse erhält der Bergmann aber doch nur einen bescheidenen, fast kärglichen Lohn. In Bergmanns Hütte herrscht daher nicht selten bittere, drückende Noth. Schwarzes, trockenes Brod bildet häufig seine Mahlzeit nach einer langen, erzfundreichen Schicht. Sein zufriedenes, genügsames Gemüth hilft ihm indeß auch dieses schwere, freudenleere Loos ertragen.

7. Die Sonne.

(Zwei und mehrere Ergänzungen.)

Die Sonne führt verschiedene Titel und Namen. Der Dichter nennt sie die Mutter der Erde, die Königin des Tages, auch wol den Quell alles Lichtes. Der Sternkundige bezeichnet sie einfach als Fix- oder Standstern.

Unendlich groß sind ihre Segnungen. Sie regiert Tag und Nacht. Sie spendet der Erde Licht und Wärme. Ihr milder Strahl erquickt sowohl die Menschen als auch die Thiere und die Pflanzen.

Sie ruft den Frühling und den Sommer. Sie läßt den Herbst und den Winter einziehen. Sie zaubert das zarte Keimblättchen aus der Erde, die üppige Knospe aus dem Zweige, die purpurne Blüthe aus dem Kelche, die goldene Frucht an des Baumes Krone.

Sie zeugt die Raupe in dem winzigen Ei und den Schmetterling in der geheimnißvollen Puppe. Ihre segnende Bahn streut Leben, Glück und Freude aus. Sie scheint Gerechten und Ungerechten.

Und wie verherrlicht sie ihren Auf- und Niedergang![S. 7] Welche Genüsse bereitet sie da dem Auge und dem gefühlvollen Herzen! Wen sollte nicht ein schöner Sonnenaufgang sowohl mit Bewunderung und Entzücken, als auch mit Dankgefühlen und stiller Andacht erfüllen? In wem erzeugte nicht ein schöner Sonnenuntergang nicht allein frohes Staunen, sondern auch ernste Betrachtungen?

Die Größe und Majestät der Sonne erkannten daher auch schon die ältesten Völker. Einige ließen ihr sogar Anbetung und göttliche Verehrung zu Theil werden.

8. Der Blinde.

(Desgleichen.)

Ein Blinder hat ein unsäglich schweres Loos, ein unendlich hartes Geschick zu ertragen. Sein Leben ist reich an Gefahren und Entbehrungen. Ihn kann weder der farbige Blumenteppich des Frühlings, noch das blitzende Diamantkleid des Winters, weder das majestätische Sternenzelt, noch das liebe Bild eines schönen Menschenantlitzes erfreuen.

Er kann nie des Entzückens über eine reizende Landschaft, nie des Jubels über das herrliche Farbenspiel eines Regenbogens, nie auch der ergreifenden Gemüthsbewegung bei dem Anblicke wildzuckender Blitze theilhaftig werden. Auf jedem seiner Wege muß er stets seiner Unsicherheit und Hülflosigkeit eingedenk sein. Er muß jeden Laut, jedes kleine Geräusch beachten. Nur selten kann er des Stockes oder einer leitenden Hand entbehren.

Ein solcher Unglücklicher verdient daher unser Mitleid, unsere herzlichste Theilnahme, unsere Unterstützung. Man muß natürlich an jedem Unglücklichen, ganz besonders aber an dem Tauben, Stummen und Blinden Barmherzigkeit üben. Ein diese Pflicht Vergessender ist weder unserer Achtung und Liebe, noch des Christennamens und der Gnade Gottes würdig.

[S. 8]

9. Eine Landplage.

(Mehrere Ortsbestimmungen. Verhältnißwort.)

Sowohl in Ungarn als auch in Serbien und Bosnien hausten ehedem sehr gefährliche Räuberbanden. Ihre Schlupfwinkel befanden sich in den dortigen Gebirgen und Wäldern. Ihre Lager schlugen sie in Höhlen und Felsenkesseln auf.

Weder in den Städten, noch in den Dörfern war man vor diesem rohen Gesindel sicher. Einzelne der kühnen Gesellen wagten sich sogar am hellen Tage auf die Marktplätze, auf öffentliche Vergnügungsorte und in die Gotteshäuser. Kein Reisender konnte auf Wegen und Straßen für sein Leben unbesorgt sein. Immer mußte er ängstlich vor, neben, um und wol auch hinter sich blicken. Konnte ja doch jeden Augenblick ein solcher Wegelagerer aus einem Dickicht, hinter einer Felsenecke oder aus irgend einer Vertiefung hervorgesprungen kommen. Konnte ja doch auf jedem Schritte das tödtliche Rohr für ihn schon an einem Baumstamme, auf einem Erdhügel oder auf einer Felsenkante angelegt sein.

So war aller Verkehr diesseits und jenseits der Donau höchst unsicher gemacht. Nur mit Hülfe des Militärs vermochte man endlich dem Unwesen zu steuern.

Ganze Compagnien mußten in Bergen und Thälern umherstreifen. Nach Süd und Nord, nach Ost und West gingen einzelne Abtheilungen. Diese bewaffneten Männer spähten unter jeden Haufen dürrer Blätter, hinter jeden Steinblock, in jede Felsenspalte, nach jedem kleinen Thalkessel.

Viele von den Räubern wurden in ihren Verstecken oder auch im freien Walde gefangen. Man führte sie zunächst auf die Militärwachen oder auch sofort in die Gefängnisse. Viele der Raubgesellen fanden ihren Tod auf der Stelle oder später am Galgen. Andere wurden lebenslänglich in die Zuchthäuser oder in andere Strafanstalten geschickt. Einzelne Räuberhäuptlinge[S. 9] büßten ihr verbrecherisches Leben bis an dessen Ende theils in unterirdischen Gefängnissen, theils in stockfinstern Festungszellen.

Die Bewohner der dortigen Gegend aber athmeten nun wieder freier unter ihren Dächern und auf ihren Wanderungen.

10. Der Christbaum.

(Desgl. Umstandswort.)

Clemens schrieb kurz nach dem Weihnachtsfeste an seine kleinen Vettern in Reichenbach und Chemnitz. An den einen berichtete er Folgendes über den Christbaum:

Der Christbaum stand mitten in der Stube auf dem Tische. Er war oben und unten auf das prächtigste geschmückt.

Hier und da blitzten lange Perlenschnuren. Links und rechts flatterten goldene Fähnchen an den Zweigen. Silberpapierne Vögelchen schwebten vermittelst dünner Gummifädchen rückwärts und vorwärts. Eine Menge allerliebster Engel schienen innen und außen auf- und nieder zu steigen.

Inmitten der blitzenden Krone hing ein großer Ruprecht. Er trug hinten und vorn einen Sack. Mit der Rechten bewegte er eine lange Ruthe hin und her. Mit der Linken zeigte er bald aufwärts, bald abwärts.

Hier und dort erblickte man auch vergoldete Schäfchen. Wol an dreißig brennende Kerzen sendeten ihre Strahlen nach den großen Pfeilerspiegeln hinüber und herüber. Und so war das ganze Zimmer bis in alle Ecken und Winkel festlich erleuchtet.

11. Der Kranke.

(Zwei Zeitbestimmungen.)

„Wie geht es Deinem kranken Bruder?“ So fragte Paul den ihm begegnenden Moritz.

[S. 10]

Moritz. Seit vorgestern und gestern war das Fieber im steten Steigen begriffen. Früh und abends phantasirte er sehr lebhaft. Seit zwei oder gar seit drei Tagen hat der arme Junge keinen einzigen Bissen Nahrung zu sich genommen.

Paul. O weh! Da kann ich ihn wol weder heute noch morgen besuchen?

Moritz. Vor Sonntag oder Montag wird das der Arzt kaum erlauben. Selbst ich darf unter drei, vier Tagen nicht zu ihm.

Paul. Wie oft kommt denn der Arzt zu ihm?

Moritz. Der Arzt besucht ihn vor- und nachmittags, zuweilen auch noch einmal abends acht Uhr.

Paul. Welche Heilmittel wendet denn der Arzt an?

Moritz. Früh und abends wird er in feuchte Tücher eingeschlagen. Darauf schwitzt er eine Stunde, auch zwei Stunden. Nun reibt ihn mein Vater fünf bis zehn Minuten mit einem wollenen Tuche trocken. Nach dem Schweiße kommt er 20–30 Sekunden in ein kühles Bad. Der hierauf eintretende Schlaf währt zuweilen eine halbe, auch eine ganze Stunde.

Paul. Gewiß ist Deine gute Mutter recht besorgt um den Kranken?

Moritz. Sie sitzt Tag und Nacht an seinem Bette. Sie hat sich schon seit Tagen und Wochen keinen ordentlichen Schlaf vergönnt. Morgen und übermorgen aber wird mein Vater eine Krankenpflegerin für sie eintreten lassen.

Paul. Vor vier, sechs Wochen wird da wol Dein Bruder nicht in die Schule kommen?

Moritz. Vielleicht gar vor drei oder vier Monaten nicht. Er ist zu sehr entkräftet.

Paul. Möge ihn der liebe Gott recht bald und dann für immer gesund werden lassen!

[S. 11]

12. Die Glocken.

(Desgleichen.)

Hoch auf dem Thurme hängen die Glocken. Ihre ehernen Zungen tönen früh und spät in die weite Welt hinein.

Des Morgens und des Abends mahnen sie zum Gebet. Wie ernstfreundlich klingt doch des Kirchglöckleins Stimme während des Sonnenauf- und Sonnenunterganges!

An Sonn- und Festtagen rufen sie zum Gotteshause. Wie feierlich ertönt sowohl zur lieben Weihnachts- als auch zur lieben Osterzeit der harmonische Glockengruß!

Tiefernst stimmt uns das Kirchengeläute beim Scheiden des Jahres, an Buß- und Bettagen. Fast wehmüthig zittert es zur Zeit eines Begräbnisses oder gar zur Stunde eines Hochgerichts an unser Ohr.

Geradezu schauerlich aber hallt der Nothruf der Glocke während einer Feuersbrunst oder eines Volksaufstandes durch die Straßen.

Ihr Ruf ertönt aber nicht blos an den Tagen ernster Feier, zur Stunde trauriger Familiengeschicke, in den Minuten drohender Gefahr und während der Augenblicke blutiger Sühne, sondern auch zur Zeit froher Feste und freudiger Familienereignisse.

So verkündet z. B. auf dem Lande die Kirchenglocke minuten-, ja viertelstundenlang die Taufe eines Kindes. Dort stimmen die Glocken am Tage der Geburt des Landesvaters, bei Einweihungen kirchlicher Gebäude, bei feierlichen Einzügen und zu besonders festlichen Trauungen ihren freudigen Lobgesang an.

So sind die Kirchenglocken Sommer und Winter, Tag und Nacht theilnehmende Wächter ob des bewegten Menschenlebens. Diesen Dienst aber versehen sie nicht blos erst zehn oder fünfzig, sondern schon seit Hunderten von Jahren.

Früher oder später werden sie auch Dir Dein Grablied singen.

[S. 12]

13. Elise.

(Zwei Bestimmungen der Art und Weise.)

Elise hatte sich auf einem Spaziergange in den Wald plötzlich und auf ganz unerklärliche Weise eine Erkältung zugezogen. Sie wurde nicht blos leichthin, sondern sogar gefährlich krank. Kopf und Brust bereiteten ihr theils abwechselnd, theils gleichzeitig viel Weh.

Mehrere Nächte verbrachte sie schlaflos und äußerst aufgeregt. Unter diesen Umständen waren die Eltern bald mehr, bald weniger um sie besorgt.

Sie ertrug indeß alle Schmerzen still und geduldig. Bereitwillig und ohne eine Miene zu verziehen nahm sie die von dem Arzte verschriebene bittere Arzenei. Ergeben und zugleich vertrauensvoll unterwarf sie sich allen Kurversuchen. Sogar das schmerzhafte Saugen mehrerer Blutegel erduldete sie standhaft und ohne jeglichen Seufzer.

Diesem rühmlichen Verhalten folgte aber auch endlich die Genesung schnell und sicher. Nach vier Wochen war Elise gründlich und darum nachhaltig kurirt. Frisch, munter und fröhlich hüpfte sie nun wieder mit ihren Gespielen im Garten umher.

Ihre Eltern aber dankten dem lieben Gott ebenso aufrichtig als herzlich für die ihrer Tochter neugeschenkte Gesundheit.

14. Das Kanonenfieber.

(Desgleichen.)

Nicht ohne Schreck und eine gewisse Verzagtheit las Melchior den Ruf zu den Waffen. Unter Thränen und Seufzen nahm er Abschied von den Seinigen. Mit trübseligen Gedanken und niedergeschlagnen Augen marschirte er inmitten seines Regimentes zum Thore hinaus.

Seine Kameraden sangen aus voller Kehle und muthiger[S. 13] Brust ihre frischen Soldatenlieder. Melchior schritt stumm und bänglich dahin.

In guter Stimmung und noch bei frischen Kräften überschritt endlich das Regiment die feindliche Grenze. Ebenso kühn als schnell warf sich ihm der Feind entgegen. Zwar in größter Eile, aber dennoch vorsichtig nahm das Regiment Stellung.

Unter Horn- und Trommelsignalen begann der Kampf. Summend und zischend durchkreuzten die tödtlichen Geschosse die Luft. Theils stumm, theils mit einem jähen Aufschrei brachen die von den Kugeln Getroffenen zusammen.

Melchior erbebte bei den ersten Schüssen ganz entsetzlich, fast wie ein furchtsames Kind. Von Todesangst und einer gewissen Betäubung ergriffen stand er in Reihe und Glied. Zitternd und darum ohne jegliches Ziel feuerte er seine Schüsse ab. Fast wider Willen und ohne Selbstbewußtsein ging er mit vorwärts.

Zehn Minuten lang war jetzt mit außerordentlicher Erbitterung, aber noch ohne Erfolg gekämpft worden. Da kam plötzlich und in fast wunderbarer Weise ein ganz anderer Geist über Melchior. Er stellte sich kalt und mannhaft dem Feinde gegenüber. Er zielte mit Ruhe und Sicherheit. Schnell und unerschrocken benutzte er jede Gelegenheit zu seiner Deckung. Mit Ungeduld und sichtlicher Kampfbegeisterung erwartete er das Signal zum Vorwärtsgehen. Beim schließlichen Sturmangriffe eilte er sonder Furcht und Todesangst allen Anderen voran.

Sein Regiment errang endlich unter fast übermenschlichen Anstrengungen und großen Opfern den Sieg.

Und Melchior?

Ihm überreichte sein Commandant vier Wochen nach der Schlacht mit militärischer Feierlichkeit und herzlicher Ansprache eine ehrenvolle Auszeichnung.

[S. 14]

15. Gott und wir.

(Zwei Beweggründe.)

Der liebe Gott schenkt uns Alles aus Liebe und Güte. Er verschiebt die Strafe des Sünders aus Geduld und Langmuth. Er vergibt uns unsere Schuld aus lauter Gnade und Barmherzigkeit.

Aus Liebe und Dankbarkeit müssen wir ihm deshalb gehorchen lernen. Unsere Besserung darf nicht aus Angst oder Furcht geschehen. Wir müssen uns aus vollster Ueberzeugung und mit aufrichtigem Vertrauen ihm stets als Kinder gegenüber stellen.

16. Die Kuh.

(Zwei Zwecke.)

Die Kuh wird zur Zucht und auch zum Zuge verwendet. Sie gewährt deshalb für Stadt und Land großen Nutzen.

Um ihrer Milch und ihres Düngers willen hält man sie oft in großen Heerden. Ihre Milch wird nicht blos als Getränk, sondern auch zu Butter und Käse verbraucht. Ihr Fleisch dient zu Braten und zu verschiedenen andern Speisen. Ihre Haut trägt sie für Schuhmacher, Sattler und Riemer zu Markte. Ihre Hörner sind für Drechsler und Knopfmacher bestimmt.

Wegen dieses allgemeinen Nutzens wird auch die Kuh in manchen Gegenden zum Heirathsgute oder zu einem andern Geschenke erhoben.

17. Der kleine Künstler.

(Zwei Stoffe.)

Julius war ein außerordentlich geschickter Knabe. Er verstand aus den unbedeutendsten Dingen und Stoffen allerhand Spielereien zu fertigen. Aus abgesetzten Korken und weggeworfenen Lederstückchen schnitzte er allerliebste Landschaften.

Aus Baumrinde, Moos und Flechten baute er kleine Einsiedeleien. Aus buntem Papier und den Abfällen in der Glaserwerkstatt[S. 15] wußte er niedliche Glasschränkchen herzustellen. Aus Pappstreifen und bunten Leinwandabschnittchen formte er allerhand Schächtelchen. Aus Cigarrenkastenbretchen und den Deckeln zerbrochener Schachteln entstanden unter seinen Händen bewegliche Windmühlen. Thiere schuf er gewöhnlich aus Mehl und Wasser. Menschen wurden von ihm aus Wachs oder Pech gebildet.

Mit diesen Sächelchen aus festen Stoffen oder ursprünglich weichem Material erfreute er dann seine Geschwister besonders zur Weihnachtszeit.

Wiederholung.

(Alle Arten Zusammenziehungen.)

18. Ludwig und Günther.

Ludwig und Günther nannten sich gute Freunde. Beide aber waren faule, ungezogene und rohe Buben. Ueber ihre Lippen ging selten ein sanftes oder ein gutes Wort. Häufig stießen sie nicht blos Schimpfworte und gemeine Reden, sondern sogar Flüche und Verwünschungen aus.

Während ihrer freien Zeit trieben sie sich in Wäldern und Gebüschen umher. Dabei war im Frühlinge und Herbste ihr Hauptabsehen auf das Wegfangen von Singvögeln gerichtet. Diese Schändlichkeit führten sie durch Aufstellen von Leimruthen, Netzen, Sprenkeln und andern Schlingen aus. Mit den armen Gefangenen aber gingen sie nicht selten äußerst roh und herzlos um. Oft marterten sie die unglücklichen Thierchen aus purer Laune und Schadenfreude auf das entsetzlichste. Schließlich wurden dieselben in ein enges Leinwandsäckchen oder gar in einen Strumpf gesteckt.

So wanderten die Aermsten zum Verkaufe oder zum Verschenken aus ihrem Paradiese hinaus. Die Freiheit und den grünen Wald sah keiner der Unglücklichen wieder. Lebenslänglicher Kerker oder ein elender Tod ward ihr Loos.

[S. 16]

Zum Glück und zur Freude aller Gutgesinnten legte man endlich den bösen Knaben ihr gottloses Treiben. Sie wurden eingezogen, verhört, verurtheilt und auf zwei Jahre in eine Strafanstalt abgeführt.

Zu ihrem eigenen Heile kehrten sie aus dieser Anstalt nach überstandner Buße als gebesserte, gute und brauchbare Menschen zurück.

19. Die Luft.

(Fortsetzung.)

Die Luft besteht aus Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlensäure. Stickstoff und Sauerstoff sind in großer Menge in ihr vorhanden.

Viele Merkmale und Eigenschaften hat sie mit andern Körpern gemein. Sie ist undurchdringlich, durchsichtig, schwer und elastisch. Sie nimmt verschiedene Grade der Kälte und der Wärme an. Deshalb berührt sie uns zuweilen heiß, warm, lau, kalt, sogar eisig kalt.

Die Luft durchdringt die winzigsten Zellen der Thierkörper und der Pflanzen. Sie findet sich ebensowohl in der Tiefe des Meeres als im Innern des größten Felsenberges. Für alles Leben und Gedeihen ist sie die erste Bedingung.

Ihre Bewegungen und Strömungen sind stets wechselnder Natur. Als lindes Säuseln weht sie durch Hain und Flur. Als scharfer Zug pfeift sie durch Fenster und Thüren. Aehrenfelder, einzelne Baumgipfel und ganze Wälder bewegt der Wind.

Er setzt die Windmühle und die Segelschiffe in Bewegung. Er trägt den leichten Drachen und die schwere Wolke. Pfeifend und heulend saust er als Sturm daher. Als Orkan richtet er in Obstgärten, in Wäldern, auf dem Meere, in Dörfern und Städten oft gewaltige Verheerungen an.

Die Luft vermittelt jeden Schall, jeden Laut, jeden Ton, jeden Knall. Ihre Wellen tragen das Murmeln der Bäche, das[S. 17] Summen der Käfer, das Lied der Nachtigall an unser Ohr. Auf ihren Schwingen rollt der knirschende Donner und der dumpfe Knall der schweren Geschütze dahin. Sie vermittelt unsern Herzen das Flehen des Armen, das Seufzen des Leidenden, den Hülferuf des Verunglückten, den Trost theilnehmender Freunde.

So belebt sie nutzbringend und segenspendend das unendliche All.

20. Einfache Kost.

(Fortsetzung.)

Wasser, Salz und Brod macht die Wangen roth. Das ist ein altes und ein wahres Sprichwort. Wo blieben sonst die markigen Gestalten, die kräftigen Arme und die blühenden Gesichter der armen Gebirgsbewohner?

Die Tafeln der Grafen, Herzöge, Könige und Kaiser möchten brechen unter der Last der feinsten Leckerbissen. Sind diese Herren aber deshalb etwa die gesündesten und kräftigsten Menschen? Starb nicht schon mancher Fürst in der Blüthe seiner Jahre, im kräftigsten Mannesalter?

Möge der Arme darum nicht neidisch weder nach den Kapaunen, Austern und Torten, noch nach den Weinhumpen und Methgläsern der Reichen blicken. Bei zufriedenem Sinn und Hunger ist auch die einfache Kartoffel eine leckere Speise. Gaumenkitzel und Zungenweide sind ja oft nur eingebildete Dinge.

Dein Mahl aus einfachem Gemüse und Schwarzbrod erscheint vielleicht sogar manchem Reichen als genußreich. Möglicherweise haben ihm die allzu fetten Speisen den Magen geschwächt oder gar schon verdorben.

Einfache, aber kräftige Kost ist unter allen Umständen der Gesundheit am dienlichsten.

[S. 18]

21. Zwei Brüder.

(Fortsetzung.)

Hans und Otto waren Brüder. Heiterkeit und Frohsinn, sowie Verträglichkeit bildeten die Hauptmerkmale ihres Charakters. Fleiß, wie auch Ordnungsliebe zeigte jeder. Nicht nur der Vater, sondern auch die Mutter waren stolz auf diese Kinder.

Hans galt für einen guten Turner und Schwimmer. Otto leistete viel im Zeichnen und Malen. Ersterer sah frisch und blühend aus. Letzterer war etwas blaß und hager. Beide lernten und arbeiteten um die Wette.

Diese treuen, strebsamen Brüder waren bei Jedermann beliebt. Der Fleiß des Hans und des Otto wurden andern Kindern zum Vorbilde aufgestellt. Otto’s Zeichnungen und Bilder bewunderte man. Von dem Muthe und der Gewandtheit des Hans erzählte man sich überall.

Große und kleine Kinder gingen mit Respekt an diesen Knaben vorüber. Beide jedoch blieben bescheiden und demüthig. So brav und gut sollten alle Knaben und Mädchen sein.

II. Mehrfache Zusammenziehungen.

22. Zwei berühmte Sänger.

(Subjecte, Ergänzungen, Beifügungen etc.)

Nachtigall und Grasmücke sind liebliche Wald- und Singvögel. Sie lieben das niedere, schattige Gebüsch an Flüssen und Teichen.

Ihr einfaches, schlichtes Kleid kann sich weder mit dem bunten Gefieder des Gimpels, noch mit dem vielfarbigen Gewande des Finken messen. Ihr wundervoller, herrlicher Gesang aber macht sie zu Lieblingen bei Jung und Alt.

[S. 19]

Weich und harmonisch ertönen ihre Weisen aus dem düstern Strauchwerke und aus den niedern Baumgipfeln hervor. Ihre melodie- und gefühlsreichen Lieder ergreifen jedes unverdorbene und sinnige Menschenherz mit unwiderstehlicher Macht und seltsamem Zauber. Ihnen lauscht zur Früh- und Abenddämmerung der Wanderer auf staubiger Straße oder auf holperigem Waldpfade. Ihren flötenden, oft schwermüthigen Accorden leiht selbst der müde Waldarbeiter und der die Waldmusik längst gewohnte Waidmann noch sein Ohr.

Und doch haben gerade Nachtigall und Grasmücke unter den Menschen die unbarmherzigsten, gefährlichsten Feinde. Aus purer Gewinnsucht und schnödem Eigennutze stellt man ihnen an allen Orten und Enden nach. Selbst die zu ihrer Sicherheit und ihrem Schutze hier und da erlassenen strengen, oft außerordentlich strengen Gesetze vermögen diese Zierden des Waldes, diese Lieblinge aller Naturfreunde nicht ganz vor Nachstellung und Gefangennahme zu schützen.

23. Der Winter.

(Fortsetzung.)

Horst und Alfred erwarteten mit sehnsüchtigen Blicken und förmlicher Ungeduld den ersten Schnee. Stundenlang, ja halbe Tage lang schauten sie zu den hohen, breiten Fenstern hinaus nach dem grauen, wolkenbedeckten Himmel.

Längst schon hatten sie ihre Schlitten und Schlittenpeitschen aus ihren Schlupfwinkeln hervorgeholt und in Bereitschaft gestellt. Nicht blos bereits seit Tagen, sondern sogar seit Wochen schwärmten sie in ihren Gesprächen und Träumen von Schneeballschlachten, Schneemännern und Rutschpartien.

Da endlich wirbelten die ersten feinen, zarten Schneeflöckchen in anmuthigem Tanze und in dichtem Gedränge auf Dach und Baum, auf Hof und Garten herab. Horst und Alfred schrieen[S. 20] laut und freudig auf über das längst ersehnte und längst erhoffte Naturereigniß.

Nach zwei Tagen und drei Nächten lag der Schnee in den Gärten und Feldern nicht blos zoll-, sondern sogar ellenhoch. Nun wurden von den beiden Knaben und ihren Freunden und Gespielen Schlittenbahnen angelegt und große, dickmauerige Schneeschanzen errichtet. Diese ziemlich fest und äußerst geschickt angelegten Bollwerke suchte man dann unter Vivat- und Hurrahgeschrei zu erstürmen. Dabei flogen die großen und kleinen Bomben hinüber und herüber. Viele von ihnen zerplatzten zur Freude und zum Jubel der kleinen Schaar auf dem Rücken, an den Köpfen und wol gar an den Nasen der Gegner.

Zur Abwechselung wurde nach beendigter Schlacht oder nach längerer Schlittenfahrtbelustigung ein hoher, breitschultriger Schneemann erbaut. Wohlausgesuchte und geeignet geformte Steinkohle bildete seine Augen und seine Nase. Zähne und Lippen verlieh man ihm mittels rother Tuchläppchen und kleiner Eiszapfen.

Die Schöpfung eines solch riesigen Schneemannes weckte unter den kleinen Knaben außerordentlich fleißige und emsige Hände und viel Freude und Jubel.

So trieben sie es alle Tage und wurden des langen und zugleich harten Winters nicht müde. Bei aller dieser Freude und bei all diesem Vergnügen vernachlässigten sie aber nie ihre Schularbeiten und ihre sonstigen häuslichen Beschäftigungen.

24. Stolz und Eitelkeit.

(Fortsetzung.)

Stolz und Eitelkeit verderben bei Kindern und Erwachsenen nicht blos den Charakter, sondern beflecken auch das Herz. Stolze und Eitle blicken mit Geringschätzung und Nichtachtung auf Arme und Gebrechliche, überhaupt auf Niedrigstehende herab. Ihr[S. 21] Gemüth verschließt sich aus lauter Dünkel und Hochmuth der Theilnahme, dem Mitleide, der Barmherzigkeit. Dabei werden sie in engeren und weiteren Gesellschaftskreisen unangenehm und darum lästig.

Welcher Verständige und Vernünftige möchte wol gern mit solchen eingebildeten Narren und hochfahrenden Thoren näheren und wol gar freundschaftlichen Umgang haben?

Der Hochmüthige lebt sich unbestritten und unleugbar auch selbst zur Last und Qual. Wie erregt und ärgert ihn jeder fremde Vorzug des Standes, der Bildung, der körperlichen Schönheit, der Kleidung, jedes fremde Lob, jede fremde Ehre oft auf Tage und Wochen hinaus! Wie mitunter peinlich ängstlich ist er früh und spät auf die Pflege seiner Haut, seiner Zähne, seiner Haare, vielleicht sogar seiner Nägel bedacht! Wie späht die Eitelkeit auf den Straßen und in Gesellschaften, sowie in Modezeitungen und andern derartigen Blättern nach der neuesten Form der Kopfbedeckung, dem neuesten Schnitte der Kleider, wol gar nach der neuesten Farbe der Handschuhe! An allen Orten und in allen Kreisen will sie gesehen und bewundert sein.

Welch ein unruhiges, trauriges Leben! Laßt uns lieber zu unserer Ehre und zu unserem Ruhme unsern schönsten Schmuck in Einfachheit und Bescheidenheit suchen und finden.

III. Arten der Zusammenziehung.

25. Ein Kampf.

(Zusammenstellend.)

Ein Staar und ein Sperling stritten sich um den Besitz eines Nistkastens. Derselbe bot allerdings nicht blos alle mögliche Bequemlichkeit, sondern auch viel Raum. Zudem hing er hoch und sicher. Sowohl während der Früh- als der Mittags- und der langen Nachmittagsstunden konnte ihn die Sonne bescheinen.[S. 22] Somit erschien er den beiden Vögeln zum Brüten und zur Kinderzucht außerordentlich geeignet. Beide setzten daher auch für die Eroberung desselben Blut und Leben ein.

Der Kampf wurde mit Wuth und Erbitterung geführt.

Bald schlugen, hackten und bissen sich die hitzigen Gegner auf den Aesten und Zweigen, bald auf dem Dache des Nistkastens, bald auf dem Rasen des Gartens umher. Graue und schwarze Federn wirbelten zahlreich nach links und rechts. Wuth und Schmerzgeschrei zeterte durch die Luft. Eine Menge anderer Vögel eilte theils aus Neugier, theils vor Schreck herbei.

Wol drei bis fünf Minuten dauerte die entsetzliche Fehde. Erschöpft und blutend ergriff endlich der Staar die Flucht. Der allerdings auch verwundete und schrecklich zerzauste Spatz aber zog triumphirend und fast wie hohnlachend in das eroberte Luftschloß ein.

Wollt ihr ihn etwa ob seiner Heldenthat schmähen oder verurtheilen?

26. Die Erzväter.

(Desgleichen.)

Abraham, Isaak und Jakob waren Erzväter. Sie alle führten nicht blos zum Scheine, sondern in Wahrheit ein frommes, gottesfürchtiges Leben. Weder Glück noch Unglück vermochte ihre Gottestreue wankend zu machen. Sie standen nicht allein in ihrer Familie, sondern auch in ihrer weiteren Umgebung als wahre Muster im Gehorsam, in der Demuth und im Gottvertrauen da. Die Israeliten zollen ihnen darum noch heute große Achtung und Verehrung.

Alle drei Männer standen aber auch unter besonderem Schutze und in besonderer Gnade Jehovah’s. Er segnete sie mit leiblichen und geistigen Gütern. Mit Muth und Kraft wußten sie daher stets Leid und Trübsal zu ertragen. Mußte doch[S. 23] Isaak noch in seinen alten Tagen und besonders während seiner Blindheit bittern Undank und schmachvolle Täuschung erfahren. Welch tiefes Herzeleid und welch unendliches Weh mußte Vater Jakob infolge des Neides und der Rachsucht seiner eigenen Kinder empfinden! Immer indeß führte ihr Herr und Gott jene Männer durch Kummer, Noth und Thränen zu neuer Freude, neuem Glücke.

Die Lebensgeschichten dieser Gottesmänner sind im lieben, heiligen Bibelbuche ebenso getreulich als auch ausführlich niedergeschrieben. Sie zu lesen und zu erwägen ist für Kopf und Herz heilsam.

27. Das Meer.

(Entgegenstellend.)

Der Anblick des Meeres kann zu Zeiten mit erhebender Bewunderung, aber auch mit erschütterndem Entsetzen erfüllen.

Es beplätschert den Strand mit freundlichem Wellenspiel, tobt aber auch in wilder Brandung. Seine Straßen sind zwar breit, indeß nicht selten gefahrvoll. Meeressturm, gleichwohl auch Meeresstille können äußerst unheilbringend werden.

Das Reisen auf dem Oceane ist allerdings reich an Genüssen, hingegen auch stets gewagt. Die riesigsten Segelschiffe, doch auch die mächtigsten Dampfer können verunglücken.

Trotzdem geht der Matrose nie mit Zagen, sondern stets mit Freuden aufs neue in See. Der wettergebräunte Seemann vermag in Stunden schwerer Noth lange zu fluchen, allein endlich auch zu beten. Er traut allerdings seiner Kraft, dessenungeachtet zuletzt aber auch der schützenden Hand Gottes.

Das Meerwasser ist zwar hell und klar, dennoch für den Menschen ungenießbar. Viele seiner Bewohner sind uns bekannt, indeß noch lange nicht alle. Es birgt unendlich viel erklärliche Naturerscheinungen, aber auch noch viel Geheimnisse.

[S. 24]

28. Geld.

(Desgleichen.)

Viel Geld macht zwar reich, aber nicht immer glücklich. Es ist wohl ein Tröster in der Noth, indeß in vielen Fällen kein Helfer.

Der Besitz viel blinkenden Erzes verschafft nicht selten dem Menschen Ehre, dessenungeachtet aber keinen sittlichen Werth. Das Geld erschließt die Thür zu vielen Genüssen, jedoch auch das Thor zu mancherlei Sünden und Lastern. Es erfreut nicht blos, sondern verführt auch. In das eine Herz pflanzt der Mammon den Sinn des Mitleids und der Wohlthätigkeit, in das andere dagegen die Wurzel des Stolzes und des Dünkels.

So ist er unser Freund, gleichwohl auch unser Feind. Wir können durch ihn in vieler Hinsicht frei, aber auch Sklaven werden. Wir wollen daher unser Geld zwar zusammenhalten, allein niemals das Herz daran hängen.

29. Der Maikäfer.

(Begründung.)

Die Maikäfer sind sehr gefräßig, darum schädlich. Sie erscheinen fast alle zu gleicher Zeit, deshalb in großer Menge. Sie suchen im Frühlinge das junge Blätterwerk und deswegen die Gipfel der Eichen und Kastanien auf.

Sie zeugen viel Eier, demnach eine zahlreiche Nachkommenschaft. Ihre Larven ruhen tief in der Erde, folglich wohlgeborgen.

Ihre wohlgenährten, mithin fetten Leiber dienen vielen Vögeln zur Nahrung. Sie sind auch für manche Menschen eine Delicatesse und also nicht ganz ohne Nutzen.

[S. 25]

30. Die Bibel.

(Desgleichen.)

Die Bibel ist ein vor Jahrtausenden geschriebenes und daher uraltes Buch. Sie ist durch von Gott erleuchtete Männer verfaßt, darum heilig und ehrwürdig.

Sie enthält unsere ganze Christenreligion, mithin einen unendlichen Schatz von Lehren und Wahrheit. Sie soll unser Licht und unsere Leuchte, somit ein Führer durch das Leben sein. Sie gibt uns die Zusicherung der göttlichen Liebe und Fürsorge und demnach Kraft und Muth in gefahrvollen Stunden und Tagen. Ihre frommen Sprüche erfüllen das Herz mit Vertrauen und Zuversicht auf die ewige Huld und Gnade, daher auch mit Trost und Ergebung im Unglück.

Viele Kapitel darin besingen die Wunderwerke, folglich auch die Macht und Weisheit des Schöpfers. Die Bibel sollte vor allen andern Büchern in jeder Christenfamilie heimisch sein und deswegen überhaupt den allgemeinsten Eingang gefunden haben. Jeder Getaufte, mithin auch der ärmste der Armen müßte dieses heilige Gotteswort besitzen.

Der wirkliche Jünger Jesu mag sie zu keiner Zeit, also auch nicht in den Tagen der Freude entbehren. Werde der heiligen Schrift ihre Würde und Weihe und somit der Menschheit ein unwägbarer Schatz erhalten!

Hauptwiederholung.

(Alle Arten der Zusammenziehungen.)

31. Die Katze.

Die Katze ist ein nützliches und oft sehr nothwendiges Hausthier. Ihr Geruch und ihr Gesicht sind scharf. Sie ist im Springen und Klettern sehr gewandt.

[S. 26]

Ihr Charakter zeigt von Schlauheit, aber auch von Falschheit. Sie schmeichelt oft, doch kratzt sie auch leicht. Man muß ihr deshalb nicht trauen, sondern mißtrauen.

Die Katze fängt nicht blos Mäuse, sondern auch Ratten. Sie jagt nicht nur im Hause, sondern auch auf dem Felde. Nicht allein Mäuse und Ratten, sondern auch die Vögel fliehen vor ihr.

Die Katze ist schnell, demnach letzteren sehr gefährlich. Ihr Gang ist völlig geräuschlos, mithin für ihre Raubzüge von großem Vortheile. Ihr Gebiß ist scharf, darum eine tödtliche Waffe.

Die Katze ist ein getreuer Wächter gegen viele kleine Diebe, deshalb ein weitverbreitetes Hausthier.

D. Zusammengesetzte Sätze.

I. Ohne Bindewörter.

32. Der Morgen.

(Zusammenstellend.)

Der Osthimmel röthete sich, der Morgen begann zu dämmern. Die Hähne krähten, die Tauben hoben an zu girren. Die Kühe rasselten mit ihren Ketten, die jungen Rosse wieherten im Stalle. Die Staare ließen ihren Frühpsalm ertönen, die Lerchen stiegen trillernd in die Luft.

Die Frühglocke ertönte, ihr frommes Morgenlied hallte treulich das Thal entlang. Die Gehöfte belebten sich, auf dem schmalen Dorfwege zeigten sich bereits einzelne Landbewohner.

Jetzt war die Sonne über die fernen Berge emporgestiegen, die ganze Natur lag verklärt im Morgenglanze. Die[S. 27] Blumen erschlossen ihre lieben Augen, die Thauperlen blitzten tausendfältig an den Halmen. Die Heerden zogen unter lieblichem Glockengeläute auf die fetten Triften, die Ackersleute führten ihre munteren Gespanne zum Pfluge.

So zeigte sich überall neugestärkte Kraft, so entwickelte sich allenthalben Frische und Lebenslust.

33. Auf dem Meere.

(Desgleichen.)

Der Himmel verdunkelte sich, es ward unheimlich still. Die Seeadler kreischten, die Sturmvögel umschwirrten bereits das Schiff.

Immer dunkler ward der Himmel, näher zog das schwarze Gewölk. Man hört ein fernes Brausen, es erhebt sich der Sturm. Blitze zucken, Donner grollen, die Wellen thürmen sich hoch auf.

Das Schiff wird hin und her geworfen, das Steuerruder droht zu brechen. Der Kapitän commandirt unaufhörlich, die Matrosen fliegen eilend hin und her. Man zieht die Segel ein, die Luken werden geschlossen.

Der Sturm tobt immer wilder, die Wellen gehen immer höher. Plötzlich gibt es einen gewaltigen Stoß, die Masten krachen, die Wände bersten, das Wasser strömt unaufhaltsam ein, das Schiff sinkt. Binnen einer Viertelstunde ist nur die Hauptmastspitze noch von ihm zu sehen, die ganze Bemannung hat ihr Grab in den Wellen gefunden.

34. Der junge Graf.

(Entgegenstellend.)

Ein Haushofmeister gebot seinem vornehmen Schüler zu schweigen, der junge Graf plauderte fort. Der Ungehorsame sollte Latein treiben, er tändelte mit Briefmarken.

[S. 28]

Der Lehrer wiederholte bald darauf seinen Befehl sehr ernst, Junker Armin spielte gleichgiltig weiter. Ersterer drohte jetzt mit Bestrafung, der junge Graf lächelte.

Der Hauslehrer besaß viel Geduld, jetzt ging sie zu Ende. Er hatte den jungen Grafen lange genug mit Güte behandelt, heute sollte derselbe seinen ganzen Ernst empfinden lernen.

Der Ungehorsame fürchtete nichts Schlimmes, er täuschte sich. Bald darauf rief ein Diener zur Mittagsmahlzeit, der junge Graf erhielt keine Einladung. Nach Tische fuhr die gesammte gräfliche Familie spazieren, Armin mußte zu Hause bleiben. Armin hatte jeden Abend zwanzig französische Wörter zu lernen, heute mußte er deren noch einmal so viel seinem Gedächtnisse einprägen.

35. Eine Feuersbrunst.

(Desgleichen.)

Die Nacht eines schönen Octobertages war freundlich ins Thal gezogen, sie sollte einen traurigen Ausgang nehmen.

Gegen zwölf Uhr schlugen die Flammen aus dem dürren Strohdache einer alten Mühle, Niemand darin bemerkte es. Schon sprühten einzelne Funken durch die kleinen Fenster, die Mühlbewohner schliefen noch fest.

Die Feuerglocke ertönte, ihr Ruf kam leider viel zu spät. Man setzte die Dorfspritze in Bewegung, die Gluth war nicht mehr zu bezwingen.

Das Leben der Inwohner wurde endlich noch gerettet, ihre Habe ging verloren. Der Abend hatte sie als glückliche Menschen begrüßt, der Morgen sah sie als Bettler.

36. Frühling.

(Begründend.)

Der Frühling nahte, die Menschenherzen athmeten fröhlich auf. Die Sonne schien wärmer, der Schnee schmolz. Der Frost[S. 29] entwich aus dem Erdreiche, frische Pflanzenkeime trieben hervor. Die Luft wehte mild über die Fluren, die Zugvögel kamen herbei. Einzelne Blumen erschlossen bereits ihre Honigkelche, die Oede der Wiesen verschwand. Die Bäume bedeckten sich mit Blüthen, die Bienen verließen ihre Zellen.

Warmer Regen strömte nieder, die Saaten sproßten empor. Alles Leben erwachte aus dem Winterschlafe, überall zeigte sich verjüngte Kraft.

37. Die Sündfluth.

(Desgleichen.)

Die 120 Gnadenjahre waren um, das göttliche Strafgericht begann. Der Regen strömte unaufhörlich hernieder, die Gewässer traten über ihre Ufer. Die Fluthen wälzten sich die Thäler entlang, die Menschen flüchteten auf die Berge.

Die tobenden Wogen stiegen von Tag zu Tag höher, alle Sünder fanden ihren Tod. Noah’s Familie allein blieb übrig, sie war dem Herrn treu gewesen.

Wiederholung.

(Zusammenstellend, entgegenstellend, begründend.)

38. Eine Dampfwagenfahrt.

Die Bahnhofsglocke läutete, die Passagiere stiegen in die Wagen. Die Locomotive pfiff, der Zug setzte sich in Bewegung.

Anfangs bewegte er sich ganz langsam, nach wenig Sekunden rollte er schon bedeutend schnell, bald sauste er mit voller Kraft dahin. Die Telegraphenstangen huschten blitzschnell vorüber, die Fruchtäcker drängten sich gleich schmalen Bändern an einander, die Waldbäume schienen zu tanzen.

Der Zug durchschnitt herrliche Landschaften, sie konnten nur flüchtig genossen werden. Er jagte ja mit Windeseile dahin, das Auge konnte keinen Ruhepunkt gewinnen.

[S. 30]

Inmitten der Fahrt erscholl plötzlich ein Nothsignal, die Fahrgäste erschraken.

Die Schaffner bremsten augenblicklich, Alles drängte an die Wagenfenster, Einzelne schrieen laut auf, Andere wollten durchaus hinausspringen.

Ein Unglück erfolgte nicht, der Zug blieb ruhig stehen. In der Maschine war blos eine kleine Röhre gesprungen, ein solcher Vorfall bringt selten Gefahr. Der Schaden ward ausgebessert, das Abfahrtssignal schrillte aufs neue, bald ratterte der Zug wieder die Schienen entlang. Die Fahrt ging glücklich weiter, die Aufregung unter den Fahrgästen währte noch lange.

II. Mit Bindewörtern.

39. Ein Doppelfest.

(Zusammenstellend.)

In dem Garten des Kaufmanns Löbel herrschte eines Tages ein lustiges Treiben, und dieses Treiben gab für den Beobachter ein liebliches Bild. Der Kaufmann hatte nämlich zwei Söhne, und beide Knaben feierten heute einen Festtag. Bruno beging sein Wiegenfest, und Hugo feierte seinen Namenstag.

Zu diesem Feste nun hatten sie nicht blos ihre liebsten Schulkameraden eingeladen, sondern die Eltern hatten auch noch die Kinder der Nachbarschaft herbeigezogen. Es standen den muntern Gästen nicht allein allerhand Spiele zur Verfügung. sondern es war auch für einen wohlgedeckten Tisch gesorgt.

Bald vertheilte man sich zu den verschiedenen Unterhaltungen, und die Lust nahm ihren Anfang. Die großen Knaben griffen zunächst zu den Armbrüsten, und die jüngeren Gäste eilten zuerst nach den großen Gummibällen.

Hier warf man Reifen, und dort schob eine kleine Gesellschaft[S. 31] Kegel. Eine Anzahl Mädchen spielten Blindekuh, auch das Topfschlagen wurde nicht vergessen. Der kleine Heinrich jagte einen großen Reifen im Garten umher, und der dicke Otto ließ einen bunten Kreisel tanzen. Julchen fuhr einen schönen Puppenwagen, und Marie beschäftigte sich mit allerhand Blumen.

Mitten über dem Garten schwebte ein riesiger Drache, außerdem ließ der Kaufmann auch noch kleine Luftballons steigen.

Bei all dieser Lust entstand weder Streit unter den zahlreichen Gästen, noch bemerkte man ein ausgelassenes Verhalten.

Die Kühle des spätern Nachmittags machte endlich dem fröhlichen Treiben ein Ende, zudem nöthigte auch die sinkende Sonne die fremden Gäste zum Nachhausegehen.

So verstrich das heitere Fest in ungetrübter Freude, und allen Theilnehmern blieb es noch lange in freundlicher Erinnerung.

40. Abend.

(Desgleichen.)

Die Sonne ging unter, und Dämmerung senkte sich auf die Erde nieder. Am Westhimmel strahlte ein leichtes Purpurgewölk, und aus den Fenstern der Berghütte blitzte der Wiederschein des herrlichen Abendgoldes. Der Lerchengesang verstummte, ebenso verhallten die Lieder des Waldes.

Die Heerden zogen still nach ihren Ställen, und die Feldarbeiter schritten ermüdet nach ihren Hütten. Traulich tönte die Abendglocke vom Kirchlein herüber, und manches fromme Herz ward durch diesen Ruf zum Gebet gestimmt.

Immer länger dehnten sich die Baumschatten auf dem Rasen dahin, und immer dichter wob die Dämmerung ihren düstern Schleier. Ueber den Blumen flatterten bereits die fahlen Nachtschmetterlinge, und in den Gehöften begannen die Fledermäuse ihren geisterhaften Kreisflug. Immer stiller ward es rings umher, und immer tiefere Ruhe senkte sich auf die müde Erde.

[S. 32]

41. Maß halten.

(Entgegenstellend.)

Die Schädlichkeit jedweder Unmäßigkeit in leiblichen Genüssen ist bekannt, dessenungeachtet fallen der letzteren noch viele Menschen zum Opfer.

Wir sollen uns des Lebens freuen, aber unsere Freude muß in gewissen Grenzen bleiben. Wir dürfen uns an dem köstlichen Weine erlaben, doch darf es dabei nicht zu einem Rausche kommen. Wir dürfen unserem Gaumen durch wohlschmeckende Speisen gütlich thun, gleichwohl darf der Magen nie damit überfüllt werden.

Der Mensch muß die gehörige Zeit schlafen, das Zuviel ist indeß auch hier ungesund. Ein naturgemäßer Schlaf stärkt die Glieder, eine zu lange Ruhe hingegen erschlafft das Nervenleben. Auch der Tanz ist eine erlaubte Freude, nur darf diese kreisende Bewegung nicht bis zur Erschöpfung fortgesetzt werden.

Darum genieße Jeder die Freuden dieses Lebens, allein er halte in allen Dingen Maß.

42. Das Feuer.

(Desgleichen.)

Das Feuer ist eine höchst wohlthätige Gabe des Himmels, aber es hat auch schon unsägliches Unheil angerichtet. Es erhellt in finsteren Nächten unser Stübchen, allein ein einziger Funke von ihm kann unsere ganze Habe vernichten.

Das Feuer macht viele Nahrungsmittel erst genießbar, gleichwohl kann ein einziger allzuheißer Bissen uns zum Essen unfähig machen. Es verleiht unserem Zimmer während der kalten Wintertage eine wohlthuende Wärme, doch haben die glühenden Ofenwände auch schon manchem Unvorsichtigen schmerzhafte Wunden beigebracht.

[S. 33]

Das weithin strahlende Licht der Leuchtthürme bewahrte schon manches Schiff vor entsetzlichem Unglücke, indeß die Macht der Flammen sehr vielen Seefahrzeugen einen jammervollen Untergang bereitete.

Die lustig lodernde Pechfackel verherrlicht das Friedensfest, der brennende Pechkranz hingegen ist ein Schrecken des Krieges. Tausende von Lichtern verleihen bei festlichen Gelegenheiten einer Stadt den höchsten Glanz, gleichwohl kann ein einziges Flämmchen davon sie in einen Schutthaufen verwandeln. Der Anblick eines feuerspeienden Berges gewährt ein überwältigendes Schauspiel, die Verheerungen der glühenden Lava jedoch sind entsetzlich anzusehen.

So wollen wir denn für die Wohlthat des Feuers dankbar sein, aber seine Gefahren sollen von uns nie unbeachtet bleiben.

43. Die Schule.

(Begründend.)

Die Schulzeit vergeht schnell, deshalb mußt Du sie gewissenhaft benutzen.

Sei in jeder Stunde streng aufmerksam, denn das Leben erfordert mancherlei Kenntnisse. Uebe Dich sorgfältig in allerlei Fertigkeiten, weil Du dadurch Dein Fortkommen in der Welt finden kannst. Oberflächlich Gelerntes vergißt sich bald wieder, deswegen präge Dir jede Lection recht gründlich ein.

Die Schule sucht den ganzen Menschen zu bilden, mithin muß sich ihr auch jeder Schüler mit all seinen Kräften widmen. Beherzige deshalb vor allen Dingen die heiligen Lehren der Religion, denn daraus gehet das Leben. Ein rechtschaffener Charakter ist ein sicherer Wanderstab, daher eigne Dir schon in der Schule sittliche Grundsätze an. Ein frommes Herz ist der größte Schatz auf Erden, deshalb nimm die Heilswahrheiten[S. 34] aus dem Munde Deines Lehrers gläubig in Dich auf. Die Schule will eben nicht blos Dein irdisches Glück begründen, demnach sorgt sie auch für Deine Seele.

Da Du nun Solches weißt, so richte Dein Verhalten danach ein.

44. Die Kartoffel.

(Desgleichen.)

Die Kartoffel ist das Brod der Armen, deshalb ist Franz Drake durch Einführung derselben zu einem Volkswohlthäter geworden.

In Deutschland tauchte sie zum ersten Male unter Karl’s V. Regierung auf, mithin fällt ihre Einbürgerung in die Mitte des 16. Jahrhunderts. Der Werth dieser Frucht wurde geraume Zeit nicht recht gewürdigt, daher verzögerte sich die allgemeine Verbreitung derselben. Manchen Regierungen dauerte dies allerdings zu lange, deswegen suchten sie den Kartoffelanbau durch Zwangsmaßregeln zu fördern.

Die Kartoffel hat in der Regel die Gestalt eines Apfels, daher nennt man sie in einigen Gegenden Erdäpfel. Weil ihr Mehl viel Nahrungsstoff enthält, mischt man es oft mit Getreidemehl zu Brod.

Die Kartoffel enthält auch Klebstoff, mithin kann sie zur Gummibereitung verwendet werden. Sie birgt ferner eine gewisse Süßigkeit, und somit findet sie sogar Eingang in Zuckerfabriken. In der Viehwirthschaft spielt sie eine ganz bedeutende Rolle, denn sie ist ein vorzügliches Mästmittel.

Der Kartoffelbau ist übrigens leicht, da diese Frucht fast in jedem Boden gedeiht.

[S. 35]

Wiederholung.

(Zusammenstellend, entgegenstellend, begründend.)

45. Die Jagd.

Das Jagdhorn erscholl, und die Jäger brachen auf. Die Hühnerhunde bellten, auch die kleinen Dachse erhoben ihre Stimme.

Blitzender Reif lag auf den Fluren, zudem drohten die Wolken mit Schnee. Wol blies ein eisiger Wind von Westen nach Osten, aber der Waidmann fürchtet sich vor Kälte nicht.

Die Jäger gingen jetzt auseinander, jeder indeß behielt Linie. Die Hunde drängten vor, allein man hielt sie noch zurück. Bald fielen einzelne Schüsse, aber es fiel kein Hase. Die Ladungen hatten gefehlt, weil man aus zu großer Ferne geschossen hatte. Später traf jeder Schuß, denn die Jäger waren jetzt ihrer Beute näher.

Das Revier war endlich abgejagt, deshalb blies man zum Rückzuge. Das Jagdglück hatte sich günstig gezeigt, darum genoß man nun unter großer Heiterkeit das Mittagsbrod.

46. Der Brudermord.

(Desgleichen.)

Kain bestellte eines Tages seinen Acker, und Abel hütete seine Schafe. Beide waren Brüder, aber ihre Gemüthsart war sehr verschieden.

Kain’s Brust erfüllte die Mißgunst, weshalb er wol auch stets mit Neid auf seinen Bruder blicken mochte. Den Abel beseelte Frömmigkeit, auch trug sein ganzes Wesen das Gepräge der Sanftmuth.

Beide Brüder zündeten eines Tages Feuer an, denn jeder gedachte dem lieben Gott ein Opfer zu bringen. Kain opferte Früchte des Feldes, Abel dagegen verbrannte ein Schaf.

[S. 36]

Die Opferfeuer züngelten gleichmäßig empor, die Rauchsäulen indeß nahmen eine verschiedene Richtung an. Der Rauch von Abel’s Opfer stieg in geraden Linien zum Himmel hinauf, der von Kain’s Opferaltare hingegen wälzte sich in dichten Wolken auf der Erde hin.

Das sah Kain, und sein Herz ergrimmte. Sein Bruder dünkte ihm ein besonderer Liebling Jehovah’s zu sein, somit aber war er ihm ein Dorn im Auge.

Der entsetzliche Neid trieb ihn nicht nur zum Hasse, sondern seine lieblose Seele wurde auch sofort mit Zorneswuth erfüllt.

Kain dachte in diesem Augenblick weder an den allwissenden Gott, noch kümmerten ihn die Eltern daheim. Die Mörderkeule zuckte nieder, und sein Bruder Abel stürzte todt zu Boden.

47. Entstehung des Brodes.

(Mit und ohne Bindewörter.)

Das Feld wird bestellt, der Landmann streut Samen aus, der Himmel gibt Regen und Sonnenschein, die Saaten gehen auf, sie grünen und wachsen, der Sommer bringt sie zur Reife, der Schnitter mäht sie ab, die Scheune nimmt die vollen Garben auf, der Dreschflegel stäubt die Aehren, der Mühlstein zermalmt die Körner, der Bäcker knetet den Teig, der Backofen vollendet das Gebäck und der Mensch genießt das Brod.

48. Ein Haus.

(Desgleichen.)

Das Haus hat zu kleine Fenster, sein Dach ist nur von Stroh, der Garten darum hat keine Obstbäume, auch ist das Futter darin nicht gut, die ganze Lage ist zu winterlich und die Umgebung zu einförmig, darum kaufe ich das Grundstück nicht.

[S. 37]

49. Eine Luftschifffahrt.

(Mit und ohne Bindewort. Zusammenstellend, entgegenstellend und begründend.)

Der Luftballon hatte seine Füllung erhalten, sein Leib war mächtig geschwollen, fast wie ungeduldig drängte er nach der Abreise.

Wir stiegen drei Mann hoch in die von Weidenruthen geflochtene Gondel, und ich nahm sofort auf einem kleinen Sessel Platz. Wir freuten uns auf die seltene Fahrt, aber dennoch klopften unsere Herzen vor Bänglichkeit. Das Luftmeer ist an Gefahren dem Weltmeere gleich, denn auch jenes hat keine Balken.

Ein Signal erscholl, die Stricke wurden gelöst, der Ballon erhob sich. Die versammelte Menge wünschte uns glückliche Fahrt, Hunderte von Tüchern winkten uns den Abschiedsgruß, Tausende von Augen folgten unserem Fluge.

Unser Luftschiffskapitän warf eine Anzahl Gedichte auf die Zuschauer hinunter, auch schoß er ein Pistol in die Luft hinaus ab. Die Menge tief unten jauchzte dabei laut auf, mich durchrieselte ein bängliches Frösteln.

Unser Luftfahrzeug schlug anfänglich die Richtung nach Osten ein, bald indeß wurde es von dem Winde nach Süden getrieben. Pfeilschnell stieg es empor, dennoch erfolgte sein Flug gänzlich geräuschlos.

Die Wolken näherten sich merklich, die Landschaft unter uns trat immer mehr zurück. Unsere Blicke gewannen ein immer größeres Aussichtsfeld, dagegen schmolzen die Gegenstände auf der Erde zu immer kleineren Gestalten zusammen. Die Menschen erschienen nur noch in der Größe von schwarzen Ameisen, die Flüsse schlängelten sich wie schmale Silberschnuren dahin, die Wälder glichen großen Tinteklecksen, und die Berge[S. 38] amen uns wie winzige Hügel vor. Die Luft wurde jetzt nicht nur mit jeder Sekunde dünner, sondern die Temperatur sank auch merklich herab, und somit hatten unsere Lungen tüchtig zu arbeiten.

Wir mochten etwa eine Stunde unterwegs sein, da beschloß unser Kapitän den Rückzug. Er stieg an einer Strickleiter empor, und gleich darauf entstand ein kleines Geräusch. Er hatte ein Ventil geöffnet, ein Theil der eingeschlossenen Luft entwich, das Schiff begann zu sinken.

Ich hatte das Landen oft als ziemlich gefahrvoll schildern hören, deshalb wurde mir jetzt wieder nicht wohl zu Muthe. Zu unsern Gunsten war vollkommene Windstille eingetreten, kein Lüftchen regte sich. Der Ballon sank immer tiefer und schwebte jetzt etwa noch thurmhoch über einer ebenen Flur. Der Anker sank hinab, das Ventil öffnete sich noch einmal kräftig, die Luft strömte zischend aus, und der gespannte Riesenleib legte sich allmälig in Falten. Plötzlich gab es eine Art Stoß, und gleichzeitig erscholl aus dem Munde des Kapitäns ein Hurrah!

Der Ballon stand still, weil der Anker Boden gefaßt hatte. Bald standen wir wieder auf festem Grunde, und ich war außerordentlich befriedigt, denn eine solche Luftreise bietet ein unbeschreiblich wunderbares Schauspiel.

Hauptwiederholung.

(Zusammengezogene und zusammengesetzte Sätze.)

50. Der letzte Klos.

Hans und Görge waren eines Tages die Letzten am Tische. Hans hatte seinen Sitz auf des Vaters Stuhl eingenommen, der kleine Görge dagegen kniete auf einer breiten Lehnbank.

In der Schüssel befand sich noch ein einziger Klos und etwas Brühe. Beides waren die letzten Ueberreste vom Mittagsbrode,[S. 39] denn das Mittagsmahl war vorüber, und die Tischgäste hatten sich eben entfernt.

Hans und Görge stierten nicht blos sehnsüchtig, sondern auch habgierig den dicken und zugleich fetten Klos an. Jeder wollte ihn haben, keiner gönnte ihn dem andern, denn in beider Herzen wohnten Neid und Mißgunst. Ihre Augen funkelten, ihre Lippen glitschten im Vorgeschmacke des Leckerbissens. Einer beobachtete heimlich die Miene des andern, keiner aber wagte irgend eine Bewegung.

Der Appetit und die Ungeduld schienen sich indeß bei beiden Brüdern von Minute zu Minute zu steigern, zudem konnte ja auch jeden Augenblick die Mutter kommen und den Speiserest forttragen.

Da endlich streckte Hans beide Hände aus und faßte die Schüssel am Rande. Im Nu aber packte sie Görge an der entgegengesetzten Seite, denn er wollte sich den fetten Bissen durchaus nicht so mir nichts dir nichts entreißen lassen, am allerwenigsten sollte ihn Hans ohne alle Hindernisse verschlucken dürfen.

Nun aber entspann sich ein ebenso heftiger als lächerlicher Kampf. Hans zog hin, Görge her, und zwar erfolgte dieses Hinundher zusehends schneller und mit merklich sich steigernder Erbitterung und Wuth. Der arme Klos hatte es am übelsten dabei, denn er wurde unbarmherzig in der Schüssel herumgekollert und hätte vor Angst bersten mögen.

Der brüderliche oder vielmehr unbrüderliche Kampf war jetzt aufs Höchste gestiegen, die Brühe spritzte nach allen Seiten hin, und der gute Klos rannte wie verzweifelt an den Schüsselwänden empor. Da aber trat schnell und unerwartet ein tückisches Ereigniß ein, und Kampf und Sieg waren entschieden. Plötzlich brach nämlich die Schüssel mitten entzwei, die schöne Brühe ergoß sich auf das Tischtuch, und der befreite Klos kugelte vom Tische herab auf den Dielen dahin. In demselben Augenblicke[S. 40] aber sprang Ami unter dem Ofen hervor, fing den Klos auf, that einen kräftigen Schluck, und weg war er.

E. Satzgefüge.

I. Subjectivsätze.

1. Vollständige Subjectivsätze.

51. Natur.

(Der Subjectivsatz steht voran.)

Wer keine Freude an der herrlichen Gottesnatur hat, ist ein gefühlloser Mensch. Wen ein Sonnenaufgang nicht entzücken kann, verdient nicht der Sonne Segen. Wessen Herz nicht beim Anblick des Sternenhimmels die Größe des Schöpfers empfindet, muß keinen Funken Glauben in sich tragen. Wem der wunderbare Blumenbau nicht die Weisheit Gottes verkündet, der wird auch durch die Bibel diese Eigenschaft nicht zu erkennen vermögen.

Wem der Sinn für Natur abgeht, dem entgehen überhaupt unzählige Freuden. Was die Vöglein singen, ist ihm leerer Schall. Wovon die murmelnden Bächlein erzählen, kümmert ihn nicht. Wie zauberisch sich ein Schmetterling aus der Raupe entwickelt, dünkt ihm nicht der Beachtung werth. Daß der herbstlich gefärbte Laubwald ein reizendes Bild ist, bleibt seinen Augen verborgen. Worin die Reize einer schönen Winterlandschaft bestehen, ist seinen blöden Augen ein Räthsel. Worüber Tausende inmitten des schönen Gottestempels entzückt aufjauchzen, dünkt ihm vielleicht gar lächerlich.

Wer darum sein Leben mit edlen Freuden würzen will, mache die Natur zu seiner Freundin.

[S. 41]

52. Gottvertrauen.

(Desgleichen.)

Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut. Ob dies Wort von Allen verstanden wird, ist wol zu bezweifeln. Daß aber vielen Menschen jene Ergebung in den Willen des Höchsten mangelt, ist dagegen gewiß.

Wozu dieser Mangel oft führt, zeigt uns die Erfahrung.

Dem Gottvertrauen innewohnt, der hat eine mächtige Stütze im Leben.

Was den Gottvertrauenden hinieden auch betrifft, bringt ihn niemals außer Fassung. Womit ihn der Herr erfreut, veranlaßt ihn zum Danke. Was das Schicksal ihm auferlegt, wird von ihm geduldig hingenommen. Warum Gott gerade ihm Leiden sendet, wird in ihm nie ein Gegenstand kleinmüthiger Frage. Was sein Himmelsvater thut, dünkt ihm wohlgethan.

Der so zum Herrn steht, ist ein echtes Kind Gottes. Den solcher Glaube beseelt, ist ein wahrer Christ. Wessen Herz von solcher Zuversicht durchdrungen ist, der steuert sicher auf dem bewegten Strome des Lebens.

53. Der Hund.

(Der Subjectivsatz zuletzt.)

Es ist längst erwiesen, daß schlechte Verpflegung den Hund schließlich toll macht. Es ist hinlänglich bekannt, daß ein toller Hund unsägliches Unheil anrichten kann. Es ist oft genug geschildert worden, wie gräßlich das Ende eines in Tollwuth verfallenen Menschen ist. Trotzdem ist es aber die große Frage, ob alle Hundebesitzer ihre Pflichten gegen ihre Thiere gewissenhaft erfüllen.

Der pflegt seinen Hund nicht, der ihm zu geringe Kost reicht. Der bekümmert sich wenig um die Gesundheit des treuen[S. 42] Thieres, den sein Bedürfniß zu saufen nicht rührt. Der liebt den lieben Hausfreund kaum, dem dessen Winseln vor Kälte kein Erbarmen einflößt.

Gib darum Deinem Hunde, was ihm gehört. Reiche ihm, was ihn wirklich nährt. Wende von ihm ab, was ihm schädlich ist. Muthe ihm nicht zu, was über seine Kräfte geht. Vergiß nie, wie ihn die Natur gebaut hat.

Der ist ein Thierquäler, der das Alles nicht beachtet. Derjenige sollte darum auch keinen Hund halten, der seine Bedürfnisse nicht kennt.

54. Die Erde.

(Der Subjectivsatz vorn und zuletzt.)

Daß die Erde große Schätze birgt, steht in jeder Naturgeschichte. Es ist aber sehr fraglich, ob alle schon entdeckt sind.

Wen Diamanten umstrahlen, der dankt sie der Erde. Wem sein Mittagsbrod auf goldenen Gefäßen gereicht wird, der gedenke des Fundortes dieses edlen Metalles. Es wäre möglich, daß ihn dieser Gedanke vor Stolz bewahrte.

Was nur irgend aus Metall gefertigt ist, hat seinen Ursprung im Schooße der Erde. Einleuchten muß es daher, daß auch die Stecknadel ein Geschenk der Mutter Erde ist.

Wovon wir unsere Wohnungen bauen, liefert sie uns ebenfalls. Womit wir uns kleiden, wächst zu einem großen Theile aus ihrem Schooße empor. Was uns nährt, entsteigt ihrem geheimnißvollen Grunde. Unleugbar ist es daher, daß sie die Erhalterin alles Lebens ist.

Es ist längst kein Geheimniß mehr, wie der Erdball entstanden. Wol aber bleibt es eine offene Frage, wie lange er fortbestehen wird. Wo sein Ziel gesetzt ist, weiß nur sein Schöpfer. Es steht indeß zu hoffen, daß die Erde während unseres Lebens nicht untergehen wird.

[S. 43]

2. Abgekürzte Subjectivsätze.

55. Selbsterkenntniß.

Es ist eine große Weisheit, sich selbst zu kennen. Wenigen aber nur fällt es ein, sich selbst zu beobachten. Nur Einzelnen ist es bequem, über sich selbst nachzudenken. Es ziemt indeß besonders dem Christen, sich stets zu prüfen. Seine eigenen Fehler zu gestehen, schändet niemals. Sich schuldig zu bekennen, ehrt oft gar.

Es ist ja doch menschlich, sich einmal vergessen zu haben. Ebenso menschlich ist es, sich zu irren.

Sehr leicht ist es dagegen, Andere zu richten. Manchen scheint es ein wahres Vergnügen zu sein, fremde Mängel zu enthüllen. Gar Viele finden eine Freude darin, Anderer Fehler aufzudecken. Ein Splitterrichter zu sein, ist indeß kein Lob.

Es bleibt stets gefährlich, sich über Andere zu erheben. Sich selbst zu bekämpfen, ist der allerschwerste Krieg. Sich selbst zu besiegen, ist der allerschönste Sieg.

Wiederholung.

(Vollständige und abgekürzte Subjectivsätze.)

56. Die Todten.

Daß man die Todten ehrt, ist eine löbliche Sitte. Ihr letztes Ruhebette zu schmücken, ist nichts Tadelnswerthes. Ihr Begräbniß feierlich zu gestalten, ist den Angehörigen ein Bedürfniß.

Wer aber hierbei die rechte Grenze überschreitet, dessen Verfahren verdient Mißbilligung. Es ziemt auch hierbei Maß zu halten.

Wirkliche Kleinode mit ins Grab zu geben, ist eine Verschwendung. Was der Sarg umschließt, ist ja für immer verloren. Der ruht deshalb nicht sanfter in der Erde, an dessen[S. 44] Fingern Diamanten funkeln. Was an dem Geschiedenen auf dem Paradebette blitzt, das erlischt im Grabesdunkel.

Todte zu ehren, ist löblich. Mit Todten Luxus zu treiben, ist verwerflich. Es wäre rühmlicher, „die Salbe“ zu verkaufen und den Armen zu geben.

Hauptwiederholungen.

(Zusammengesetzte Sätze und Satzgefüge.)

57. Im Winter.

Bruno setzte sich an das Fenster, Heinrich dagegen nahm am Tische Platz. Was sie zeither gespielt hatten, war ihnen langweilig geworden. Es ist ja bekannt, daß selbst das schönste Spiel endlich ermüdet.

Bruno ergötzte sich jetzt an dem wirbelnden Schneefalle, denn der alte Winterkönig schüttelte die silbernen Flocken mit vollen Händen herab. Heinrich baute aus Kartenblättern Häuser und Brücken, sogar eine Festung versuchte er zu errichten.

Ob sie heute noch Erlaubniß zum Schlittenfahren erhalten würden, war beiden Brüdern zweifelhaft. Sich draußen im frischen Schnee herumtummeln zu dürfen, wäre ihnen freilich sehr erwünscht gewesen. Wer je einmal diese Winterlust genossen hat, wird ihnen diesen Wunsch nicht verdenken.

Endlich trat der Vater ein, und sein heiteres Gesicht ließ die Knaben Hoffnung schöpfen. Was sie hofften, ging in Erfüllung.

Wen das Schlittenfahren reizte, der konnte gehen. Wem eine Schneebataille erwünscht schien, der hatte die Erlaubniß dazu. Wie sich überhaupt die beiden Brüder draußen vergnügen wollten, blieb ihnen überlassen.

So viel Freiheit hatten sie nicht erwartet, denn sie kannten die gewöhnliche Strenge des Vaters. Das aber ist die größte Freude, die uns unerwartet kommt.

[S. 45]

Bruno und Heinrich eilten hinaus. Wo der Schnee am tiefsten lag, wußten sie schon. Wozu die Schneewehen für die Kinder da sind, war ihnen ebenfalls gar wohl bekannt. Daß sie auf der Pfarrwiese zahlreiche Gesellschaft treffen würden, ließ sich vermuthen.

Wol an zwei Stunden tummelten sich beide Brüder nach Herzenslust in der freien Winterflur umher, und bei dieser Belustigung gab es keine Langeweile.

II. Prädikatsätze.

58. Gott und der Mensch.

Gott ist, der er war. Gott ist auch, der er sein wird. Er bleibt, der er stets gewesen.

Der Mensch dagegen bleibt nicht, der er war. Wol aber wird er einst, was er war.

Auch ich werde wieder, was ich einst gewesen. Der Leib verwandelt sich in Erde. Somit wird so manches Menschen höchster Stolz im Grabe, was er im Leben gleichgiltig mit Füßen trat. Eine große Thorheit ist es, daß man dies zu oft vergißt.

Die Gräber sind es, woran des Lebens ernsteste Gedanken geschrieben stehen. Die größte Weisheit ist, daß man diese Schrift zu lesen versteht. Sie ist übrigens derartig, daß sie Jeder lesen kann. Demuth sei es daher, wonach wir stets trachten wollen.

Hauptwiederholung.

(Subjectiv- und Prädikatsätze.)

59. Ein trauriger Pfad.

Gefährlich ist es, des Lasters Bahn zu gehen. Was anfänglich genußreich erschien, wird gar zu oft die Ursache bitterer[S. 46] Schmerzen. Worüber der Sinnenmensch früher jubelte, erscheint ihm später nicht selten als Gegenstand der Reue.

Der Lasterhafte wird endlich, was der Sklave an der Kette ist. Er ist somit, was er um Alles in der Welt nicht sein will. Sein Bestes zu bedenken, kommt ihm nicht in den Sinn. Das Ende seiner Lebensweise zu erwägen, vermeidet er absichtlich.

Sich selbst zu beherrschen, mangelt ihm die Kraft. Wozu ihn sein Gelüste treibt, wird seine nächste Aufgabe. Wohin der Rausch führen könne, kümmert ihn nicht.

Aber der anfangs blumenreiche Lasterpfad bleibt nicht, wie er war. Was anfänglich Rosen waren, sind zuletzt nur noch Dornen. Was den Körper zu oft erquickt, richtet ihn zu Grunde. Was den Geist rauschartig aufregt, stumpft ihn ab.

Der Schwelger wird als Jüngling, was der Greis in späteren Tagen ist. Der Fluch der Sünde ist es, worin er seinen Untergang findet.

III. Beifügesätze.

1. Vollständige Beifügesätze.

60. Ein Schulkreuz.

(Der Beifügesatz zuletzt.)

Theodor gehörte zu den Schülern, die dem Lehrer Noth machen. Er zeigte ein Betragen, das keineswegs löblich war. In seinem ganzen Wesen lag ein Stumpfsinn, der ihn für jeden Tadel gleichgiltig machte. Aus seinem Auge aber sprach dabei eine gewisse Tücke, die ihn als einen gefährlichen Nachbar erscheinen ließ.

Seine Arbeiten waren oft von einer Beschaffenheit, die den Lehrer in Aufregung versetzte. Oft brachte er Exempel, die er nicht selbst gerechnet hatte. Zuweilen lieferte er einen[S. 47] Aufsatz ab, der durchaus nicht aus seiner Feder geflossen war. Nicht selten legte er Zeichnungen als die seinigen vor, die fremde Hände ausgeführt hatten.

Er war demnach ein Schüler, der log. Er war ein Mensch, der betrog.

Natürlich erhielt Theodor Strafen, die sehr empfindlich waren. Er bekam Censuren, die fast nicht schlechter sein konnten.

Der Lehrer wies ihm endlich einen Platz an, der ihm zur großen Schande gereichen mußte. Theodor’s Hände mußten zuletzt sogar Bekanntschaft mit dem Dinge machen, das man gewöhnlich nur zum Linienziehen verwendet. Trotzdem aber blieb er ein Schüler, der für die Schule ein Kreuz war.

61. Ein muthiger Knabe.

(Der Beifügesatz in der Mitte.)

Ein Knabe, der im Walde Beeren suchte, fühlte Hunger. Er setzte sich deshalb unter einer Eiche, die mit ihren riesigen Aesten viel Schatten bot, nieder. Ein Stück trockenes Brod, das er aus der Tasche zog, diente ihm als Mahl. Die Beeren, die er bereits gepflückt hatte, rührte er indeß nicht an.

Bald war die höchst einfache Mahlzeit, die ihm jedoch vortrefflich gemundet, beendet. Da fühlte er plötzlich an dem einen Fuße, den er an einen Stein gestemmt hielt, einen stechenden Schmerz. Fast zu gleicher Zeit huschte eine Otter, die er sofort für die Kreuzotter erkannte, unter den Stein.

Der Knabe, der sich sofort von der Natter gebissen hielt, erschrak über die Maßen. Ihm war die Gefahr, die aus einem solchen Bisse entsteht, aus der Naturgeschichte bekannt. Ihm war aber auch das Mittel, das hier allein retten konnte, nicht verborgen.

Er führte den Fuß, der bereits zu schwellen begann, an den Mund. Hierauf nahm er die verwundete Stelle, die nur unbedeutend[S. 48] blutete, zwischen die Lippen. Nun fing er mit aller Kraft, die seine Lungen gestatteten, zu saugen an. Das Blut, das er auf diese Weise in ziemlichen Massen aussog, spuckte er natürlich aus.

Dieses Aussaugen der Wunde, das er mit allem Eifer betrieb, setzte er wol eine halbe Stunde fort. Darauf hielt er den Fuß, der nicht weiter angeschwollen zu sein schien, in den nahen Waldbach.

Jetzt erst ging der Knabe, der sich indeß ziemlich ermattet fühlte, nach Hause. Die Eltern, welche über das Geschehene in große Aufregung versetzt wurden, riefen sofort einen Arzt herbei. Der betreffende Arzt, der in seiner Kunst wohl erfahren war, erklärte alle Gefahr für beseitigt.

Der Knabe, dessen Geistesgegenwart man allgemein bewunderte, hatte sich selbst von den schrecklichen Folgen eines Otternbisses gerettet.

62. Flora.

(Die Beifügesätze umschreiben ein Eigenschaftswort.)

Flora, welche sehr strebsam war, liebte besonders die Musik. Ihr Ohr, das für die Harmonien sehr viel Empfänglichkeit besaß, lauschte jedem Tone. Kein Genuß ging ihr über das Anhören eines Concertes, das sich einer guten Ausführung erfreute.

Flora besaß einen musikalischen Nachahmungstrieb, der oft Staunen erregte. Melodien, die zum Gemüthe sprachen, spielte sie sofort auf dem Piano nach. Arien, die einen gediegenen Charakter offenbarten, sang sie mit Leichtigkeit nach dem Gehör.

Dieses Talent Flora’s bemerkte ihr Onkel, der ein reicher Mann war. Er ließ ihr sofort musikalischen Unterricht ertheilen, wie er besser wol kaum gefunden werden konnte. Durch seine Verwendung genoß sie überhaupt eine musikalische Ausbildung, die nach jeder Richtung hin ausgezeichnet genannt werden mußte.

[S. 49]

Flora machte in kurzer Zeit Fortschritte, die abermals der Bewunderung werth waren. Schon nach zwei Jahren trat sie in dem Theater, welches das größte der Stadt war, als Sängerin auf. Ihr Gesang, dessen Reinheit nichts zu wünschen übrig ließ, fand außerordentlichen Beifall.

Flora, die bei aller Auszeichnung ihre Bescheidenheit bewahrte, ward eine berühmte Sängerin. So hatte jener Onkel, der bei allem Reichthum ein gutes Herz besaß, ihr Glück begründet.

63. Eine Bergpartie.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Mittelwort.)

Der Fuß des Berges, den wir besteigen wollten, war erreicht. Unser Führer, der im Reisen wohlerfahren zu sein schien, rieth zu einer kurzen Rast.

Diesem Rathe, der uns sehr wohlgemeint dünkte, folgten wir gern. Schnell warfen wir die Reisebündel, die uns nicht wenig drückten, ab. Ein jeder suchte sich sofort ein Ruheplätzchen, das Schatten gewährte. Bald machte ein Trunk, der uns schier erquickte, die Runde. Auch ein Imbiß, der uns Stärke verleihen sollte, wurde genommen.

Nach einer halben Stunde, die wir traulich verplaudert hatten, setzten wir unsere Reise fort. Langsam stiegen wir den Abhang, welcher indeß bald sehr steil wurde, hinan. Namentlich wurde der Marsch durch das Steingeröll, welches den Pfad bedeckte, ungemein erschwert. Die Alpenstöcke, die wohl mit Eisen beschlagen waren, fanden bei jedem Schritte Verwendung.

Nach einem einstündigen Marsche erreichten wir eine Matte, welche viel Reize bot. Dicht vor einem Felsen stand eine Sennhütte, welche zahlreiche Geisen umlagerten. Freundlich grüßte ihr Geläute, das sanft in die Luft hallte, uns entgegen. Der Anblick der Alpenwiese, die üppig grünte, war für das Auge[S. 50] ein Genuß. In vollen Zügen schlürften wir den Alpenkräuterduft, der uns wahrhaft stärkte.

Mit einem Marschliede, das aufs neue erheiterte, schritten wir über die liebliche Bergeinsamkeit hinweg. Der Punkt, den wir erreichen wollten, lag noch etwa 2000 Fuß hoch. Von jetzt an gab es mitunter Weghindernisse, die nur höchst mühsam zu überwinden waren. Wir gelangten außerdem wiederholt auf Felsenvorsprünge, welche Schwindel verursachten. Unter des Führers Zusprache, die uns ermuthigte, strebten wir indeß vorwärts.

Ohne Kampf, der allerdings ermüdet, kein Sieg. Nach einer Stunde, die uns noch fürchterlich anstrengte, standen wir endlich auf dem Gipfel des Berges. Hier aber lohnte auch der Umblick, der uns förmlich bezauberte, reichlich unsere Mühe.

64. Verschiedene Besitzungen.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Besitz anzeigendes Fürwort.)

Das Haus, das mir gehört, steht an einem Bache. Der Freund, welchen ich mein nenne, besitzt auch ein Grundstück. Das Grundstück, das ihm zu eigen gehört, liegt nahe am Walde.

Die beiden Besitzungen, die unser Eigenthum sind, haben beide ihre Vorzüge. Die Lagen, deren sie sich erfreuen, bieten mancherlei Reize. Ziemlich öde ist dagegen die Lage der Villa, die Du angekauft hast. Ein Gleiches gilt von dem Rittergute, das Dein Bruder inne hat. Die Asyle, die Ihr Euch da zu eigen gemacht habt, könnten mir nicht gefallen.

Der Geschmack, den ich in dieser Beziehung besitze, weicht eben von dem Eurigen ab. Die Wünsche, die ich in dieser Hinsicht hege, erstrecken sich auf eine romantische Umgebung. Die Ansprüche dagegen, die Ihr macht, beziehen sich mehr auf eine schöne Einrichtung im Innern der Gebäude.

[S. 51]

65. Ein Todtenbette.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Ortsbestimmung.)

Das Schloß, das inmitten eines wundervollen Parkes lag, war heute eine Stätte unendlichen Schmerzes. Der große Saal, durch den sonst heitere Musik rauschte, hatte müssen in eine stille Todtenhalle verwandelt werden. Das kostbare Fußgetäfel, über welches oft die geflügelten Füße fröhlicher Ballgäste glitten, trug heute einen Sarg. Dieser Sarg, um den herum unzählige Kerzen brannten, barg einen Jüngling.

Der Todte, auf dem Aller Augen mit tiefer Wehmuth ruhten, war der einzige Sohn des reichen Schloßbesitzers. Theilnehmende Verwandte hatten kostbaren Blumenschmuck gesendet, der vor dem Sarge in sinniger Ordnung aufgestellt war. Riesige Fächerpalmen, die man oberhalb des Hauptes angebracht hatte, bildeten eine Art Himmelbette.

An dem Betstuhle, der dicht neben dem Sarge stand, kniete ein betender Priester. Das Crucifix, das zu Füßen des Paradebettes lehnte, war umflort.

Des Jünglings Vater, der an einer nahen Marmorsäule lehnte, sah in stummem Schmerze vor sich nieder. Die Mutter, welche dicht hinter ihm stand, barg ihr thränenzerflossenes Antlitz in ihr weißes Taschentuch. Sogar des Todten Lieblingshund, der nicht von der Seite des Sarges wich, schien seinen Herrn zu betrauern.

Dieser Todesfall, der bei Alt und Jung die größte Theilnahme hervorrief, zeigte so recht die Ohnmacht des Reichthums. Dieser Schicksalsschlag, der ja doch von oben kam, machte all das irdische Glück der Schloßfamilie zu nichte. Er führte sie aber auch zur Demuth vor dem, der jenseits der Sterne wohnt.

[S. 52]

66. Deutschland.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Zeitbestimmung.)

Der deutsch-französische Krieg, der nach verhältnißmäßig kurzer Zeit beendet war, ist für die deutschen Länder von großem Segen gewesen. Das Blut, das damals floß, ist nicht umsonst geflossen. Die verschiedenen deutschen Staaten, die es vorher gab, haben sich zu einem großen Ganzen vereinigt. Die vielen deutschen Heerkörper, die sonst unter ebenso vielen obersten Befelshabern standen, stehen nun unter einem einzigen Kriegsherrn.

Die mancherlei deutschen Stämme, die sich vor kurzem noch mehr oder weniger von einander absonderten, reichen sich jetzt die Bruderhand. Aus den einzelnen Gebieten, welche vordem zerstückelt umherlagen, ist ein einziges großes Reich erstanden. Das Deutschthum, das zeither von gewissen Nationen über die Achsel angesehen wurde, hat sich eine außerordentliche Geltung erobert. Selbst der gewöhnliche Mann, der sonst auf seine Angehörigkeit wenig Gewicht legte, fühlt sich jetzt als Deutscher.

Aber die Sonne, die nach jenem glücklichen Kriege über unser Vaterland aufgegangen ist, hat auch sonst noch große Veränderungen bewirkt. Die Milliarden, die noch heute als Kriegsentschädigung nach Deutschland einwandern, haben in der Verkehrswelt einen großen Umschwung hervorgebracht. Der Unternehmungsgeist, der allerdings den Deutschen stets innewohnte, hat gegenwärtig einen ungeheuren Anlauf angenommen.

Dadurch sind freilich die Arbeitskräfte, welche bisher in ziemlich genügender Zahl vorhanden waren, rar geworden. Infolge dessen haben sich die Arbeitslöhne, die vor dem Kriege mäßige waren, fast um das Doppelte gesteigert. In gleichem Maße sind die Lebensmittelpreise, wie wir sie im Jahre 1870 kannten, in die Höhe gegangen.

Doch das, was einst war, müssen wir vergessen lernen.[S. 53] Halten wir trotzdem unser liebes Deutschland, wie es jetzt ist, hoch und hehr.

67. Der Lebensmüde.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Art und Weise.)

Ein Greis, welcher unter vielen Lebensstürmen ergraut war, wollte sich in die Einsamkeit zurückziehen. Zu diesem Zwecke ließ er sich am Ende seines Vaterdorfes, dessen Häuser ziemlich zerstreut in einem Thale lagen, eine Hütte bauen. Diese Hütte, die er sich ganz nach seiner Weise einrichten ließ, sollte sein letztes Asyl im Leben sein.

Die Wände, die kaum die Dicke eines Mauerziegels hielten, wurden aus Lehm errichtet. Die Fenster, die beinahe wie Kerkerfenster aussahen, waren durchaus nicht auf viel Stubenhelle berechnet. Das Dach, welches man in einfachster Weise mit Stroh gedeckt hatte, reichte an der Hinterseite fast bis auf die Erde. Auch die innere Einrichtung der Wohnstube, in der man vergeblich nach dem kleinsten Luxus suchte, trug das Gepräge der größten Einfachheit.

Endlich zog der lebensmüde Greis, der längst auf die Vollendung der Hütte gewartet hatte, ein. Er, der lange genug im Schweiße seines Angesichts sein Brod gegessen hatte, pflegte hier nun der Ruhe. Um die Welt, der er unverdrossenen Sinnes seine Kräfte gewidmet hatte, kümmerte er sich wenig mehr.

Seine Welt war jetzt ein kleines Gärtchen, das er ohne alle Anstrengung mit Blumen bepflanzte. Sein treuester Freund war der alte Mops, der ihm beständig auf Schritt und Tritt folgte.

So floß sein Lebensabend, der bei aller Entbehrung doch noch manche stille Freude bot, ruhig dahin. Der stille Rückblick auf die Vergangenheit, die wie ein sturmbewegter See heute vor ihn lag, kürzte ihm die Zeit.

[S. 54]

Endlich nahte seine Sterbestunde, der er schon längst ergebenen Sinnes entgegengesehen hatte. Sein Ende, das unter einem gläubigen Gebete erfolgte, war ein sanftes Entschlummern. Die Hütte aber, aus der man den Entschlafenen ohne Sang und Klang zur Ruhe trug, hieß von Stund an das Friedenshäuschen.

68. Vaterlandsliebe.

(Der Beifügesatz umschreibt einen Grund oder Zweck.)

Ein Bauer, der durch eine Erbschaft sehr reich geworden war, hatte einen einzigen Sohn. Diesen Sohn, für dessen Zukunft sich nun eine glänzende Aussicht eröffnete, liebte er mit rührender Herzlichkeit. Sein Gotthold, der wegen seiner guten Aufführung auch im ganzen Dorfe geliebt wurde, war sein größter Stolz. Uebrigens gehörte Gotthold, seines schlanken Wuchses halber, zu den schönsten Burschen der Umgegend.

Da brach ein Krieg herein, der zur Rettung des Vaterlandes geführt werden mußte. Der König, welcher kraft seiner Macht das Kriegsheer verstärken konnte, ließ sofort Rekruten ausheben. Einzelne junge Männer, die aus Furcht vor den Kriegsgefahren entflohen, wurden gewaltsam zurückgebracht. Viele Jünglinge indeß, die um des Vaterlandes willen gern ihr Leben einsetzen wollten, stellten sich freiwillig. Auch Gotthold, der überhaupt für den Soldatenstand schwärmte, eilte aus freiem Entschlusse zu den Waffen.

Wenige Wochen darauf wurde er dem Regimente, das zum Schutze der Hauptstadt bestimmt war, einverleibt. Sein schon betagter Vater, der vor Besorgniß um den einzigen Sohn keine Nacht ruhig schlafen konnte, holte täglich Nachricht über den Stand der Dinge ein.

Da endlich langte gerade an dem Sonntage, der der Erinnerung an die Heimgegangenen geweiht ist, die Kunde von einem[S. 55] blutigen Kampfe um den Besitz der Hauptstadt an. Glücklicherweise ließ die Botschaft von der gänzlichen Niederlage des Feindes, die durch den Telegraphen vermittelt wurde, nicht lange auf sich warten.

Leider hatte Gotthold diesen Sieg, der für die Rettung des Landes den Ausschlag gab, mit seinem Leben bezahlen müssen. Sein Vater, der zwar für den Augenblick von diesem Schicksalsschlage wie zerschmettert schien, brach indeß keineswegs in ein verzweifeltes Wehklagen aus. Er ertrug den Schmerz über den herben Verlust, den er um des Vaterlandes willen erlitten, mit stiller Ergebung. Von seinem Sohne aber, der durch seinen Tod den Sieg erkaufen half, sprach er sein Lebelang mit sichtlichem Stolze.

69. Gleiche Rechte, gleiche Pflichten.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Hauptwort im zweiten Falle.)

Das Gesetz, wonach in Deutschland jetzt jeder gesunde junge Mann zum Militärdienste verpflichtet ist, ist gewiß ein gerechtes. Die frühere Einrichtung, welcher zufolge sich die Söhne der Reichen vom Militär freikaufen konnten, hatte große Schattenseiten. Warum sollte blos der Arme die Pflicht, den Fürstenthron zu schützen, zu erfüllen haben? Warum sollten blos die Söhne unbemittelter Eltern den schweren Eid, nach welchem der Soldat das Vaterland mit Blut und Leben zu vertheidigen hat, auf sich nehmen?

Die Zusicherung, daß Jedermann vom Staate gleichen Schutz genießt, legt auch Allen gleiche Pflichten gegen den Staat auf. Wollen wir also die weise Verfügung, kraft deren jetzt der Millionär neben dem ärmsten Nachtwächterssohne unter der deutschen Fahne steht, freudig begrüßen. Möge jeder junge Soldat den Schwur, vermöge dessen er unverbrüchliche Treue gelobt, in Ehren halten!

[S. 56]

70. Das kindliche Spiel.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Zeitwort in reiner Form.)

Der Trieb, demzufolge das Kind gern spielt, ist ein sehr natürlicher. Es darf darüber natürlich die Pflicht, die es für die Schule arbeiten heißt, nicht vergessen.

Sehr verschieden ist die Art, in der manche Kinder ein Spiel treiben. Kleinen Kindern muß oft die Weise, nach welcher ein Spiel zu handhaben ist, erst gelehrt werden. Sie zeigen in der Regel anfänglich das Bestreben, daß sie die Spielgegenstände am liebsten zerstören möchten.

Bei geselligen Spielen tritt leider oft die Sucht, daß der Einzelne über die Andern gern herrschen möchte, recht deutlich hervor. Man muß aber diesen Hang, demzufolge ein Einzelner allen Andern befehlen will, unbedingt tadeln. Jedem Mitspielenden muß das Recht, wonach er sich für ein gewisses Spiel entscheiden kann, freistehen.

Ebenso darf auch bei sogenannten Glücksspielen der Wunsch der Kinder, daß sie gewinnen möchten, nie zur Leidenschaft werden. Die Möglichkeit, daß man im Glücksspiele auch verlieren kann, muß jedem Spieler vorweg einleuchten.

71. Räthsel.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Doppelhauptwort.)

Alfred und Heino gaben sich gegenseitig Räthsel auf. Alfred brachte folgende zum Vorschein:

Wie heißt das Stroh, womit das Dach man deckt,
Wie nennst du das, drauf man im Bett sich streckt,
Wie heißt das Dach, das man aus Stroh gewinnt,
Und wie der Mann, deß Glieder Stroh nur sind?
Nenn’ mir das Bier, das gleich vom Faß man trinkt,
Und wieder das, das aus der Flasche blinkt.
[S. 57]
Wie heißt das Faß, dem frisch das Bier entfließt,
Und wie das Glas, aus dem man Bier genießt?
Wie heißen Maler, die die Stube schmücken,
Und die, die uns durch Landschaftsbilder oft entzücken?
Wie nennst die Stube Du, da still ein Maler schafft,
Und die, drin uns der Schlaf gibt neue Kraft?
72. Die Bienen.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Zahlbestimmung.)

Die Bienen eines Stockes, deren Zahl oft 15000 beträgt, bilden eine Art Königreich. Die Honigbienen, die ziemlich stark vertreten sind, erscheinen als die eigentlichen Arbeiter. Die Drohnen, deren Zahl geringer ist, machen den Hofstaat aus.

Neben den Honigzellen bauen die Bienen auch Brutzellen, die man ebenfalls nach Tausenden zählen kann. Die Eier, welche eine gleich große Menge bilden, legt einzig und allein die Königin.

An einem günstigen Tage kann von den Bienen eines reich bevölkerten Bienenstockes eine Honigmenge, die das Gewicht von zehn Pfund erreichte, eingeheimst werden.

73. Biblische Beinamen.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Apposition.)

Die Sitte, in irgend einer Weise sich auszeichnenden Menschen einen besonderen Beinamen zu geben, ist uralt. Den ersten erhielt Adam, den man den Stammvater des Menschengeschlechts nannte. Einer gleichen Ehre hatte sich Abraham, der als der Erzvater bezeichnet wurde, zu erfreuen.

Zu diesen bevorzugten biblischen Personen gehört auch der König Salomo, dem man bekanntlich den Ehrentitel „der Weise“ beilegte. Unbestritten aber führt Christus, der als der Sohn Gottes bezeichnet wird, den erhabensten Beinamen.

Die biblischen Beinamen sind indeß nicht immer solcher[S. 58] Natur, daß die betreffende Person dadurch geehrt wird. Wir denken dabei an Herodes, welcher der Grausame benannt worden ist. Auch an Judas, der den Namen „Verräther“ führt, müssen wir uns hierbei erinnern. Ebenso ist Thomas, den man als den Ungläubigen bezeichnet hat, hierher zu rechnen. Nicht minder gehört Antiochus, den man zu den Tyrannen zählt, in diese Klasse.

Wiederholung.

(Alle Arten Beifügungen.)

74. Der sterbende Löwe.

Ein Löwe, der ein hohes Alter auf seinem Rücken trug, lag vor seiner Höhle. Die Mähne, die einst in üppiger Fülle seinen Leib schmückte, hing nur noch in dünnen Büscheln über die Schultern. Das Auge, das sonst feurig durch die Wüste spähte, stierte matt vor sich hin. Aus den früher so mächtigen Tatzen, die sich jetzt auf dem heißen Sande hinstreckten, war alle Kraft gewichen.

Das Mahl, das sich der Löwe gestern herbeigeholt hatte, war von ihm unberührt geblieben. Der gute Appetit, dessen er sich stets erfreute, schien gänzlich verschwunden. Auch an ihm behauptete das Naturgesetz, demzufolge selbst der Stärkste dem Tode verfällt, seine Rechte.

Der Wunsch, daß man den Beherrscher der Wüste gern noch einmal sehen möchte, führte eine Menge Thiere herzu. Darunter befanden sich freilich auch solche, welche die Schadenfreude herbeitrieb. Man sah sogar einige, die nun ihren Haß an dem hinfällig Gewordenen auslassen wollten.

Der Fuchs, der zu den ärgsten Feinden des Löwen gehörte, kränkte ihn mit allerlei beißenden Reden. Der Wolf, dem der Wüstenkönig einmal ein feistes Lamm abgejagt hatte, schimpfte den Sterbenden einen schändlichen Räuber. Ein Büffel, der seit[S. 59] Jahren in Furcht vor dem Löwen lebte, stieß ihn mit seinen Hörnern. Sogar ein träger Esel, der aus bloser Laune den König der Thiere nie leiden konnte, versetzte ihm noch einen Schlag mit seinen Hufen.

Da trat endlich ein Roß, dem der Löwe nur unlängst noch sein Junges zerrissen hatte, herzu. Es richtete sein Auge, dessen Ausdruck von Mitleid zeugte, schweigend auf den Sterbenden. Dieses edle Thier konnte die gemeine Gesinnung, derzufolge man sich an einem unschädlich gewordenen Feinde rächt, nur verabscheuen. Es hielt eine solche Handlungsweise, die nur aus Niederträchtigkeit hervorgehen kann, für die größte Schande.

Der Löwe, dem dieser Edelmuth nicht entging, warf dem Pferde einen dankbar gerührten Blick zu. Bald darauf aber machte der Tod, mit dem er schon geraume Zeit kämpfte, seinem Leben ein Ende.

75. Das Wasser.

(Desgleichen.)

Das Wasser, welches ein tropfbar-flüssiger Körper ist, bedeckt zu zwei Drittheilen die Erdoberfläche. Seine Farbe, die durch die darin aufgelösten Stoffe bedingt wird, tritt verschieden auf.

Fast himmelblau leuchten uns die Spiegel derjenigen Seen, welche sich zwischen den Alpen ausbreiten, entgegen. Im schillernden Dunkelgrün wälzt die Woge, die der Sturm auf dem Weltmeere vor sich her treibt, dem Ufer zu. Fast farblos dagegen erscheint der Strahl, der sich aus dem Röhrbrunnen ergießt.

Außerordentlich mannichfaltig sind die Formen, in denen uns das Wasser begegnet. Als Dunstbläschen, in welche es durch Wärme verwandelt worden ist, steigt es in die Luft. In Tropfen fällt es aus den Wolken, die langsam über unsern Häuptern dahinziehen, herab. Im Frühlinge überzieht es zuweilen die[S. 60] Flur mit Reif, der uns dann als eine Art Feenschleier erscheint. Auch in Gestalt von Graupeln, die in den höhern Luftschichten gebildet werden, bekommen wir es nicht selten zu sehen.

Grausig klingt bei mächtigem Gewitter das Herniederdonnern der Schloßen, die durch ihren Niederschlag oft große Verheerungen anrichten. Alle Eisdecken, welche im Winter die Gewässer tragen, sind Gebilde aus Wasser. Und wem wäre nicht die Entstehung des Schnees, der das Schlummergewand der Erde bildet, bekannt?

Unendlich groß ist der Segen, den das Wasser gewährt. Es erhält alles Leben, das die weite Erde trägt. Selbst das kleinste Pflänzchen, das auf dem dürrsten Sandboden gedeiht, kann ohne Wasser nicht fortbestehen.

Das Wasser trägt auf seinem Rücken Lasten, deren Gewicht Staunen erregen muß. Es setzt gewaltige Räder, durch welche wieder große Maschinen in Thätigkeit gebracht werden, in Bewegung. Durch die Eigenschaft, vermöge deren es sich durch Hitze in Dämpfe verwandelt, wird es für die riesigsten Fahrzeuge zum treibenden Elemente.

Freilich kann auch das Wasser, wenn es zur Flut wird, unsagliches Unheil anrichten. Wer zählt die unglücklichen Opfer, die schon das sturmdurchtobte Meer verschlungen?

2. Abgekürzte Beifügesätze.

76. Bete und arbeite.

Wendler, ein schlesischer Leineweber, hatte vom Leben sehr verkehrte Ansichten. Die Pflicht, sein Daheim zu erhalten, legte er lediglich in Gottes Hand. Die Annahme, Gott erhöre jedes Gebet, verleitete ihn zum Müßiggange. Der Gedanke, einen Tag verfaulenzt zu haben, störte ihn nicht.

Dagegen befriedigte ihn das Bewußtsein, heute wieder ein recht fleißiger Beter gewesen zu sein. Die Hoffnung aber, durch Gebet Alles erreichen zu können, ist eine Thorheit.

[S. 61]

Gott, unser wahres Wohl im Auge habend, fordert auch den Gebrauch unserer eigenen Kraft. Er, obgleich von unendlicher Güte, gibt nichts im Schlafe.

Wendler, einst gar nicht unbemittelt, versank mit der Zeit in Armuth. Der Arbeit, dieser Würze des Lebens, hatte er sich gänzlich entwöhnt. Und so wurde er, alle Mahnungen unbeachtet lassend, auch noch ein vollendeter Taugenichts. Endlich mußte Wendler, unter dem Namen Betbruder bekannt, sein Brod sogar vor den Thüren suchen.

Dein Bedürfniß, täglich mit Deinem Gott reden zu müssen, verdränge daher nie den Trieb zur Arbeit. Bei dem Triebe, durch rührige Thätigkeit Dein Auskommen zu sichern, vergiß aber auch nie das Gebet.

Wiederholung.

3. Vollständige und abgekürzte Beifügesätze.

77. Napoleon I.

Napoleon, der Große genannt, war seiner Zeit der Gefürchtete von ganz Europa. Sein Eroberungsgelüste, welches keine Grenzen kannte, erfüllte manchen andern Herrscher mit Zittern. Seine Siege, für ihn selbst freilich oft recht opferschwer, wurden in den deutschen Staaten mit Entsetzen vernommen.

Ein Fürst nach dem andern mußte sich unter sein Scepter, das einer blutigen Geißel glich, beugen. Ein Land nach dem andern fiel seinem Kriegsglücke, das allerdings durch sein großes Feldherrntalent bedingt wurde, zum Opfer.

Somit schien er sein Ziel, Weltherrscher zu werden, wirklich erreichen zu sollen. Der König aller Könige aber, der allmächtige Weltenlenker, gebot endlich den stolzen Wellen. Der Stern, der zeither über dem Haupte des großen Kaisers glänzte, verdüsterte sich.

[S. 62]

In der deutschen Nation, durch die Noth geeinigt, zog sich ein schweres Gewitter über ihm zusammen. Seine Macht, die jetzt in höchster Blüthe stand, wurde gebrochen. Auf Leipzigs Ebenen, den ewig denkwürdigen, erlitt er eine seiner furchtbarsten Niederlagen. Eine kleine Insel, welche mitten im Meere liegt, wurde dem Ueberwundenen von seinen Siegern zum Asyl angewiesen. Auf St. Helena beschloß endlich Napoleon, der gefangene Kaiser, sein sturmbewegtes Leben.

Hauptwiederholung.

4. Subjectiv-, Prädikat- und Beifügesätze.

78. Die Sklaven.

Daß es noch immer Sklaven gibt, ist eine beklagenswerthe Thatsache. Auch der Neger ist, was wir sind. Er gehört zu den Menschen, den Ebenbildern Gottes.

Furchtbar schrecklich ist das Loos, das den armen Sklaven beschieden ist. Was des Menschen höchstes Glück ausmacht, ist ihnen für das ganze Leben genommen. Die Freiheit, die goldene, kennen sie nicht. Unter einer Arbeitslast, die oft ihre Kräfte übersteigt, müssen sie ihre Tage verbringen. Die Pflicht, derzufolge sie sich dem Willen ihres Herrn bedingungslos zu unterwerfen haben, wird ihnen meist mit der Knute gelehrt.

Die allerscheußlichsten Scenen, die ein Menschenauge nur sehen kann, bietet ein Sklavenmarkt. Da stehen die armen Schwarzen, mit teuflischer List eingefangen, gleich Opferthieren. Was in ihrem Innern vorgeht, prägt sich in ihren Mienen aus. Ihren Ohren kann nicht entgehen, wie um sie gefeilscht wird.

Ihre allergrößte Besorgniß ist, daß sie von ihren Angehörigen getrennt werden könnten. Auch das Herz, das der Allvater in die Negermutter gelegt, umfängt ja ihr Kind mit zärtlicher Liebe. Auch das Negerkind, obgleich in der Wildniß aufgewachsen, erkennt seine Eltern als die besten Freunde.

[S. 63]

Dank sei denjenigen Staaten, welche innerhalb ihrer Grenzen das Unwesen der Sklaverei abgeschafft haben. Ob dies noch in diesem Jahrhunderte allenthalben geschehen wird, ist sehr die Frage. O laßt doch die armen Sklaven wieder werden, was sie einst waren! Erhebt sie wieder zu freien Menschen, die gleiche Rechte mit uns allen haben.

IV. Ergänzungssätze.

1. Vollständige Ergänzungssätze.

79. Saat und Ernte.

(Im 4. Falle.)

Was der Mensch säet, das wird er ernten. Möchte ein Jeder beachten, daß in diesem Satze ein sehr ernster Fingerzeig für das Leben liegt.

Jeder vernünftige Mensch muß darum stets reiflich erwägen, was er thut. Er muß jederzeit bedenken, wie sich die Folgen seiner Handlungen gestalten können. Er muß mit Ruhe überlegen, wohin seine Schritte möglicherweise führen.

Der ist kein Weiser, den das Alles nicht kümmert. Diejenigen sind darum auch nicht zu bedauern, die jenen Fingerzeig nicht beachten.

Der Müßiggänger muß wissen, wohin die Faulheit endlich bringt. Der Verschwender muß einsehen, daß durch unsinnige Ausgaben auch der größte Reichthum vernichtet werden kann. Dem Schwelger muß die Erfahrung gelehrt haben, daß durch ein wüstes Leben die leibliche Gesundheit untergraben wird. Der Spieler darf sich nie verhehlen, daß die Spielwuth die Brücke zu vielen andern Lastern ist.

Von den toll in den Tag Hineinlebenden weiß man nie, wo die Fahrt zu Ende geht. Wie Mancher hat es schon am Ende[S. 64] seiner Tage bitter bereut, bösen Samen auf seine Lebensbahn gestreut zu haben.

Bedenke darum in frühester Jugend schon, was Dir einmal frommen kann. Träume Dir nie, Du seist vor all jenen Thorheiten sicher. Was Dich in Versuchungsstunden schützen kann, findest Du in der Religion.

Vergiß nie, was Du in diesem Artikel gelesen hast.

80. Die kranke Freundin.

(Desgleichen.)

Johanna erfuhr eines Tages, daß ihre Freundin krank sei. Sie vernahm auch, worin die Krankheit bestand. Daß der Zustand der Freundin keineswegs ungefährlich erscheine, hatte ihr deren Arzt gesagt.

Da überlegte denn nun Johanna, womit sie der Kranken eine Freude bereiten könne. Das freilich konnte sie der am Magen Leidenden nicht anbieten, was diese in gesunden Tagen gern aß.

Endlich fiel ihr ein, daß die Freundin die Feldblumen sehr liebe. Johanna wußte, wo die schönsten zu suchen seien. Sie fand daher sehr bald, was sie suchte. Das gute Mädchen verstand es ausgezeichnet, aus diesen einfachen Kindern der Flur einen reizenden Strauß zu binden.

Die Kranke errieth sogleich, woher die sinnige Gabe komme. Die Freude über dieselbe bewirkte, daß sich jene auf einige Zeit wohler fühlte.

Einige Tage später erfuhr Johanna, daß ihre Freundin auf dem Wege der Genesung sei. Wieder einige Tage darauf schrieb diese ihr sogar eigenhändig, daß sie nächsten Sonntag wieder ausgehen werde. Zugleich versprach sie, daß ihr erster Besuch Johanna gelten solle.

[S. 65]

81. Lebensregeln.

(Im 3. Falle.)

Wer sich Dir anvertraut, dem leihe Dein Ohr. Wen Du dagegen nicht kennst, dem vertraue kein Geheimniß. Wer einer Gabe bedürftig ist, dem verschließe Deine Hand nicht. Der Dir dafür nicht dankt, dem gib noch einmal.

Wer Dich haßt, dem reiche kein Messer. Dem aber weiche nicht aus, der Dir die Hand zur Versöhnung bieten will. Danke dem, der Dich grüßt. Der Dich indeß nicht grüßt, dem zürne nicht.

Wer seine Ehre lieb hat, dem muß auch der böse Schein verhaßt sein. Wer aber von der Welt falsch beurtheilt wird, dem muß sein unbeflecktes Gewissen zum Troste dienen.

82. Mütterliche Lehren.

(Desgleichen.)

Mutter Regine mußte heute dem die Hand zum Abschiede reichen, der bisher ihr Liebling gewesen war. Wer ihre Liebe zu ihrem ältesten Sohn kannte, dem sind ihre heißen Thränen gewiß erklärlich vorgekommen. Wer auf die Wanderschaft geht, dem kann ja Mancherlei zustoßen.

Regine befahl in dieser Trennungsstunde den noch unerfahrenen Sohn dem, der jedes Menschen Geschick mit Weisheit lenkt. Darauf legte sie dem Scheidenden noch Folgendes ans Herz: „Wandere allezeit mit dem im Herzen, der auch im finstern Thale unser Stab ist. Wer das Gottvertrauen nicht fahren läßt, dem ist des Himmels Beistand immer nahe.

Traue dagegen nicht Jedem, der sich Dir als Freund anbietet. Der Weise mißtraut dem am meisten, der ihm am meisten schmeichelt. Gib jederzeit Ehre, dem Ehre gebührt. Wer Dich vor einer Thorheit warnt, dem küsse die Hand. Vergib dem, der Dich einmal beleidigen sollte.

[S. 66]

Der Dich zum Zorne reizt, dem gehe aus dem Wege. Wem Du in irgend einer Weise helfen kannst, dem versage Deine Dienste nie. Wer Dir selbst dient, dem bleibe den Dank nicht schuldig.

Entfliehe denen, die verbotene Wege gehen wollen. Wer sich unter die Wölfe begibt, dem ist bald das Heulen gelehrt. Wem das Diebeshandwerk gefällt, dem kann ein Strick zum Halsband werden. Wer dagegen immer auf Gottes Wegen wandelt, dem wird es allezeit wohlgehen.“

83. Kindespflicht.

(Im 2. Falle.)

Der alte Vater Erasmus bedurfte, daß ihn eine liebende Hand pflegte. Zudem war er es auch würdig, daß ihm von seinen Kindern dieser Liebesdienst erwiesen werde. Niemand vermochte ihn zu beschuldigen, daß er gegen dieselben je eine Pflicht versäumt habe.

Trotz alledem aber wurde sein ältester Sohn dessen überführt, daß er den guten Alten ungebührlich behandelt habe. Der Undankbare versicherte dessenungeachtet ganz trotzig, daß er unschuldig sei.

Eines Tages ließ ihn der Geistliche des Ortes zu sich kommen und ermahnte ihn mit folgenden Worten: „Erinnere Dich dessen, der einst als der beste Sohn auf der Erde wandelte. Sei doch eingedenk alles dessen, was Dein Vater an Dir gethan hat. Werde Dir überhaupt bewußt, wie treulich Dich Deine Eltern einst gepflegt haben. Vergiß es nie, was sie für unzählige Opfer um Deinetwillen brachten.

Befleißige Dich daher, daß Du Deinem Vater all seine Liebe vergeltest. Freue Dich, daß Du ihn überhaupt noch besitzest. Zudem bedenke, daß auch Du einmal älter wirst.“

Diese Rede ging dem Sohne zu Herzen. Er klagte sich jetzt[S. 67] selbst an, daß er der Pflichten gegen seinen Vater vergessen habe. Er zieh sich selbst, daß er bisher ein höchst undankbares Kind gewesen sei. Und von dieser Stunde an blieb er eingedenk dessen, was das vierte Gebot von jedem Kinde fordert.

84. Ein edler Fürst.

(Der Ergänzungssatz umschreibt ein Hauptwort mit Verhältnißwort.)

Ein edler Fürst lebt nur dafür, daß es seinem Volke wohlgehe. Er trachtet zunächst darnach, daß die Landesgesetze immer vollkommener werden. Er hält aber auch darauf, daß man sie allenthalben erfülle. Er forscht, worin ein Nothstand seine Ursache haben könne. Darauf trachtet er, daß die Quelle des Uebels verstopft werde.

Ein edler Fürst kümmert sich, daß ein Jeder vor dem Gesetze gleiche Rechte habe. Er erkundigt sich angelegentlich, wie der Stand der Volksbildung sei. Er freut sich, wenn die Schulen immer größere Fortschritte erzielen. Er verwendet sich auch dafür, daß die Kunst zu immer größerer Blüthe gelange.

Ein edler Fürst sorgt getreulich für die, welche im Dienste des Vaterlandes zu Schaden gekommen sind. Er übt Gnade an denjenigen, die in Verblendung am Gesetze sündigten.

Er glaubt, daß über ihn noch ein Höherer waltet. Diesen König aller Könige aber bittet er, daß er ihm Weisheit schenke.

85. Der alte Räuberhauptmann.

(Der Ergänzungssatz umschreibt eine Zeitwort in abhängiger Form.)

Ein alter Räuberhauptmann fürchtete, daß er sein Leben noch auf dem Schaffote enden werde. Er wünschte daher, daß er bald sterben möge. Er verlangte sogar, daß man ihm Gift beibringe.

Seine Leute verneinten indeß, daß sie ihm in diesem Falle gehorchen müßten. Der alte Sünder hoffte nun von Tag zu Tag, daß er erkranken möchte.

[S. 68]

Eines Abends glaubte er auch wirklich, daß sein Körper fiebere. Er bildete sich sogar ein, daß er bereits phantasire. Er wähnte, daß er merklich ermatte. Aber er begehrte nicht, daß man ihm etwas Stärkendes zu trinken gebe. Er vermied sogar mit allem Ernste, daß er in einen Schlaf verfalle. Die Krankheit war indeß nicht zum Tode. Seine Natur nöthigte ihn, daß er genesen mußte. Der Himmel zwang ihn, daß er noch am Leben bleibe.

86. An der Indianergrenze.

(Der Ergänzungssatz in unbestimmter Redeweise.)

Ein Farmer erfuhr, daß ein Haufen räuberischer Indianer im Anzuge sei. Sein Nachbar versicherte, daß er schon einige in der Nähe gesehen habe. Ein Kuhhirte wollte sogar wissen, daß die Räuber gegen fünfzig Mann stark wären. Ein zufällig dazukommender Reisender behauptete wieder, daß es die Indianer auf eine ganz andere Gegend abgesehen hätten.

Man einigte sich indeß, daß man in jedem Falle Vertheidigungsmaßregeln ergreifen müsse. Es wurde daher beschlossen, daß sich jeder Anwohner bewaffne. Zu gleicher Zeit aber wurde auch befohlen, daß keiner unnöthiger Weise von der Waffe Gebrauch machen solle. Ebenso wurde angeordnet, daß Niemand vorläufig seine Behausung verlassen dürfe. Namentlich empfahl der Fremde, daß ein Angriff erst abgewartet werde.

Zum Glück konnte bald darauf ein Abgesandter berichten, daß der Indianerschwarm jedenfalls vorüberziehe. Er wollte sich überzeugt haben, daß die Horde auf das nächste kleine Städtchen zusteuere. Man glaubte indeß, daß man trotzdem immer noch auf der Hut sein müsse.

Erst den nächsten Morgen nahm man an, daß nun alle Gefahren vorüber seien. Der Farmer gebot, daß Jeder seine Waffe wieder aus der Hand lege. Damit solle indeß nicht gesagt sein, daß die Räuberhorde nicht später wiederkehren könne.

[S. 69]

1. Abgekürzte Ergänzungssätze.

87. Der Tollkühne.

Joseph bildete sich ein, ein vorzüglicher Schwimmer zu sein. Er wünschte deshalb, einmal seine Bravour zeigen zu können.

Eines Tages kündete er seinen Kameraden an, über den nahen, breiten Strom schwimmen zu wollen. Sie riethen ihm indeß, davon abzusehen. Sie beschlossen sogar, seinem Wagestücke gar nicht zuzusehen.

Joseph aber blieb dabei, seine Kraftprobe auszuführen. Er versicherte, keine Furcht zu kennen. Er bat deshalb die Kameraden, ihn zu begleiten.

Diese kamen endlich überein, ihm zum Flusse zu folgen. Der Tollkühne berechnete nicht, dem reißenden Strome nicht gewachsen zu sein. Das Schicksal verurtheilte ihn, seine Verwegenheit mit dem Leben zu büßen.

Wiederholung.

(Verschiedene Arten der Ergänzungssätze.)

88. Der feuerspeiende Berg.

Des Försters zehnjähriger Wilibald wußte recht gut, daß das Pulver ein gefährliches Ding ist. Sein Vater hatte ihm wiederholt gesagt, was für großes Unglück schon durch unvorsichtigen Umgang mit diesem Schießmaterial herbeigeführt worden sei.

Wilibald aber folgte dem nicht, der ihn schon oft gewarnt hatte. Er blieb dessen nicht eingedenk, was ihm sein Vater sagte.

Einmal nahm er sich vor, einen Sandhaufen in einen feuerspeienden Berg zu verwandeln. Er vermeinte, daß dies mit Schießpulver leicht ausführbar sei.

Wilibald war dessen gewiß, daß sein Vater heute erst spät heimkehren werde. Er hoffte deshalb, sein Werk ganz ungestört vollbringen zu können.

[S. 70]

Das Unglück wollte, daß der Förster gerade an diesem Tage sein Pulverhorn hatte an der Wand hängen lassen. Wer die Sorgsamkeit des Försters kannte, mußte diese Unvorsichtigkeit fast unerklärlich finden. Man konnte aber auch wieder dem eine solche einmalige Vergeßlichkeit verzeihen, dem es im Kopfe oft vor Amtssorgen schwirrte.

Wilibald erinnerte sich, das Pulverhorn gesehen zu haben. Er fand daher sehr bald, was er suchte.

Den Sandhaufen hatte er bereits mit einer röhrenartigen Oeffnung versehen. Dahinein schüttete er, was sich im Pulverhorne vorfand. Schon freute er sich darauf, wie der Berg Feuer speien werde. Er erwartete, daß die Feuergarbe einen Meter hoch steigen würde.

Der kleine Vesuv bedurfte jetzt nur noch, daß ein Stück brennender Schwamm darauf gelegt werde. Bald hatte Wilibald beschafft, was eben noch fehlte. Ungeduldig sah er dem entgegen, was nun eintreten sollte. Er harrte indeß vergebens, daß das Schauspiel seinen Anfang nehme.

Endlich hielt er es für angezeigt, einmal nachzusehen. Er glaubte sich versichern zu müssen, daß der Schwamm verlöscht sei.

Wer aber unvorsichtig ist, dem kann gar Schlimmes begegnen. Wilibald bemühte sich, sich genau von der Ursache des Nichtentzündens zu überzeugen. In diesem Augenblicke aber erfolgte, was erfolgen sollte.

Das Schicksal fügte es leider, daß ihm die Pulverflamme gerade in die Augen schlug. Er verlor auf der Stelle sein Augenlicht.

Wem nicht zu rathen ist, dem ist freilich auch nicht zu helfen.

[S. 71]

Hauptwiederholung.

(Subjectiv-, Prädikat-, Beifüge- und Ergänzungssätze.)

89. Das Reisen.

Wem Gott will eine Gunst erweisen, der wird von ihm in die weite Welt geschickt.

Das Reisen gewährt zunächst eins der größten Vergnügen, die für Geld zu haben sind. Es verleiht Vielen eine Bildung, die selbst das Studium der gelehrtesten Bücher nicht geben kann. So Mancher ist durch vieles Reisen erst geworden, was er werden sollte.

In der weiten Welt lernt der Mensch erst kennen, was für Wunder der Herr geschaffen hat. In der Fremde überzeugen ihn tausend Dinge, daß auch der Mensch in seinen Thaten groß sein kann.

Wer reist, muß freilich seine Augen hübsch offen behalten. Wer Gewinn vom Reisen haben will, muß auch die Ohren fein spitzen. Er muß sich befleißigen, mit Verstand zu reisen. Ein Wandern, dem kein bestimmter Plan zu Grunde liegt, hat wenig Zweck.

Auch die Kunst, mit rechtem Nutzen zu reisen, will freilich erst erlernt sein. Die ersten Ausflüge in die Welt kosten deshalb, was man Lehrgeld zu nennen pflegt. Man muß lernen, sich den gegebenen Verhältnissen zu fügen. Man muß auszurechnen verstehen, wie man überall am billigsten wegkommen kann. Man darf aber auch wieder gewisse Opfer, ohne welche zu besondern Sehenswürdigkeiten kein Zutritt gewährt wird, nicht scheuen.

Außerordentlich mannichfaltig sind die Verkehrsmittel, welche das Reisen ungemein erleichtern. Wer will, der kann jetzt binnen wenig Tagen in weit entlegene Länder versetzt werden. Es bedarf nur, daß er den Dampfwagen besteigt.

[S. 72]

Das Verlangen, die weite Welt zu sehen, verallgemeint sich von Jahr zu Jahr. Wahrhaft erfreulich ist es, auf den Bahnhöfen täglich die große Menge Reisender zu sehen.

Trotzdem aber gibt es noch Leute genug, die lieber in behaglicher Ruhe auf ihrer Ofenbank sitzen bleiben. Sie ziehen den Glanz der blitzenden Thaler im Geldkasten, ihrem Abgotte, dem Anblicke der reizendsten Alpenlandschaft vor. Manche wieder sind geradezu zu faul dazu, ihren Gesichtskreis durch Aufsuchen von noch nie Gesehenem zu erweitern. Sie wollen lieber bleiben, wie sie sind. Wir aber sagen, daß dies eine Schande für sie ist.

Reise also, wer reisen kann. Das Reisen ist eine Lust, die kaum durch eine andere zu ersetzen ist.

V. Anführungssätze.

1. Wörtlich.

90. Die Bibel der Natur.

(Der Hauptsatz voran.)

Gleich der heiligen Schrift ruft uns auch die Natur zu: „Merke auf meine Rede!“ Der zuckende Blitz verkündet uns: „Alles Leben stehet in Gottes Hand!“ Die Lilie des Feldes tröstet: „Gott sorgt auch für dich!“

Das welkende Blatt legt uns die Worte an’s Herz: „Alles Irdische vergeht!“ Ernst murmelt uns das Bächlein entgegen: „Mein unaufhaltsames Dahinrollen ist ein Bild von Deiner Lebenstage Lauf.“

Das Würmchen im Staube spricht: „Groß sind die Werke des Herrn!“ Die Lerche in blauer Höhe jubelt: „Preise mit mir die Güte des Schöpfers!“ Der der Puppe sich entwindende Falter versichert uns: „Auch Du wirst auferstehen!“ Der majestätische[S. 73] Sternenhimmel predigt uns: „Hier sind noch viele Wohnungen!“

91. Beim Brande.

(Der Haupts. zuletzt.)

„Feuer!“ erscholl es mitten in der Nacht. „Eilt zu retten!“ mahnte die Feuerglocke.

„Wo brennt es?“ rief ich zum Fenster hinaus.

„Das Pfarrhaus muß in hellen Flammen stehen“, antwortete mir eine Stimme.

„Es kann auch die Schule sein!“ sagte eine andere.

„Keins von beiden“, versichert der zufällig vorübereilende Nachtwächter.

„Ich muß zu Hilfe eilen“, sagte ich zu den Meinigen.

„Das Erbgericht brennt!“ rief mir beim Austritt aus meinem Hause ein Vorübergehender zu.

„Dieser hat Recht!“ dachte ich beim Anblicke der auflodernden Flammen für mich.

Ich eilte dem Brande zu. Die Feuerwehr war bereits in voller Thätigkeit. Aber welch ein Lärm!

„Zuerst das Vieh retten!“ schrie der Eine.

„Drei Mann aufs Dach des Nachbarhauses!“ befahl ein Anderer.

„Eine Leiter hierher!“ kreischte eine heisere Stimme.

„Richtet den Spritzenstrahl mehr nach der Giebelmauer!“ commandirte der Feuerlöschdirector.

„Mehr Wasser herbeischaffen!“ riefen die Spritzenleute.

Das Hauptgebäude des Erbgerichts brannte nieder.

„Die Verhütung größeren Unglücks ist hauptsächlich der Windstille zu verdanken“, hörte man allgemein aussprechen.

[S. 74]

92. Zwiespalt.

(Der Hauptsatz in der Mitte.)

„Womit“, fragte Kunz seine Kameraden auf dem Spielplatze, „werden wir uns denn heute die Zeit vertreiben?“

„Laßt uns“, sagte Hilmar, „Ball werfen.“

„Ball“, fiel Lambert schnell ein, „spiele ich nicht mit!“

„Nun, so wollen wir“, versetzte Hilmar wieder, „den Drachen steigen lassen.“

„Zum Drachensteigenlassen“, bemerkte Ewald, „habe ich wieder keine Lust.“

„Vielleicht“, schlug Hilmar aufs neue vor, „holen wir dann heute einmal alle unsere Reifen herbei?“

„Das Reifenspiel“, fiel Feodor spöttisch ein, „ist ja hauptsächlich eine Beschäftigung für Mädchen!“

„So laßt uns“, nahm hier Kunz wieder das Wort, „Soldaten spielen!“

„Das“, entgegnete Lambert, „wäre mein allerletzter Zeitvertreib!“

„Auf diese Weise“, sagte jetzt Günther, „kommen wir freilich heute zu keinem Zeitvertreibe. Lieber“, fügte er noch hinzu, „mag da jeder für sich spielen!“

Und so wurde es auch zuletzt.

Wiederholung.

(Alle drei Fälle abwechselnd.)

93. Die Weidenraupe.

„Wo kommst Du her?“ fragte Alban den ihm begegnenden Alexander.

„Ich komme“, gab dieser zum Bescheid, „von der Raupenjagd.“

„Und wie steht es mit der Ausbeute?“ fragte Alban weiter.

[S. 75]

Darauf erwiderte der Gefragte mit einem gewissen Stolze: „Einen sehr interessanten Fund habe ich gemacht!“

„Wie so?“ versetzte Alban neugierig.

„Ich habe“, sagte Alexander hocherfreut, „eine Weidenraupe gefunden.“

„O Du Glücklicher!“ rief Alban fast etwas neidisch. Gleich darauf aber fügte er hinzu: „Wo wirst Du denn diese Raupe sich verpuppen lassen?“

„Die Weidenraupe“, belehrte jener, „muß man in ein Glas mit Sägespänen aus Weidenholz setzen!“

„Wozu das?“ fragte Alban.

Darauf erwiderte Alexander: „Weil diese Raupe meist vom Weidenholze lebt! Zu dem“, setzte er noch hinzu, „verpuppt sie sich auch stets in Holzspänen.“

„Wie lange liegt sie denn als Puppe?“ fragte Alban wieder.

Mit etwas verwunderter Miene erwiderte Alexander: „Weißt Du denn das nicht selbst aus der Naturgeschichte?“

„Das habe ich wirklich wieder vergessen“, war die Antwort.

„Sie braucht“, fuhr Alexander fort, „volle drei Jahre zu ihrer Entwickelung zum Falter.“

„Entsetzlich lange“, staunte Alban. „Den Schmetterling aber“, bat er, „laß mich dann ja gleich sehen!“

„Das soll geschehen“, versicherte Alexander.

2. Nicht wörtlich.

94. Das Wetter.

(Der Hauptsatz zuletzt.)

Eines Tages trafen sich vier Bauern auf dem Felde. Mit dem Wetter könne man dies Frühjahr doch eigentlich gar nicht zufrieden sein, äußerte Melchior.

Das sei auch seine Ansicht, sagte Samuel. — Er müsse für seine sandigen Fluren etwas mehr Regen wünschen, setzte[S. 76] Wenzel hinzu. — Ihm wären einige Tage Sonnenschein jetzt lieb, meinte Weinrich.

Die Wärme lasse diesmal außerordentlich lange auf sich warten, bemerkte Melchior wieder. — Für seine Saaten aber komme das kühle Wetter gerade recht gelegen, hielt Samuel entgegen.

Ihm sei ein Gedanke beigekommen, bemerkte jetzt Wenzel.

Wenzel möge reden, meinten alle.

Der liebe Gott werde es wol nie allen recht machen können, lautete Wenzel’s Gedanke.

95. Am Krankenbette.

(Der Hauptsatz voran.)

Zwei Aerzte wurden an das Krankenbette eines Kindes gerufen.

Der jüngere Arzt meinte, die argen Kopfschmerzen des Kindes könnten von schlechter Verdauung herrühren. Dem hielt die Mutter des Kindes entgegen, von einem Magenübel ihrer Marie habe sie noch nie auch nur die leiseste Spur entdeckt.

Der ältere Arzt war der Ansicht, es läge hier eine Erkältung zu Grunde. Dazu bemerkte der Vater, das Kind sei seit länger als acht Tagen nicht aus der Stube gekommen.

Beide Aerzte einigten endlich ihre Ansichten dahin, der Kopfschmerz habe seine Ursache in einem bedeutenden Blutandrange nach dem Gehirn. Der junge Arzt schlug nun vor, die Patientin solle in naßkalte Tücher eingepackt werden. Der ältere dagegen äußerte, hier sei ein niederschlagendes Pülverchen ganz am Platze.

Um des lieben Friedens willen beschlossen endlich die zwei Herren, man wolle von beiden Mitteln Gebrauch machen.

96. Der Fund.

(Der Hauptsatz in der Mitte.)

Ein armer Dienstmann fand auf der Straße einen Brillantring. Endlich, murmelte er für sich, habe er doch einmal Glück gehabt.[S. 77] Der Ring, meinte er, sei wenigstens seine zwanzig Thaler werth. Der Verkauf desselben, dachte er weiter, könne keine großen Schwierigkeiten bieten. Er brauche ja nur damit, überlegte er kurz, zum nächsten Goldarbeiter zu gehen.

Da aber mischte sich sein Gewissen darein. Ein unehrlicher Finder, hielt es ihm vor, sei einem Diebe gleich zu achten. Einen Dieb aber, setzte es hinzu, nenne die Bibel ein schändlich Ding. Unrecht Gut, warnte es weiter, habe noch niemals Segen gebracht. Und der Allwissende, mahnte es noch, wisse dergleichen Schlechtigkeiten ans Licht zu bringen.

Dieser innern Warnung, äußerte der Dienstmann nach einiger Erwägung ganz laut, wolle er aber auch folgen. Somit ging er auf die Polizei und meldete den Fund an.

Wiederholung.

(Alle drei Fälle.)

97. Ochs und Esel.

Ein Ochse und ein Esel stritten sich um den Ruhm der größten Klugheit.

Der Ochse meinte, er sei unter allen Umständen der Klügste. Ihm sei die Weisheit gleich angeboren, behauptete der Esel. Schon seine breite Stirn, brummte der Ochs, müsse doch seine Gelehrsamkeit beweisen. Der Esel behauptete dagegen, er würde jedenfalls seiner Zeit das Pulver auch erfunden haben. Gerade diese Eingebildetheit müsse er für einen Beweis großer Dummheit erklären, höhnte der Hornträger.

Diesen unangenehmen Streit, meinten endlich beide, werde der Löwe am besten entscheiden.

Sie gingen zu ihm.

Der Löwe eröffnete ihnen nach kurzer Ueberlegung, sie gehörten beide zu den Narren. Keiner habe in der Dummheit[S. 78] etwas vor dem andern voraus, versicherte er. Das hätten sie, fügte er hinzu, gerade durch ihren Streit bewiesen.

Ochs und Esel wurden auch wirklich jetzt der Meinung, der Löwe habe Recht.

98. Das Gespenst.

(Wörtlich und nicht wörtlich.)

„Hörst Du das Poltern?“ sagte der abergläubische Johann um die Mitternachtsstunde zu seinem Bruder Gottlieb.

„Freilich“, erwiderte dieser, „höre ich es.“

Ob dies nicht gar ein Gespenst sein könne, meinte Johann.

Ihm wolle es, flüsterte Gottlieb, auch ganz so scheinen.

Gleich darauf rief Johann dem neben ihm schlafenden Großknechte zu: „Es sind Gespenster im Hause!“

Im Erwachen äußerte Töffel, er habe das bereits auch verspürt.

„Leuchte nur einmal mit einer Laterne auf den Oberboden“, gebot Gottlieb dem Großknechte.

Da muthe man ihm freilich viel zu, entgegnete dieser.

Johann aber tröstete ihn mit den Worten: „Vor Deinen Fäusten werden schon die Gespenster Respekt haben.“

Töffel stand auf und ging. Bald kehrte er zurück. Fast wie aus einem Munde fragten beide Brüder, was es denn gewesen sei?

Wie man doch aber auch, murmelte der Großknecht verdrossen, gleich eine Mücke für einen Elephanten ansehen könne.

„Aber“, fiel Gottlieb schnell ein, „so gib uns doch nur Bescheid!“

„Das ganze Gespenst war unsere alte Hausmietze“, berichtete jetzt Töffel.

„Wie so denn?“ fragte Johann.

„Sie stak mit dem Kopfe in einem Topfe und konnte nicht wieder heraus“, war die Antwort.

[S. 79]

Hauptwiederholung.

(Subjectiv-, Prädikat-, Beifügungs-, Ergänzungs- und Anführungssätze.)

99. Ehre das Alter.

Der alte Römhild, ein achtzigjähriger Greis, saß eines Tages vor der Thür seiner Hütte. Wer ihn kannte, hielt ihn hoch in Ehren.

Ueber seinem Haupte, das die Silberkrone des Alters schmückte, war mancher Sturm hinweggezogen. Er war sich aber bewußt, daß ihn keiner vom Wege der Glaubenstreue abgebracht habe. Er durfte sich sagen, stets rechtschaffen gehandelt zu haben.

Daß er ein höchst ehrwürdiger Greis sei, war in der ganzen Umgegend bekannt. „Vor Vater Römhild,“ hörte man oft sagen, „sollte Jeder die Mütze abnehmen.“

Nicht so dachten zwei gottlose Knaben, deren Vater Frohnvogt im Orte war. Sie spotteten, daß der alte Römhild gar so gebückt dort saß. Sie wollten sich todtlachen, daß die zitternden Hände des Greises kaum das thönerne Tabackspfeifchen zu halten vermochten.

Was die beiden Buben thaten, schmerzte den Alten tief. Sein Grundsatz aber, demzufolge er auch alles Unrecht geduldig ertragen wollte, ließ in seinem Herzen keinen Groll aufkommen.

Ganz freundlich sprach er zu den Knaben: „Tretet doch einmal zu mir heran!“

Sie würden sich hüten, äußerte höhnisch der eine. Und der andere meinte, sie hätten nichts mit ihm zu schaffen.

Darauf nahm Vater Römhild, dem es um die Besserung der beiden Knaben zu thun war, zwei ganz neue Groschenstücke aus der Tasche. „Diese blitzenden Groschen sollt Ihr Euch bei mir holen“, sagte er.

[S. 80]

Dieses Angebot reizte die Knaben, den Schritt zu wagen. Sie traten also hinzu.

Vater Römhild faßte, ohne seine freundlichen Züge zu verändern, jeden Knaben bei der Hand. „Ihr habt meiner gespottet“, begann er darauf. „Damit“, setzte er hinzu, „habt Ihr mir sehr weh gethan.“

Bei diesen Worten, die seiner Brust mit einem tiefen Seufzer entstiegen, zitterte eine Thräne von seinen grauen Wimpern. Darauf fuhr er fort: „Werdet Ihr nicht selbst auch einmal alt werden?“ Und weiter fragte er: „Würde Euch denn in Euren alten Tagen der Spott der Jugend gefallen?“

In ähnlicher Weise redete der Alte, der dabei einen wahrhaft väterlichen Ton annahm, noch längere Zeit zu den Herzen der beiden Knaben.

Beide sahen jetzt ein, daß sie sich an dem Alten versündigt hatten. Beide gelobten auch endlich, daß sie sich ein solches Vergehen nie wieder wollten zu Schulden kommen lassen.

Daß ihnen dieses Versprechen wirklich aus dem Herzen kam, sah der Alte an ihren Mienen. Ob sie der Zusage für immer eingedenk sein würden, konnte Vater Römhild freilich nicht wissen. Zur Ehre gereicht ihnen aber noch, daß sie die neuen Groschen durchaus nicht nehmen wollten.

Hoffentlich blieben sie solcher Gesinnung, wie sie jetzt waren.

VI. Umstandssätze.

1. Umstandsnebensätze des Ortes.

100. Unschuldig Verfolgte.

Wo man die Sperlinge vertilgt, da züchtet man schädliche Insekten. Wo man die Maulwürfe erwürgt, da hegt man ein dem Graswuchse nachtheiliges Gewürm. Wo man den Eulen nachstellt, liebäugelt man mit den Feldmäusen.

[S. 81]

Dort steht es nicht gut mit der Oekonomie, wo jene drei Unschuldigen verfolgt werden. Ein solcher Unverstand kommt eben daher, woher aller Unverstand kommt. Und er führt dahin, wohin alle Unwissenheit führt. Er führt zu Nachtheilen.

Der Landbebauer möge daher sein Ohr dahin halten, wo die Ordnung der Natur gelehrt wird. Er möge da hineingucken, wo von den wirklichen Feinden der Landwirthschaft geschrieben steht. Gewiß wird er dann jene drei unschuldig Verfolgten dahin zählen, wohin sie gehören.

101. Reichthum.

(Desgleichen.)

Wo der Reichthum thront, da wohnt nicht immer auch das Glück. Das wahre Glück ist weit öfter dort zu finden, wo die Armuth um den Tisch sitzt.

Wo der Hausherr stolz zu Rosse dahinfegt, hinkt sehr oft die Sorge hinterdrein. Wo die Hausfrau dreimal täglich das Gewand wechseln kann, kann leicht auch dreimal die gute Laune wechseln.

Da, wo die Tafel die fetten Bissen kaum zu tragen vermag, stellen sich in der Regel viel ungeladene Gäste ein. Und dort hat man den Grünspan am meisten zu fürchten, wo sich viel Silber anhäuft.

Dahin, wohin der Reichthum zuweilen führt, möchte mancher Arme wol um keinen Preis gelangen. Wohin der Ueberfluß an Mammon den Weg erschwert, dahin deutet auch Christus in einer Unterredung mit seinen Jüngern.

Woher sich daher Mancher in dieser Beziehung ein beneidenswerthes Loos träumt, daher kann gerade sein Verderben kommen. Trachte doch ein Jeder zunächst dahin, woher ein zufriedener Sinn das Gemüth durchdringt.

[S. 82]

2. Umstandsnebensätze der Zeit.

a. Gleichzeitigkeit.

102. Peter der Große.

Eines Tages fuhr Peter der Große, als er zu Mittag gespeist, in seiner Schaluppe nach Sesterbank. Während seine Matrosen die Ruder schlugen, mußten sie zur Ergötzlichkeit des Kaisers ihre Lieder anstimmen. Dieses Concert unterhielten sie stets so lange, bis er winkte.

Indem die Schiffsleute noch sangen, erhob sich von Westen her etwas Wind. Kaum aber waren zehn Minuten vergangen, entwickelte sich aus diesem Winde ein arger Sturm.

Indeß sich des Kaisers Fahrzeug seinem Ziele nähert, bemerkt er in der Ferne einen mit den Wogen kämpfenden Kahn. Sowie Peter die große Gefahr für das kleine Fahrzeug erkennt, schickt er sofort seine Matrosen zur Rettung aus. Noch aber haben diese kaum die Schaluppe verlassen, entdeckt er mitten in der Flut eine Frau mit ihrem Kinde.

Schon drohen die Wogen die Unglückliche zu begraben, als Peter selbst zu ihrer Rettung in die schäumende Flut stürzt. Sobald es Menschenleben zu retten gilt, denkt er nicht an seine Kaiserwürde.

Indem ihn eine Welle hoch emporhebt, erfaßt er die Unglückliche. Mit starker Hand hält er sie fest, bis der Schiffsjunge die Schaluppe herbeigeführt hat.

Während seine ausgesendeten Matrosen jenen Kahn in Sicherheit bringen helfen, führt er die beiden Geretteten dem Ufer zu. Für diese aber war nun gesorgt, solange sie lebten.

103. Aus dem Tagebuche eines Kriegers.

(Desgleichen.)

Als die Sonne zu sinken begann, rückten wir in N. ein. Sobald die nöthigen Befehle für die nächste Nacht verlesen waren, ging das Bataillon auseinander.

[S. 83]

Kaum war ich zwei Minuten weit gegangen, stand ich vor meinem Quartier. Ich klopfte so lange an, bis sich mir die Thür des einfachen Dorfhauses öffnete.

Während ich mein Gepäck ablegte, brummten meine Wirthsleute einige unwillige Worte. Ihr Widerwille steigerte sich noch, als ich endlich zu essen begehrte.

Indeß endlich die Wirthin einige karge Lebensmittel herbeibrachte, trat ihr vierjähriges Töchterchen zu mir. Seitdem wir die französische Grenze überschritten hatten, war mir noch kein so hübsches Kind vorgekommen.

Ich nahm das Kind auf meinen Schooß und liebkoste es in der väterlichsten Weise. Sowie die Wirthin dies sah, veränderten sich auf einmal ihre zeither so mürrischen Gesichtszüge. Währenddem ich nun vollends dem lieben Kinde die Stirn küßte, verklärte sich ihr Gesicht in ein glückliches Lächeln.

Wie staunte ich indeß, als sie plötzlich das dürftige Abendbrod wieder entfernte. Indem ich aber noch über dieses seltsame Gebaren nachdachte, trat sie auch schon mit einem großen Teller höchst appetitlicher Speisen an den Tisch.

Schon wollte ich zulangen, als die Wirthin mir Einhalt gebot. Noch aber hatte ich meine Gabel kaum wieder hingelegt, brachte der Wirth eine Flasche köstlichen Wein herbei. Jetzt erst sollte ich mir es wohlschmecken lassen.

Die beiden Wirthsleute blieben meine freundlichen Nachbarn, solange ich aß. Als ich sie den nächsten Morgen verließ, erhielt ich von ihnen noch einen halben Schinken auf den weiten Marsch.

Seit ich dieses einfache Dorfhaus verließ, habe ich nie wieder ein so gutes Quartier gefunden.

[S. 84]

b. Ungleichzeitigkeit.

104. Gewissenhaftigkeit.

Bevor ein guter Schüler die Feder zu irgend einer schriftlichen Arbeit ansetzt, sammelt er in seinem Kopfe erst den Stoff dazu. Nachdem dies geschehen ist, ordnet er denselben. Ehe er aber dann die fertige Arbeit dem Lehrer übergiebt, sieht er sie noch einmal gewissenhaft durch.

So oft ein Schüler dies thut, so oft wird er mit seinem Schaffen auch Ehre einlegen.

So gewissenhaft sollte der Mensch überhaupt in allen seinen Unternehmungen sein. Er muß stets ein bestimmtes Ziel ins Auge fassen, bevor er handelt. Er muß auch stets die möglichen Folgen seiner Thaten erwägen, ehe er die Hand an irgend ein Werk legt.

Gar Viele sehen ihre Thorheiten erst dann ein, nachdem sie vollbracht sind. Halte daher weisen Rath, so oft Du etwas Neues unternehmen willst.

Wiederholung.

(Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit.)

105. Das Wüstenungeheuer.

Bevor wir die mühsame Wanderung durch die Wüste ganz beendet hatten, sollten wir noch deren schrecklichstes Ungeheuer kennen lernen. Als die Sonne ihre Strahlen gegen Mittag sengendheiß herabschoß, bemerkten wir an unsern Kameelen eine gewisse Unruhe. Kaum hatten wir wieder eine Meile hinter uns, fühlten wir selbst eine eigenthümliche Schwere in der Luft.

Während wir noch darüber sprachen, schien sich in der Ferne der Himmel zu verdunkeln. Noch waren wieder nicht zehn Minuten vergangen, vernahmen wir auch ein fernes Brausen. Wenn[S. 85] aber dieses Zeichen auftritt, dann kann sich der Wüstenreisende auf Schlimmes gefaßt machen.

In der Regel schickt der Samum erst einzelne leichte Sandwolken vor sich her, ehe er selbst in seiner ganzen Macht losbricht. Sowie die erste dieser Staubwellen auf uns zugewälzt kam, warfen sich sämmtliche Kameele im Nu platt auf die Erde nieder. Sobald dies geschehen, streckten auch wir uns lang neben ihnen hin. Indem wir uns aber auf diese Weise in Sicherheit zu bringen suchten, tobte auch schon das Ungeheuer in seiner wilden Macht daher.

Die ganze Welt schien verwüstet werden zu sollen, indeß der furchtbare Sturm über uns dahinwüthete. Die Gluthitze drohte uns zu ersticken, während der feine Sand unsere zarten Hautstellen wie mit Nadeln ritzte.

Solange der entsetzliche Samum wüthete, sahen wir uns in schauerliche Nacht gehüllt. Erst nachdem wir etwa zwei Stunden diese fürchterlichen Qualen erduldet, lichtete sich das grausige Dunkel allmälig.

Wie dankten wir Gott, da der erste Sonnenstrahl wieder durch die immer schwächer werdenden Sandwirbel drang. Noch immer rieselt mir es kalt durch die Adern, so oft ich jener Schreckensstunde gedenke.

(Umstandssätze des Ortes und der Zeit.)

106. Die Missionäre.

Die Heidenboten haben einen sehr schweren Beruf. Wohin sie gesendet werden, dahin ist in der Regel noch kein Wort vom Christenthume gedrungen. Wo sie ihre Arbeit beginnen sollen, da kniet das Volk noch vor todten Götzen.

Häufig erfahren sie das schnödeste Mißtrauen, sobald sie sich nur unter einem solchen wilden Stamme blicken lassen. Dieses Mißtrauen verwandelt sich nicht selten in Haß, wenn sie dann[S. 86] die ersten Bekehrungsversuche wagen. Sowie der Wilde seine angestammte Religion durch ihn gefährdet sieht, betrachtet er den Heidenboten gewöhnlich als einen ärgsten Feind. Gerade da aber, wo dieser den härtesten Widerstand findet, ist auch sein Werk am verdienstvollsten.

Es kostet oft große Anstrengung, ehe nur ein Einziger für den christlichen Glauben gewonnen wird. Noch viel größere Opfer aber erfordert es, bevor sich ein ganzer Stamm unter das Kreuz des Erlösers beugt.

Woher aber der Missionär die Neigung zu seinem so gefahrvollen Berufe erhält, daher erhält er auch die Kraft dazu. Indem er nur die geringste Frucht seiner Saat aufgehen sieht, wächst sein Muth. Die glücklichen Erfolge mehren sich indeß auch in der Regel auffällig, nachdem einmal erst eine Seele gerettet ist.

Möge das Licht des Christenthums überall aufgehen, wo jetzt noch Finsterniß herrscht. Möge es so lange Missionäre geben, solange es noch Heiden gibt. So oft uns Gelegenheit geboten ist, so oft wollen wir aber auch unsern Theil zu dem heiligen Werke der Heidenbekehrung beitragen.

3. Umstandsnebensätze der Art und Weise.

a) Unverkürzt.

aa) Ohne Vergleichung.

107. Roderich.

Indem der kleine Roderich mit seinen Eltern oft Concerte besuchte, entwickelte sich in ihm der Sinn für Musik. Ohne daß er es eigentlich wollte, prägten sich seinem Gedächtnisse einzelne schöne Melodien ein. Diese sang er dann wol auch, indem er vielleicht gerade ein Kartenhaus baute, vor sich hin.

Bald bat er seine Eltern so dringend um Musikunterricht,[S. 87] daß sie ihm nicht widerstehen konnten. Er machte glänzende Fortschritte, ohne daß er sich etwa besonders angestrengt hätte. Schon nach einem Jahre spielte er ziemlich schwere Klavierstücke so, daß man staunen mußte. So trug er z. B. eine ziemlich schwere Sonate von Mozart vor, ohne daß ihm auch nur ein falscher Ton entschlüpfte. Dabei bearbeitete er an gewissen Stellen das Instrument dermaßen, daß die Saiten hätten springen mögen.

Indem er Klavier spielte, bildete sich sein Gehör auch für den Gesang. Seine kleinen Lieder ertönten so rein, daß man seine Freude daran haben mußte.

So reifte Roderich zu einem Künstler heran, ohne daß er es eigentlich wußte. Indem er aber auch als Künstler ein harmloser Charakter blieb, lohnte er am besten die von seinen Eltern ihm gebrachten Opfer.

bb) Mit Vergleichung.

108. Ein Sprichwort.

Wie es in den Wald hineinschallt, schallt es wieder heraus. Dieses alte Sprichwort ist so verständlich, daß sein Sinn schon von einem Kinde erfaßt werden kann. Es ist aber auch so beherzigenswerth, daß man es auf die Zifferblätter der Uhren schreiben sollte.

Je gewissenhafter ein Mensch seinen Verkehr mit andern nach dieser Erfahrung regelt, desto weniger wird er über fremde Unbill zu klagen haben. Wie wir Andern begegnen, so pflegen diese uns entgegen zu kommen. Je freundlicher wir sind, desto mehr schützen wir uns vor Beleidigungen. Je theilnehmender wir uns erweisen, desto sicherer können wir auf fremdes Mitleid rechnen.

Muß sich ja doch der Christ vor allen Dingen zu seinen Mitmenschen stellen, wie sich ein Bruder zum Bruder stellt.[S. 88] Erscheint er doch überhaupt nie so edel, als wenn er im Sinne seines himmlischen Vorbildes handelt.

Manche Menschen treten freilich so rücksichtslos gegen andere auf, wie wenn sich die ganze Welt vor ihnen beugen müßte. Dadurch aber machen sie sich dermaßen verhaßt, daß sie endlich selbst verachtet werden. Ihr Schicksal verhält sich dann zu ihrem Gebaren, wie sich Ursache und Folgen verhalten.

Behandle also Deinen Nächsten, gleichwie Du von ihm behandelt zu sein wünschest.

b) Abgekürzt.

109. Auf der Wolfsjagd.

Mit allem Jagdgeräthe wohl ausgestattet, verließen wir unsere Behausungen. Einige Diener, reichlich mit Lebensmitteln versehen, folgten. Eine Wolfsjagd kann sich ja, wie alle Jagden auf wilde Thiere, sehr in die Länge ziehen.

Uns über den Jagdplan besprechend, erreichten wir den Wald. Berathen ist freilich leichter, als handeln.

Einander gegenseitig Glück wünschend, gingen wir an der Waldesgrenze bis auf gewisse Entfernungen auseinander. Wir schritten langsam vorwärts, ohne uns jedoch aus dem Auge zu verlieren. Jeder freute sich auf den ersten Schuß, wie auf irgend ein frohes Ereigniß.

Die Flinte zur Seite, schritt ich fürbaß. Mich an einer Felsenwand hindrückend, gelangte ich vor den Eingang einer kleinen Höhle. Alsobald meine Schritte hemmend, spähte ich nach dem dunklen Hintergrunde derselben. Hier leuchteten mir, wie grünfeurige Flammen, zwei Augen unheimlich entgegen. Diese sprühenden Punkte sogleich als Wolfsaugen erkennend, lege ich mein Gewehr an. Nicht ohne vorher die beiden Feuersterne gehörig aufs Korn zu nehmen, drücke ich endlich ab.

Ein kurzes Geheul ausstoßend, stürzt der Wolf dem Eingange[S. 89] der Höhle zu. Hier aber bricht er, noch einen tiefen Seufzer ausstoßend, zusammen. Ich aber schleppte meine Beute, nicht ohne einen gewissen Stolz, an den Rand des Waldes zurück.

Wiederholung.

(Unverkürzte und abgekürzte Nebensätze der Art und Weise.)

110. Die Rettung.

Den hellen Tag in düstere Nacht verwandelnd, zog ein Gewitter über ein Thal hinweg. Die Blitze folgten so schnell auf einander, daß man dazwischen kaum bis zehn zählen konnte. Der Donner rollte so mächtig durch den Himmel hin, daß die nahen Berge zu erzittern schienen. Zudem strömte der Regen vom Himmel herab, wie zur Zeit der Sündflut.

Von allen Seiten Zufluß erhaltend, trat der sonst so unbedeutende Thalbach über seine Ufer. In wenig Minuten gestaltete er sich, das ganze Thalbecken überflutend, zum reißenden Strome. Er nahm ebenso zu an Tiefe, als er in der Breite wuchs. Seine schmuziggelben Wogen brausten dahin, daß es Jedermann mit Entsetzen erfüllte.

Mitten in dem Thale stand eine alte Mühle, von den Wogen jetzt auf das entsetzlichste bedroht. Die armen Bewohner derselben schrieen, auf dem Dache sitzend, mit herzzerreißender Stimme um Hilfe. Niemand freilich konnte sie ihnen bringen, ohne selbst das Leben auf das Spiel zu setzen. Die eigene Gefahr war zu groß, als daß sich sogleich rettende Hände gefunden hätten.

Je höher indeß das Wasser stieg, desto entsetzlicher ertönte der Hilferuf der Unglücklichen. Ihr Angstgeschrei erscholl so verzweifelt, daß es hätte Steine erweichen können.

Je größer aber die Noth, desto näher oft die Hilfe. Plötzlich brachten zwei wackere Männer, vor Anstrengung keuchend,[S. 90] einen kleinen Nachen herbei. Ohne daß sie weiter viel redeten, ließen sie denselben ins Wasser. Indem jeder ein Ruder zur Hand nahm, stiegen sie in das dürftige Fahrzeug ein.

Der Mensch erscheint nie so groß, als wenn er sein eigenes Leben für die Rettung eines anderen einsetzt.

Mit kräftigen Armen den Nachen lenkend, erreichten die beiden Männer glücklich die Mühle. Nicht ohne daß es große Vorsicht gegolten hätte, wurde die Müllerfamilie in den Nachen gebracht.

Schon die nächste Minute darauf versank das ganze Gebäude, sich noch einige Male im Kreise drehend, in den Fluten. Die edlen Männer aber gelangten, dem lieben Gott für seinen Beistand innig dankend, mit der armen Familie glücklich ans Land.

Hauptwiederholung.

(Umstandssätze des Ortes, der Zeit und der Weise.)

111. Eine Lebensgeschichte.

Wehmüthig auf einem Stäbchen seines Gebauers sitzend, erzählte ein Rothkehlchen einem Kanarienvogel seine Lebensgeschichte:

Wo die jungen Kiefern mit Birkenbüschen im bunten Wechsel standen, da war mein liebster Aufenthalt. Hier lebte ich, mein treues Weibchen meist zur Seite, in ungestörtem Glücke.

Sobald der erste Morgenstrahl durch die Zweige drang, stimmte ich mein Lied an. Ein Tag nach dem andern floß dahin, ohne daß uns irgend ein Leid bewegte. Je höher die Sonne stieg, desto lustiger wurde mein Gesang.

Sowie der Frühling einzog, bauten wir uns ein Nest. Wohin wir es bauten, dahin konnte sich kaum ein Raubthier finden.

An einem schönen Herbsttage nun fliege ich, einigen Hunger verspürend, an einem Waldbache hin. Indem ich mich auf ein Tannenbäumchen niederlasse, bemerke ich am Stamme desselben[S. 91] rothe Beeren. Während ich mir dieselben noch betrachte, erblicke ich sogar dicht dabei einen fetten Mehlwurm.

Ueber meine Entdeckung höchst erfreut, fliege ich hinab. Zu meiner noch größeren Freude bemerke ich da, wo die Beeren hingen, ein bequemes Hölzchen. Nichts Schlimmes ahnend, setze ich mich darauf. Kaum aber berühre ich dasselbe, werde ich an den Füßen von einer Schlinge festgehalten.

Ich ringe natürlich mit allen Kräften, gleich einem Löwen im Netze, nach meiner Freiheit. Die Schlinge aber zieht sich dadurch so zusammen, daß sie mir die Beine zu durchschneiden droht.

Währenddem ich nun um Hilfe rufe, kommt ein Bube herbeigesprungen. Er rieb sich vor Freude die Hände, als er mich erblickte. Woher er kam, daher sah ich sonst selten einen Menschen kommen.

Dieser Bube steckte mich, ohne daß er nur das geringste Mitleid empfunden hätte, in ein Leinwandsäckchen. Wo er mich hinbrachte, da waren hartherzige Menschen. Sie kauften mich so gleichgiltig, wie wenn sie eine Schuhbürste gekauft hätten.

Nachdem ich jetzt in einen Käfig gesperrt war, übersah ich erst mein trauriges Loos!

Seitdem ich ein armer Gefangner bin, ist mein ganzes Lebensglück vernichtet. Woher ich gekommen, dahin darf ich nie zurückkehren. Die Freiheit aber ist ein zu edles Gut, als daß man sie ganz vergessen könnte. Vielleicht erlöst mich mein Schöpfer, von meinem Elende gerührt, bald durch den Tod aus dieser Qual.

4. Umstandssätze des Grundes.

a) Wirkliche Gründe.

aa) Stoff, Ursache, Erkenntnißgrund.

112. Die Fledermaus.

Die Fledermaus erkennt man daran als Säugethier, daß sie lebendige Junge erzeugt. Da sie aber fliegen kann, rechnet[S. 92] sie mancher Unwissende zu den Vögeln. Indem ihre Füße mit den Flügeln verbunden sind, kann sie nicht gut sitzen. Auf das Laufen muß sie fast ganz verzichten, weil sie eigentlich gar keine Gehwerkzeuge besitzt.

Da sie sich meist von nächtlich schwärmenden Insekten nährt, beginnt sie zur Dämmerzeit ihre Jagd. Woraus ihre Nahrung besteht, daraus besteht auch das Mahl der Nachtschwalbe.

Die Fledermaus gewinnt dadurch etwas Unheimliches, daß sie fast stets in einem Kreise umherfliegt. Besonders häufig zeigt sie sich in den Gehöften, weil sie dort jedenfalls reiche Beute findet. Wenn sie gefangen wird, stößt sie kläglich pfiepende Töne aus.

Mancher Landmann will danach das Wetter bestimmen, ob sie hoch fliegt oder nicht.

Da sie im Winter keine Nahrung finden würde, verschläft sie denselben. Zu diesem Zwecke sucht sie oft die Gemäuer der Thürme auf, weil sie hier Schutz vor den Winterstürmen findet.

bb) Beweggrund, Zweck, Ziel.

113. Mutterliebe.

Um ihr Kindlein groß zu ziehen, bringt eine Mutter unzählige Opfer. Damit es körperlich gedeihe, reicht sie ihm wohlgewählte Nahrung. Ihr Auge wacht mit ängstlicher Sorgfalt, daß ihm kein Unfall zustoße. Um es vor Gefahren zu behüten, warnt sie es bei jeder Gelegenheit.

Wie treubesorgt ist nun erst eine Mutter um ein krankes Kind, damit es bald wieder genese. Sie entsagt nächtelang dem Schlafe, um keine Veränderung in dem Zustande ihres Lieblings unbeobachtet vorübergehen zu lassen.

Eine treue Mutter ist aber auch darauf bedacht, daß ihr Kind geistig gedeihe. Sie hütet es vor schlechtem Umgange, weil dieser sein Herz verderben könnte. Sie bewahrt es vor[S. 93] widerwärtigen Eindrücken, da diese ein zartes Gemüth leicht abstumpfen. Sie leuchtet ihm in jeder Hinsicht stets mit einem guten Beispiele voran, indem ein gutes Vorbild auf des Kindes Veredlung jedenfalls am segensreichsten wirkt. Sie ermahnt ihr Kind tagtäglich zu allem Guten, weil sie ihm ein reines Herz erhalten will. Sie straft aber auch ihr Kind zur rechten Zeit, weil sie es eben lieb hat.

Wiederholung.

(Alle Arten Umstandssätze des Grundes.)

114. Der Mensch.

Woraus die Erde besteht, daraus besteht auch der thierische Körper. Und woraus sich der thierische Körper aufgebaut hat, daraus hat sich auch unser Leib entwickelt.

Die Wahrheit dieser Behauptung erkennt man deutlich daran, daß sich jeder Leichnam schließlich wieder in Erde verwandelt. Da nun überhaupt der Mensch in körperlicher Hinsicht ganz dem Thierwesen entspricht, so gehört er auch dem Körper nach zu den Thieren. Natürlich nimmt er unter diesen die höchste Stellung ein, weil sein Körper der vollkommenste ist.

Um aber den Menschen zu seinem Ebenbilde zu erheben, verlieh ihm der Schöpfer einen Geist. Er stattete ihn, damit er einst als Himmelsbürger in die andere Welt eingehen könne, mit einer unsterblichen Seele aus.

So wurde der Mensch dadurch auch zum Herrn der Welt, daß er eben in seinem Körper einen Geist birgt. Unser Leib wird deshalb wol auch ein Tempel Gottes genannt, weil jener göttliche Funke in ihm wohnt.

Beide Bestandtheile des Menschen stehen in Wechselwirkung zu einander, da sie eng mit einander verbunden sind. Wenn der Leib kränkelt, leidet der Geist mit. Wenn der Geist leidet,[S. 94] verkümmert nicht selten der Leib. Halte darum Deinen Leib in Ehren, weil Deine geistige Gesundheit davon abhängt. Veredle Deinen Geist, denn dadurch begründest Du Dein Glück. In jeder dieser Hinsichten hat uns Christus ein Vorbild gelassen, daß wir sollen nachfolgen seinen Fußtapfen.

Hauptwiederholung.

(Umstandssätze des Ortes, der Zeit, der Weise und des wirklichen Grundes.)

115. Der Apfelbaum.

Wo der Garten ziemlich zu Ende ging, stand ein Apfelbaum. Er hing so voll Früchte, daß sich seine Zweige weit herabbogen. Dieses reichen Segens hatte er sich deshalb zu erfreuen, weil er auf einem fetten Boden stand. Seine Aepfel glänzten, wie wenn sie in Gold getaucht wären.

Kaum waren sie völlig gereift, erhielt der Apfelbaum viel Besuch. Bevor der Kutscher in den Stall ging, holte er sich von ihm einige Aepfel. Sobald die Köchin früh aufstand, war ihr erster Gang zu diesem Apfelbaume. Sogar das Kindermädchen holte sich, während die Herrschaft speiste, einige der goldenen Aepfel.

Weil sich nun so viel Gäste einfanden, wurde der Apfelbaum stolz auf sich. Je mehr man an seinen Zweigen schüttelte, desto mehr wuchs sein Hochmuth. Mit aufgeblasenem Wesen richtete er jeden neuen Tag seine Blicke dahin, woher seine vielen Freunde kommen mußten. Dabei sah er auf andere Bäume um sich her so verachtend herab, als wären diese nichtsnutziges Gesindel.

Da sich indeß so viel Gäste fanden, schmolz sein Reichthum zusehends zusammen. Kaum waren zwei Wochen ins Land gegangen, hatte er nur noch drei Aepfel auf seinen Zweigen. Um dieser habhaft zu werden, warf ein Knabe mit einem Steine danach.

Da der Apfelbaum nun keine Früchte mehr hatte, kam ihm[S. 95] kein Mensch mehr zu nahe. Er stand da, wie ein von aller Welt Verlassener. Ohne daß er es natürlich gestand, schämte er sich jetzt seines ehemaligen Hochmuthes.

Wahre Freunde erkennt man daran, daß sie uns ohne Eigennutz lieben.

b) Mögliche Gründe.

aa) Bedingungssätze.

116. Der sterbende Vater.

Als Vater Aminth sein Ende nahen fühlte, ließ er seinen Sohn noch einmal an sein Bett kommen. Unter Anderem legte er ihm Folgendes ans Herz: Wenn es Dir nur irgend möglich ist, so sei dem Bedrängten ein Helfer. Hast Du viel, so gib reichlich. Wofern Du nicht mit einer That einstehen kannst, gib wenigstens einen guten Rath. Wäre auch dieser nicht möglich, so zeige Deine Theilnahme in einem tröstenden Worte.

Hast Du irgend ein Werk vor, so fange es mit Gott an. Wo der Herr nicht das Haus behütet, wachen ja doch die Wächter umsonst. Wenn Du stets deine Hauptstütze in dem Herrn suchst, wirst Du wohlfahren. Wolltest Du Dich aber zu sehr auf Menschenhilfe verlassen, würdest Du Dich oft getäuscht sehen.

Suche Dir vor allen Dingen selbst zu helfen, so wird Dir in vielen Dingen geholfen sein. Schicke Dich in alle Verhältnisse, dafern Deine Rechtschaffenheit nicht darunter leidet.

Falls Du gehorchen mußt, thue es mit Lust. Beuge sogar einmal Deinen Nacken, wenn es die Klugheit gebietet. Hast Du selbst zu gebieten, thue es mit Freundlichkeit. Müßtest Du auch einmal darben, bewahre Dir die Zufriedenheit. Fiele Dir Reichthum zu, so verfalle nicht in Hochmuth.

Würdest Du einmal verkannt, laß den Muth nicht sinken. Stießest Du je auf persönliche Feinde, gib nie dem Zorne Raum. Willst Du Dich an Deinen Beleidigern rächen, so vergib ihnen.

[S. 96]

bb) Einräumungssätze.

117. Die Zunge.

Trotzdem die Zunge ein kleines Glied ist, kann sie doch großen Schaden anrichten. Obgleich dies eine allbekannte Sache ist, wird sie doch nicht immer beachtet. Ein einziges Wort kann ja sogar einen Weltkrieg heraufbeschwören, wiewohl ein Wort doch eigentlich nur ein flüchtiges Luftwellengebild ist.

Wie verletzend wirkte nicht schon oft ein einziger Ausspruch, wenngleich er ohne allen Vorbedacht hingeworfen wurde. Gar nicht selten zerriß ein einziges winziges Wörtchen, ungeachtet es durchaus nicht böse gemeint war, die heiligsten Bande der Liebe auf immer. Und wurde nicht zuweilen durch einen einzigen ausgesprochenen Verdacht, obwohl man ihn vielleicht gar im Scherze zum Vorschein brachte, Jemand gar arg an seiner Ehre gekränkt?

Auch ein Scherzwort, wie unschuldig es an sich immer scheinen mag, kann zum zündenden Funken für ein großes Feuer werden. Hat doch unter besonderen Umständen selbst das Schweigen, obschon die Zunge hierbei eben gar nichts thut, viel Unheil gestiftet.

Halte darum Deine Zunge stets im Zaume, wenn Du Dich auch in den vertrautesten Kreisen bewegtest. Wäge stets Deine Worte ab, ob Du auch keine Ursache dazu zu haben vermeinst. Das einmal gesprochene Wort läßt sich nie wieder vernichten, trotzdem es eben nur ein Erzeugniß einer Luftbewegung ist.

Wiederholung.

(Bedingungs- und Einräumungssätze.)

118. Bildung.

Obwohl Du in der Schule viel lernen kannst, bleibt Dir doch nach der Schulzeit noch viel zu lernen übrig. Wenn ein[S. 97] Schüler auch noch so fleißig wäre, kann er doch in der Schule immer erst den Grund zu seiner weitern Ausbildung legen. Hast Du aber in der Schule einen guten Grund gelegt, wird Dir das spätere Lernen sicher leicht werden.

Bildung ist ein großer Schatz, obschon er sich nicht in Zahlen bezeichnen läßt. Hast Du also Gelegenheit zur Fortbildung, benutze sie. Dem kenntnißreichen Manne steht die Welt offen, wenngleich seine Tasche keinen Kreuzer beherbergte. Hätte Mancher in seiner Jugend mehr gelernt, er brauchte jetzt nicht Steine zu klopfen.

Wie sehr auch heutzutage das Geld die Welt regiert, die Bildung wird doch endlich den Sieg davontragen. Falls Du also auch gleich nach Deiner Confirmation nach Brod arbeiten müßtest, ein nützliches Buch wirst Du nebenbei doch lesen können. Und müßtest Du Dir auch einige Vergnügungen darob versagen, suche Dir vor allen Dingen bildende Schriften zu erwerben.

Falls Du in Deinem Berufe auch nicht viel zu schreiben hättest, laß die Feder nicht liegen. Wenn Du nur ernstlich willst, etwas Zeit zur Fortbildung läßt sich schon gewinnen.

Obgleich man sich für Geld große Genüsse verschaffen kann, Bildung bleibt doch der Schlüssel zu den edelsten.

Wiederholung.

(Umstandssätze des Ortes, der Zeit, der Art und Weise, des wirklichen und möglichen Grundes.)

119. Die Raubritter.

Als das Ritterthum in voller Blüthe stand, gab es leider auch Raubritter. Wo ihre Burgen emporragten, dort war besonders für die Kaufleute ein gefährliches Reisen.

Ohne daß es sich der Reisende oft versah, wurde er von einer Schaar solcher Wegelagerer überfallen. Sie kamen, um[S. 98] ihn seiner Schätze zu berauben. Zuweilen verlegten sie ihm auch blos den Weg, damit sich der Reisende zu Opfern für seine Freiheit verstehen solle. Falls der so Gehemmte sich zu keiner Zahlung verstehen wollte, wurde er nicht selten als Gefangener abgeführt.

Wo diese Raubritter ihre Burgen erbauten, führten gewöhnlich wichtige Verkehrswege vorüber. Damit kein Mensch ungesehen diese Straßen ziehe, stellten sie Wachen aus. Kaum graute der Morgen, standen diese schon auf ihren Posten.

Mit diesen Verhältnissen vertraut, reiste darum auch selten ein Handelsmann mit seiner Waare allein. Damit man nöthigenfalls Widerstand leisten könne, verband man sich zu Karavanen. Obgleich aber diese Gesellschaften oft ziemlich stark waren, entgingen sie doch selten ihrem Schicksale.

Sobald es zu irgend einem Kampfe kam, trugen die wohlbewaffneten Reisigen in der Regel den Sieg davon. Je mehr diese dann dabei Verluste erlitten hatten, desto größeren Tribut mußten die Besiegten zollen.

Da nun ein Raubritter neidisch auf das Glück des andern sah, entstanden nicht selten unter diesen selbst blutige Fehden. Ehe es sich der eine versah, umzingelten mißgünstige Nachbarn seine Burg. So kurze Zeit eine solche Fehde auch dauerte, so blutig war sie doch oft. Nicht selten schleifte man den Rittersitz des Besiegten, weil dieser sonst doch wieder hätte zu Macht gelangen können.

Wiewohl es auch heute noch Straßenräuber gibt, ist doch die Gefährlichkeit des jetzigen Reisens mit der jener Tage gar nicht zu vergleichen. Niemand wird, ohne ein gewisses Grauen zu empfinden, an jene Zeit zurückdenken.

Während damals die überlegene Gewalt regierte, regiert jetzt das Recht. Die Zeit wollen wir ja nicht die goldene nennen, während welcher das Faustrecht galt.

[S. 99]

5. Einschaltsätze.

120. Ein Dieb.

Vergangenen Montag — es konnte wol nachmittags gegen drei Uhr sein — entstand auf der Straße ein gewaltiger Menschenauflauf. Zwei Polizeidiener ergriffen einen Menschen, welcher — man sollte es kaum glauben — am hellen Tage einen Herrenrock von einem Schaufenster gestohlen hatte.

Dieser freche Dieb — er schien übrigens der Polizei als solcher bekannt zu sein — wehrte sich dermaßen, daß man ihn binden mußte. Jetzt aber — welch eine Frechheit! — stellte er sich, als ob er nicht laufen könne. Und so mußte er — den Polizeiern blieb nichts Anderes übrig — auf einen Schubkarren geladen werden.

Im ersten Verhöre soll er sich — wie sich nicht anders erwarten ließ — auch äußerst widerspenstig benommen haben. Hoffentlich wird ihn aber die Strafe für seine Vergehungen — und diese wird wahrscheinlich eine ziemlich strenge sein — mürbe machen.

Hauptwiederholung.

(Subject-, Präd.-, Beif.-, Ergänz.-, Umstands-, Anführ.- und Einschaltsätze.)

121. Der Mäusethurm.

Gegen Ende des zehnten Jahrhunderts lebte ein berüchtigter Kirchenfürst, mit Namen Hatto. Nachdem er mehrere Jahre Abt zu Fulda gewesen war, wurde er zum Erzbischof von Mainz erhoben. Diese Stadt liegt bekanntlich da, wo sich der Main in den Rhein ergießt.

Wer jenem hohen Herrn untergeben sein mußte, konnte nicht ohne Furcht zu ihm aufblicken. Hatto war — man sollte dies von einem Bischofe kaum glauben — vom Geize besessen. Nehmen erschien ihm jederzeit angenehmer als das Geben.[S. 100] Daran, daß sein Herr und Heiland in Armuth dahinwandelte, wollte er sich wahrscheinlich ganz absichtlich nicht erinnern.

Da ihn nun die Habsucht gefangen genommen hatte, kannte sein Herz natürlich kein Mitleid. Ohne daß es ihn rührte, konnte er an den Hilfsbedürftigsten vorübergehen. Die Geschichte berichtet sogar, daß er sich ganz unmenschliche Grausamkeit habe zu Schulden kommen lassen:

Als er schon lange Jahre Bischof zu Mainz war, entstand einmal eine furchtbare Hungersnoth. Die Rheingegend war es, wo das Uebel am ärgsten auftrat. Hunderte von Familien hatten nicht, womit sie auch nur eine Mahlzeit ihren Hunger stillen konnten. Von den entsetzlichsten Qualen langsam aufgerieben, erlagen eine große Anzahl Menschen endlich dem Tode.

Daß die Noth groß war, konnte dem Erzbischof nicht unbekannt bleiben. Wessen Herz freilich der schändlichste Eigennutz beherrscht, der mag fremdes Elend nicht sehen. So blieb Hatto angesichts alles Jammers, der er war.

Nachdem die Hungersnoth den höchsten Grad erreicht hatte, versammelten sich eines Tages mehrere Hundert Halbverhungerter vor der Burg des Erzbischofs. Obgleich man seine Härte kannte, wollte man doch einen Bittversuch wagen. Der Trieb, das Leben zu erhalten, läßt ja kein Mittel unbenutzt.

„Hab’ Erbarmen!“ flehte eine Anzahl solcher Unglücklichen zu den Burgfenstern hinauf. Und Andere riefen mit herzzerreißender Stimme: „Nur ein einziges Stück Brod laß uns werden.“

Obwohl nun Hatto’s Speicher überreich gefüllt waren, hatte er doch kein Ohr für das Hungergeschrei. Er äußerte sogar, das Volk da unten sei nur liederliches Gesindel.

Da nun aber die armen Menschen ihr Flehen fortsetzten, gerieth er endlich in Zorn. In diesem Zorne befahl er seinen Knechten, daß sie das lästige Bettelvolk in eine große Scheune[S. 101] sperren sollten. Die Knechte, weil es ihr Herr befohlen, führten die Schändlichkeit augenblicklich aus.

Was aber that Hatto, der Wütherich, nun? — Er ließ — fast sträubt sich die Feder vor diesem Berichte — die betreffende Scheune an allen vier Ecken anzünden. Ohne daß es ihn nur im geringsten rührte, sah er der auflodernden Flamme zu. Während des entsetzlichen Geschreies der Verbrennenden rief er sogar seiner Umgebung, teuflisch spottend, zu: „Hört Ihr das Piepen der Brodmäuse?“

Hören wir nun, was die Sage über das Lebensende dieses Grausamen berichtet: Kurz nach dieser fluchwürdigen That zogen in die Burg, die Hatto bewohnte, eine unerhörte Menge Mäuse ein. Wo man nur hinsah, wimmelte es von diesen Thieren.

Wie entsetzlich dies dem Erzbischof sein mußte, läßt sich leicht denken. Je mehr er aber das Ungeziefer verfolgen ließ, desto zahlreicher wurde es.

Um sich diesen Feinden zu entziehen, siedelte er in die Stadt Bingen über. Aber auch hier wurde es wieder, wie es gewesen war. Die Mäuse, die sich einmal gegen ihn verschworen zu haben schienen, folgten ihm auch hierher. Von ihnen aufs neue gequält, sann er abermals auf Rettung.

Endlich hatte er einen Plan, wie er sich vor der Höllenschaar unzweifelhaft sichern könnte, entworfen. Da, wo sich der Ruppertsberg im Rheine spiegelt, ließ er sich einen kleinen Thurm mitten in dem Strome erbauen. „Dort muß ich doch endlich vor den Bestien Ruhe haben“, dachte er bei sich.

Als der Thurm vollendet war, segelte Hatto auf einem Nachen hinüber. Daß freilich die Mäuse auch schwimmen können, hatte er nicht bedacht.

Ihr Rächeramt zu vollenden, ruderten sie in zahlloser Menge dem Thurme zu. Bald war derselbe, der an sich nicht viel Räumlichkeiten bot, von ihnen überschwemmt.

[S. 102]

In diesem Thurme aber wurde Hatto — so berichtet eben die Sage — von den Mäusen endlich aufgefressen. Der Thurm, in dem dies geschehen sein soll, steht übrigens heute noch. Man nennt ihn, eingedenk der Sage, den Mäusethurm.

F. Mehrfach gegliederte Sätze etc.

122. Gellert.

(Alle Arten Sätze.)

Gellert war ein Dichter. Er wurde am 4. Juli 1715 in dem damals ziemlich kleinen sächsischen Städtchen Hainichen geboren. Sein frommer und darum hochgeachteter Vater war Pfarrer daselbst. Sowohl der Vater als auch die Mutter erzogen ihren Knaben sehr streng.

Gellert versuchte sich bereits in früher Jugend in der Dichtkunst und über manches seiner kleinen Lieder konnte sich sein Vater schon freuen. Das erste größere Gedicht, welches er seinem Vater zu dessen Geburtstag überreichte, erregte sogar einiges Aufsehen.

Gellert studirte. Nach dem Wunsche seines frommen Vaters sollte er sich zu einem tüchtigen Prediger ausbilden. Gellert aber zeigte weder besondere Lust zu dem geistlichen Stande, noch schien er sich für denselben besonders geeignet zu halten. Der junge Mann hatte jedenfalls ein richtiges Urtheil über sich, denn schon in seiner ersten Begräbnißrede blieb er stecken.

Nachdem ihm seine Schriften einen besonderen Ruf erworben, trat er als Lehrer in einer höheren Schule auf. Seine Vorträge gefielen. Wegen seines lauteren Charakters genoß er unter der studirenden Jugend bald die größte Achtung.

Seine Oden, geistlichen Lieder und Fabeln erlangten die allgemeinste Anerkennung. Seine frommen Lieder werden noch[S. 103] heute in den Kirchen gesungen und an seinen lehrreichen Fabeln ergötzt sich noch heute die Kinderwelt.

Was Gellert geschrieben, ist in sechs starken Bänden der Nachwelt aufbewahrt.

123. Geistesgegenwart.

(Desgleichen.)

In einem großen, schönen Garten, welcher dicht an einer Straße, die nicht eben sehr belebt war, lag, befanden sich eines Tages drei Geschwister. Sie hatten sich hier eingefunden, um sich zu erholen und sich zu gleicher Zeit angenehm zu beschäftigen.

Paul, der Zwölfjährige, beschnitt mit seinem scharfen Taschenmesser ein wildes Obstbäumchen, damit seine Krone eine bessere Form erhalten sollte. Wo der Weg nach einem kleinen Hügel führte, kauerte Bertha, die zehn Jahre zählte, vor ihrem Blumenbeete, Nelken und Tausendschönchen pflanzend. Wilhelm, erst im siebenten Lebensjahre stehend und in der Familie gewöhnlich der Wilde genannt, zimmerte vor einer duftenden Jasminlaube aus den braunen Bretchen eines Cigarrenkastens, die ihm der Vater geschenkt hatte, ein Segelschiff.

Alle drei Kinder waren fröhlich und wohlgemuth, denn jedes trieb seine Lieblingsbeschäftigung. Paul pfiff, Bertha sang und Wilhelm trällerte bei der Arbeit, sodaß es eine Lust war, ihnen zuzuhören. Wer hätte zu ahnen vermocht, daß ihre Freude plötzlich in erschrecklicher Weise gestört werden sollte!

Plötzlich nämlich — es mochte nachmittags gegen ein Uhr sein — erschien ein fremder Hund, ohne einen Laut von sich zu geben, im Garten. Sein dickes Fell war zerzaust, seine Augen waren geröthet, die Zunge hing ihm weit zum Maule heraus und die Ruthe trug er zwischen die Hinterbeine geklemmt.

Paul, welcher den Hund zuerst erblickte, erschrak, denn das Aussehen des Thieres, das ihm noch dazu ganz unbekannt war,[S. 104] kam ihm sogleich verdächtig vor. Bertha, die nur erst kürzlich in der Schule von der Wuthkrankheit der Hunde gehört hatte, schrie aus Leibeskräften: „Hilfe! Hilfe! Ein toller Hund!“ Und der kleine Wilhelm, um der Gefahr zu entgehen, wollte eben in eine Laube flüchten. Noch aber hatte er dieselbe nicht erreicht, als der Hund auf ihn losfuhr, wie wenn er ihn beißen wolle. Der Kleine schrie und zitterte vor Angst am ganzen Körper, sodaß er keinen Schritt von der Stelle wagte. Seine Lage war entsetzlich!

In diesem verhängnißvollen Augenblicke jedoch sprang Paul herbei, packte das gefährliche Thier mit beiden Händen am Halse, drückte ihm die Kehle zusammen und hob es empor.

Während nun der beherzte Knabe den Hund über der Erde hielt, konnte sich Wilhelm in die Laube retten und die Thüre derselben hinter sich verschließen.

Auf das Geschrei der Kinder, das jetzt aus drei Kehlen zugleich erfolgte und ganz entsetzlich klang, eilte der Vater, vor Schreck fast bleich, herbei. Er erkannte sofort, daß der Hund, der in den Händen des Knaben wie verzweifelt hin- und herschnellte, toll war. Die schreckliche Gefahr, in der seine Kinder schwebten, ermessend, und ohne einen Augenblick Zeit zu verlieren, ergriff er eine in der Nähe liegende Hacke und führte damit einen wohlgezielten Schlag auf die Nase des wüthenden Thieres.

Mit einem grellen Aufschrei fiel es zu Boden, woselbst es augenblicklich von dem Vater den Todesstreich erhielt.

Um seines Muthes und seiner Geistesgegenwart willen, die einzig und allein ein furchtbares Unglück verhindert hatten, erhielt Paul, ehe noch der Tag zu Ende ging, von seinem Vater eine prachtvolle Bilderbibel. Die ganze Familie aber, in welcher überhaupt ein frommer Sinn herrschte, dankte in ihrem Abendgebete, dem der Vater heute eine besondere Feierlichkeit verlieh,[S. 105] dem lieben Herrgott, daß er in jenen verhängnißvollen Augenblicken ihr gnädiger Beschützer gewesen.

124. Schlaf und Tod.

(Zwei vollständige Satzgefüge verbunden.)

Der Schlaf, welcher unserm Körper Erholung gewährt, hat viel Aehnlichkeit mit dem Tode, und der Tod, der einst unser aller Loos ist, hat Vieles mit dem Schlafe gemein.

Sobald uns der Schlaf befällt, hören verschiedene Thätigkeiten des Körpers auf, ebenso vermindern sich allmälig verschiedene Bewegungen der Muskeln, wenn der Tod an den Menschen herantritt. Das völlige Entschlummern wird dadurch herbeigeführt, daß die Sinnesnerven endlich ihre Dienste einstellen, und der Tod tritt ein, indem die Athmungsorgane schließlich zum Stillstand gelangen.

Das Einschlafen erfolgt so allmälig, daß der eigentliche Augenblick des Entschlafenseins gar nicht genau beobachtet werden kann, ebenso erlöscht auch zuweilen ein Lebenslicht in so unmerklicher Weise, daß die am Sterbelager Stehenden den Eintritt des Todes gar nicht gewahren. Der Schlafende weiß nicht mehr, was um ihn her vorgeht, auch dem Todten ist bekanntermaßen verschlossen, wie das Leben um ihn her waltet.

Wer schläft, erwacht nach einer bestimmten Zeit wieder, und wer im Grabe ruht, den wird einst ebenfalls die Stimme des Herrn erwecken.

125. Die Zukunft.

(Es beziehen sich mehrere Nebensätze auf einen Hauptsatz.)

Wüßte der Mensch, was morgen sein wird, und läge ihm die Zukunft überhaupt klar vor Augen, so würde das durchaus kein Glück für ihn sein. Obgleich er sich manchen Kummer ersparen und auf manches traurige Geschick vorbereiten könnte,[S. 106] obschon er sich manche Freude mehr zu verschaffen und manche schon im voraus zu genießen vermöchte, müßte ihn dieser Zukunftsblick doch in steter Aufregung erhalten.

Was er von den künftigen Tagen zu erhoffen und was er von ihnen zu fürchten hätte, beschäftigte ihn sicher Tag und Nacht. Die Zeit, da er gesunden, oder in der ihm eine besondere Ehre zu Theil werden, oder zu welcher er Reichthum erlangt haben soll, würde er unter quälender Ungeduld herbeisehnen. Wiederum ginge er der Stunde, die ihn aufs Krankenlager werfen, oder dem Tage, der ihm Zurücksetzung bringen, oder dem Zeitpunkte, zu welchem der Bettelstab sein Loos sein soll, gewiß mit Zittern und Zagen entgegen.

Wer aber möchte nun vollends im voraus wissen wollen, wann er einmal sterben, wie einmal sein Ende sein und wo man sein Grab graben wird?

Wir sind daher unserm Gott Dank schuldig, daß er uns über unser künftiges Geschick im Unklaren läßt, daß er uns das künftige Ungemach verbirgt und daß uns vor allen Dingen die Stunde unseres Abscheidens ein Geheimniß bleibt.

126. Hier und dort.

(Desgleichen.)

Wer die verschiedenen Schicksale der Menschen beobachtet, den Lebensgang einzelner verfolgt, ihren sittlichen Werth mit ihrem äußeren Loose in Vergleich zieht, der wird manche Frage aufzuwerfen haben.

Er sieht da oft, wie der Fromme im Elend schmachtet und wie das Laster im Ueberflusse schwelgt, wie man den Verdienstvollen zu Boden sinken läßt und den Unwürdigen erhebt, wie man einen Ehrenmann über die Schultern ansieht, vor dem Ehrlosen aber einen tiefen Bückling macht.

Ein solcher Beobachter fragt dann still für sich: „Wo bleibt[S. 107] hier die Gerechtigkeit? Womit haben jene Braven ihr bitteres Geschick verdient? Warum folgt die Strafe der Sünde nicht auf dem Fuße?“

Nur dort oben, wo hoch die Sterne stehen, woher alles Licht uns zuströmt, wohin die Erdenpilger einst alle eingehen müssen, sucht er des Räthsels Lösung. Der Glaube an den Allvater, der Gerechtigkeit lieb hat, der Jedem nach seinem Thun vergelten will, dessen Gedanken freilich hoch und dessen Wege wunderbar sind, hilft ihm über das Dunkel dieses Lebens hinweg.

Hat doch auch Christus, um jenen Zweifelfragen zu begegnen, den unschuldig Leidenden zu trösten und überhaupt den Blick in das Jenseits einigermaßen zu lichten, das „Hier und dort“ in dem Gleichnisse vom armen Lazarus vortrefflich beleuchtet.

127. Das Turnen.

(Desgleichen.)

Wer seinem jugendlichen Körper eine heilsame Bewegung verschaffen, seine Muskelkraft gleichmäßig ausbilden und seinem ganzen Menschen eine sichere Haltung verschaffen will, der muß turnen. Was das Turnen nützt, wie es stärkt und belebt und wie es sogar den Geist frischer macht, wissen gar viele Menschen noch gar nicht.

Ohne Furcht zu verspüren, auf seine Gewandtheit bauend und seiner Körperkraft vertrauend, geht der echte Turner leiblichen Gefahren entgegen. Denke hierbei an die Turnerfeuerwehr, die eben aus Turnern besteht, die sich gewöhnlich freiwillig zu dem schweren Dienste des Rettungswerkes stellt und die bei einem Brande nicht selten die größten Wagnisse unternimmt. Wo die Gefahr am größten, wo das Rettungswerk am schwierigsten, wo es vor allen Dingen Menschenleben zu sichern gibt, da ist der Turnerfeuerwehrmann zur Hand.

Weil nun das Turnen eine so gute Schule für den Körper[S. 108] ist, weil es den Geist freier macht und weil es somit den ganzen Menschen bildet, so werde auch Du ein Turner.

128. Die Thierschutzvereine.

(Der Nebensatz enthält wieder einen Nebensatz.)

Man muß sich leider gar oft überzeugen, daß viele Leute noch gar nicht einsehen, wie höchst segensreich die Thierschutzvereine wirken. Diese Erscheinung aber, die eine recht betrübende ist, hat ihren Grund meist darin, daß viele Menschen, namentlich viele Pferdebesitzer, dem Thiere nicht die Stellung in der Welt zugestehen, die ihm gebührt.

Manche vermeinen wol auch, das Thier, als ein vernunftloses Wesen, empfinde den Schmerz, der ihm durch Mißhandlungen zugefügt wird, nicht in dem Grade wie ein Mensch.

Möchten dergleichen Anschauungen, die doch ganz irrige sind, weil sie eben auf falscher Beurtheilung der Natur des Thieres beruhen, bald gänzlich verschwinden. Möchte es den Thierschutzvereinen, die, trotz mancherlei Hindernissen, ihr edles Werk mit allem Eifer treiben, gelingen, das Mitgefühl mit der Thierwelt, ohne welches der Thierquälerei Thür und Thor geöffnet sind, in jedes Menschen Brust zu pflanzen.

Man muß es mit Freuden wahrnehmen, daß da, wo das Auge solcher Vereine, das ja oft ein tausendfaches ist, wacht, Mißhandlungen von Thieren, wie sie sonst fast täglich zu erleben waren, zu den größten Seltenheiten gehören.

Dank aber auch den Behörden, welche, die gute Sache erkennend, jene wohlthätigen Vereine, wo sie immer ihren Sitz haben, nachdrücklich unterstützen, indem die Thierquäler, und zwar ohne Ansehen der Person, vor Gericht gestellt und gebührend bestraft werden.

[S. 109]

129. Ein Apfelkern.

(Desgleichen.)

Man glaubt gar nicht, was in einem einzigen Samenkerne, den wir vielleicht mit Füßen treten, für Wunder enthalten sind.

Du weißt z. B., daß ein Apfel, der die gehörige Reife erlangt hat, sechs bis acht braune Kerne enthält. Du erinnerst Dich, wie einfach ein solcher Kern, der noch dazu ziemlich klein ist, aussieht.

Nun aber bedenke, daß in ihm eigentlich schon der zukünftige Apfelbaum, dessen breitarmige Aeste später einen geraumen Theil des Gartens beschatten, enthalten ist. Es bedarf von Deiner Seite weiter nichts, als daß Du ihn in die Erde, die natürlich kein unfruchtbarer Boden sein darf, legst.

Was er zu seiner Entwickelung, die dann geheimnißvoll vor sich geht, nöthig hat, verleiht ihm die gütige Natur. Nach nicht allzulanger Zeit bemerkst Du, wie sein zarter Keim, hellgrün von Färbung, die Erdrinde, die sogar etwas fest sein kann, durchbohrt. Bald siehst Du dann, daß sich aus der grünen Spitze ein Blättchen, das schon ziemlich die Form der künftigen Baumblätter zeigt, entwickelt.

Die weitere Ausbildung zum Stämmchen, die nun vor sich geht, ist es werth, von Dir beobachtet zu werden. Wer dergleichen Vorgänge in der Natur, die eben ein großes Wunderreich ist, mit Aufmerksamkeit verfolgt, dem muß ein Licht über die Größe des Schöpfers, dessen Kraft alles Geschaffene durchdringt, aufgehen.

130. Eine Wohlthäterin.

(Desgleichen.)

Barbara Uttmann, die unvergeßliche Wohlthäterin des sächsischen Erzgebirges, wurde 1514 — also noch vor der Reformation — geboren. Sie verheirathete sich mit einem Bergherrn,[S. 110] welcher den Namen Uttmann führte und in der Nähe von Annaberg, der Berg- und Gebirgsstadt, mehrere Grubenwerke besaß.

Das Klöppeln erlernte Barbara — wie man gewöhnlich annimmt — von einer Brabanterin, welche um ihres protestantischen Glaubens willen aus ihrem Vaterlande, in dem der Katholicismus die Oberhand hatte, vertrieben worden war. Um diese Kunst, die zu jener Zeit gut lohnte, weiter zu verbreiten, lehrte sie Barbara Uttmann, ohne aber irgendwie Bezahlung dafür zu nehmen, zunächst den Mädchen und Frauen Annabergs.

Kaum waren zehn Jahre vergangen, hatte der Klöppelsack — so nennt man das Werkzeug, an dem geklöppelt wird — im ganzen Erzgebirge, wo damals viel Armuth herrschte, Eingang gefunden. Somit legte die brave Frau den Grund zu einem Erwerbszweige, der unzähligen Armen Brod gab und noch heute über 40000 Menschen, die zwischen der bairischen Grenze und Geising wohnen, beschäftigt.

Barbara Uttmann verdient deshalb auch, daß man ihr, um ihr Andenken in Ehren zu halten, auf dem Friedhofe zu Annaberg, welcher die Hospitalkirche umgibt, ein Denkmal gesetzt hat. Es ist aus weißem Marmor gearbeitet und stellt Barbara dar, wie sie vor ihrem Klöppelsacke, der ungemein kunstreich ausgeführt ist, sitzt und arbeitet.

Dieser schöne Grabstein, welcher von allen Fremden, die nach Annaberg kommen, aufgesucht wird, enthält die Inschrift: „Ein thätiger Geist, eine sinnige Hand, sie ziehen den Segen ins Vaterland.“

131. Grille und Ameise.

(Der Anführungssatz ist ein Satzgefüge.)

Eine Grille, welche den Sommer in Trägheit verlebt hatte, sprach zur nahenden Winterzeit zu ihrer Nachbarin, einer Ameise: „Borge mir ein wenig zu essen, damit ich nicht Hunger leiden muß.“

[S. 111]

Ohne etwa augenblicklich vom Mitleid ergriffen zu werden, fragte die Ameise: „Hast du dir denn keine Speise für den Winter, den du doch kommen sahst, gesammelt?“

„Ich würde das gewiß gethan haben“, erwiderte die Grille, indem sie einen etwas schnippischen Ton annahm, „wenn ich nur Zeit dazu gehabt hätte.“

„Womit hast du denn die Sommertage, die doch sehr lang und für alle zur Arbeit bestimmt sind, verbracht?“ fragte, nicht ohne Verwunderung, die Ameise.

Der Grille Antwort, die etwas zögernd erfolgte, war: „Du weißt doch, daß ich den Sommer über emsig gespielt und gesungen habe!“

Darauf sagte die Ameise, ohne indeß einen bitteren Ton anzunehmen: „Du hast gewußt, was nach dem Sommer folgt. Wer während des Sommers, der Zukunft uneingedenk, singt, mag im Winter tanzen.“

132. Eine Geburtstagsscene.

(Zusammengezogene, zusammengesetzte Sätze und Satzgefüge verbunden.)

Der dreizehnjährige Otto schenkte gestern mit freudestrahlendem Gesichte seinem lieben Vater zum fünfzigsten Geburtstage ein Paar goldene Knöpfchen von der neuesten Form und ein Rosenstöckchen mit acht lachenden Knospen; das kleine Lischen überbrachte dem guten Papa lächelnd eine große Torte aus Chocolade, sowie sechs reizende Liqueurgläschen aus geschliffenem Glase, und der zehnjährige Sigismund überreichte ihm fast mit gerührtem Herzen ein prachtvoll gebundenes Gebetbuch mit herrlichen Stahlstichen und sprach mit bewegter Stimme ein langes, ergreifendes Gedicht dazu.

Der Vater, welcher sichtlich gerührt war, dankte den Kindern, indem er jedem einen Kuß auf die Stirn drückte, aufs herzlichste, daß sie ihn heute in so sinniger Weise überrascht[S. 112] hätten; zu gleicher Zeit reichte er aber auch der Mutter, welche, ebenfalls Glück wünschend, hinter den Kindern stand, dankbar die Hand, weil er sie sich als die Veranstalterin der schönen Feier dachte, und zu dem Ende ordnete er noch an, daß heute, um auch den Kindern ein besonderes Vergnügen zu bereiten, ein Ausflug in die etwas entlegene Waldschenke, die in einem reizenden Buchenhaine lag und deshalb einen herrlichen Aufenthalt gewährte, unternommen werden solle.

Otto, ein großer Freund des Waldes, jubelte, als er dies hörte, hochauf vor Freude; Sigismund, der da meinte, es ginge noch dieselbe Stunde fort, eilte sogleich nach seiner Botanisirtrommel, die ihm, sobald er ins Freie ging, nie fehlen durfte, und Lischen hüpfte, um ihrer Freude Ausdruck zu geben, auf einem Beine in der Stube umher, sodaß die Mutter schließlich noch sagte, sie solle doch ihre Kräfte für die bevorstehende Partie sparen.

133. An Dich.

(Die Periode.)

Wenn Du die Sprachbilder, welche eigens für Dich, um Dich in Deiner Muttersprache zu unterrichten, geschrieben sind, mit rechter Aufmerksamkeit durchgearbeitet hast; wenn Dir die Regeln, welche darin veranschaulicht werden, recht zum Bewußtsein gekommen sind; wenn Du namentlich im Auflösen der einzelnen Sätze eine gehörige Fertigkeit, die allerdings nur durch Uebung erreicht wird, erlangtest; und wenn Du schließlich, ohne zu ermüden, im Nachbilden des Gegebenen recht fleißig warst: so wird und muß Dir jetzt Deine Muttersprache, dieses theure Eigenthum, wie ein herrlicher Baum vorkommen, an dem kein Blättchen umsonst gewachsen ist; so muß es Dir jetzt möglich sein, die bewundernswerthen Geisteserzeugnisse unserer Dichter, wie sie immer heißen mögen, genügend zu verstehen und infolge[S. 113] dessen muß Deine Achtung vor diesen großen Männern, die mit der Feder in der Hand Unsterbliches geschaffen haben, immer höher steigen.

Wer sich schon als Kind befleißigt, jedes Wort rein zu sprechen; wer es durch unermüdlichen Fleiß in der Schule dahin bringt, daß er seine Gedanken in wohlgeordneter Weise mündlich auszudrücken vermag; wer mit der Feder, diesem weltbewegenden Instrumente, in befriedigender Weise umgehen lernt: der legt für sein Fortkommen im Weltverkehre, der solche Kenntnisse und Fertigkeiten wohl zu schätzen weiß, einen guten Grund; dem können sich dadurch sogar Gelegenheiten bieten, vortheilhafte Lebensstellungen einzunehmen; dem wird man wenigstens immer mir einer gewissen Achtung, die ja viel Werth hat, begegnen.

Befähigten Dich Deine erlangten Sprachkenntnisse indeß später auch nicht gerade zu einem Volksredner, die allerdings eine Rolle in der Welt spielen; reichten Deine Errungenschaften auf dem Sprachgebiete nicht hin, um als Schriftsteller, deren Loos freilich nicht immer ein beneidenswerthes ist, aufzutreten; vermöchtest Du später Dein sprachliches Wissen und Können, das Du mit vieler Mühe Dir angeeignet, nur in einem ganz bescheidenen Berufskreise zu verwenden: immerhin wirst Du nie bereuen, Dich von dem inneren Baue Deiner Muttersprache gehörig unterrichtet zu haben, wirst vielmehr dankbar der Zeit gedenken, da Du ihr inneres Wesen verstehen lerntest, und wirst Dich gemüßigt finden, der Jugend, die Dich seiner Zeit umgibt, das Studium der deutschen Sprache aufs dringlichste zu empfehlen.

Dekoration, Ende.

Druck von Otto Huschke in Nordhausen.

*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SPRACHBILDER NACH BESTIMMTEN SPRACHREGELN ***
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